Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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gypsy-tail-wind
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Unglaublich, was gerade wieder an neuer Musik erscheint … die letzten Tage hörte ich in die obigen sechs CDs rein.

Wadada Leo Smith macht sich ganz alleine mit seiner Trompete an die Musik von Monk – eine grossartige Sache, ganz wie zu hoffen war! Die zweite Neuheit von Smith aus dem Hause TUM ist wohl sehr viel lauter (diverse E-Gitarren), liegt aber noch auf dem Stapel der ungehörten CDs.

Eve Risser/Kaja Draksler traten an zwei aufeinanderfolgenden Editionen des Ljubljana Jazzfestivals im Duo auf bzw. nahmen die Stücke des Albums auf (man hört nichts von einem Publikum, ich denke das wurde vor/nach den Konzerten aufgenommen, was solche Infos betrifft ist Clean Feed ja stets etwas geheimniskrämerisch – Ljubljana wäre allerdings mal eine erwägenswerte Reisedestination). Risser kalauert in ihrem kurzen Text auf der Hülle ein wenig: Was ist schlimmer als ein Pianist? Zwei Pianisten. Doch was Risser und Draksler da machen, gefällt mir vom ersten Eindruck her sehr gut. Es gibt übrigens am Rande einen dritten Pianisten, denn Alexander Hawkins hat die Liner Notes geschrieben.

Sirius dann ist ein geiles Teil – wo ist @vorgarten denn wieder abgeblieben? Das Duo besteht aus Yaw Tembe an Trompete/Stimme und Monsieur Trinité an Percussion – das sind ja dann immerhin schon vier, und so ähnlich klingt das auch. Jazz ist das höchstens am Rande, aber das spielt keine Rolle. Hier wurde übrigens teils vor Publikum in Lissabon (noch eine Reisedestination, die ich dereinst ansteuern sollte), teils ohne Publikum aber gemäss den Angaben – und ja, hier spielt es eben eine Rolle – beide Male live aufgenommen. Wir hören hier also Klangkulissen, die so in Echtzeit aufgebaut – und wohl auch: improvisiert – werden. Faszinierender Stoff! Gekauft habe ich das Ding eigentlich nur wegen der tollen Namen der beiden Protagonisten, die mir ansonsten völlig unbekannt sind.

Die neue ECM-CD von Anouar Brahem lief gestern zum zweiten Mal und ist sehr toll – Django Bates am Klavier ist äussert vielseitig, Holland/DeJohnette sind schlichtweg perfekt, Brahems Stücke bewegen sich irgendwo zwischen traditioneller Musik und Jazz, es gibt Raum für Improvisationen – und es gab gemäss seinen Liner Notes auch einige Diskussionen darüber, wie eng die Soli gehalten, wie die Stimmungen der Stücke beim Improvisieren eingehalten werden sollten usw. Das Resultat ist jedenfalls jeden Streit wert – wirklich klass!

Das Album von Ada Rave sollte ich noch gar nicht erwähnen, ich hörte gestern ein erstes Mal rein, schaffte es aber nicht ganz zu Ende. Zu hören ist die tolle Saxophonistin (Tenor, auch Klarinette und Flöte) mit Nicola L. Hein an der präparierten Gitarre und dem Veteranen Wilbert De Joode am Kontrabass, das ergibt manchmal ein Gefrickel, dann wieder Powermusik – irgendwie auf den ersten Blick etwas konventionelle freie europäische Improvisationsmusik, aber das ist dann auch wieder nicht ganz gerecht, denn das Resultat ist doch ziemlich toll, soweit ich das eben schon mitkriegte. Rave ist auch auf dem Schirm von @nicht_vom_forum, der sie wohl deutlich besser kennt … kennst Du die CD schon?

Dann die neue auf Intakt, von Alexander Hawkins/Elaine Mitchener, aufgenommen im April während die Intakt-Crew für das Festival im Vortex in London war … zwei Hörgänge bisher und das ist grosses Kino. Mit der Stimme muss man klarkommen, Mitchener ist völlig schmerzfrei (das erwähnte Hawkins damals im April schon und ich weiss jetzt ganz genau, was er damit meinte), was hier abläuft, kann man wohl am ehesten mit Jeanne Lee vergleichen. Das Trio mit Hawkins, Neil Charles (der auch auf dem Trio-Album von Hawkins zu hören ist, und Stephen Davis (der damals mit Hawkins ins Vortex kam, nach der einen Session) ist sehr gut eingespielt, beide wirken auch auf der einen CD des aktuellen Doppelalbums von Hawkins mit („unit[e]“ heisst es und ist auf seinem eigenen Label zu finden).

Auf den Stapeln liegen derzeit weitere CDs von Clean Feed (Tree Ear, McPhee/Niggenkemper/Solberg, Kullhammars vierte Basement Session) und ECM (Django Bates, Aaron Parks, Craig Taborn) und noch das eine oder andere mehr („Duopoly“ von Kris Davis“, die beiden jüngsten von Ayler, von denen auch erst die eine mit der verehrten Alexandra Grimal bereits lief) … die erwähnte „unit[e]“ von Hawkins muss auch gleich wieder in den Player … und auf Intakt ist gerade auch eine CD von Stephan Crump im Trio mit Kris Davis und Eric McPherson erschienen, die auch noch her muss … schon etwas weiter nach unten gerutscht auf den Stapeln sind weitere Clean Feed-CDs aus diesem Jahr, auch wieder u.a. mit Kris Davis.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba