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hal-croves
אור

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Immaculate Fools – Another Man’s World (1990)

Mit dieser Besprechung komme ich der Aufforderung nach, mich näher über meine Empfindungen und Erfahrungen zu erklären, die ich beim Hören des vorliegenden Albums gemacht habe. Wie angekündigt, habe ich mir dafür Zeit gelassen, bis mein erstes Urteil keinen Einfluss mehr auf meine Haltung ausübt; außerdem habe ich mir den Umstand zunutze gemacht, dass ich mich, ganz anders als beim ersten Hören, nicht in einer freudig-euphorischen, sondern eher in einer zweifelnd-wehmütigen Stimmungslage befinde. Ich habe geglaubt, dass diese Stimmungslage es mir erlaubt, mich besser in das Album einzufühlen und es angemessener würdigen zu können. Leider ist diese Erwartung nicht eingetroffen.

Ich will also auch diese zweite Bewertung von „Another Man’s World“ mit der Einschränkung versehen, dass mein Urteil fehlerhaft sein und in der Zukunft sich noch ändern kann. Allein, ich vermag das nicht zu glauben. Zunächst muss ich allerdings einen Begriff revidieren, den ich kürzlich zur Bewertung des Albums gebrauchte. Ich nannte es „unstimmig“ im Sinne von „inkonsistent“, und zwar in bezug auf die Bilder und Gefühle, die es in mir weckt. Das führe ich im Nachhinein darauf zurück, dass meine damalige Stimmung in der Tat gar nicht zur Stimmung des Albums passte. Aber auch jetzt fühle ich mich mit der Musik, die es enthält, nicht gut; sie wirkt auf mich altbacken und schal sowohl in ihrer Phraseologie als auch im Gebrauch der Mittel, z.B. was die eingesetzten Instrumente betrifft; vor allem Prince ist doch eine ziemliche Qual für meine Ohren. Da erklingen genau die Flöten-, Orgel- und Geigentöne, die ich einfach nicht mehr hören mag, weil ich sie viel zu oft, und zwar gerade auch auf mittelmäßigen Platten gehört habe. Aber das ist natürlich schon eine rein subjektive Wertung meinerseits; sicherlich werden mir viele darin zustimmen, dass die Immaculate Fools hier sich sehr nach den Waterboys anhören, nur ist das für mich alles andere als ein Kompliment für die Platte.

Immerhin gelingt es zum Ende von Falling Apart Together, aus dem leicht bräsigen Indie-Folk-Rock-Einerlei auszubrechen und so etwas wie Schmerz und Zorn erklingen zu lassen. Und der Titelsong ist ein wirklich hübscher Einstieg ins Album. Ansonsten aber ist es von ein und demselben gemütvollen Midtempo durchzogen, das sich wie Mehltau auf die Musik legt. Das beeinflusst leider auch mein Hörerlebnis von Kevin Weatherills Gesang nachteilig; was bei „Dumb Poet“ noch leidenschaftlich und schiefmäulig zugleich klang, hört sich hier lediglich nölig-larmoyant an. Immerhin ist sein Gitarrenspiel sehr ausdrucksstark und bewahrt dadurch das Album vor dem Absturz in die Unhörbarkeit, aber wirklich retten kann es die Platte auch nicht. Gleichzeitig muss ich einräumen, dass ich leicht nachvollziehen kann, wie andere Hörer dieses Album sehr lieben können; es hat markante Eigenheiten, die es leicht identifizierbar machen und die, entsprechende Vorlieben vorausgesetzt, Menschen durchaus beglücken können. Und auch wenn diese Vorlieben nicht meine sind, will ich das gerne der Platte zugute halten.

Tracklist:
1) Another Man’s World 5:28
2) Sad 4:06
3) Prince 7:34
4) This Is Not Love 4:06
5) Bad Seed 6:38
6) Falling Apart Together 6:04
7) Come On Jayne 4:27
8) Got Me By The Heart 6:06
9) Stop Now 5:39
10) Fighting Again 5:02

**1/2

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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=