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Link Wray & The Raymen – Same (1959)
Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad – und Link Wray liefert den Soundtrack dazu. Kleiner Scherz natürlich – aber immerhin passend insofern, als Wray bekanntermaßen einige seiner späteren Alben in einem alten Hühnerstall in Accokeek, Maryland aufnahm. Und – soviel Ketzerei sei erlaubt – passend auch insofern, als der unsterbliche Ruhm, den Wray sich zweifellos als wichtiger Einflussgeber für Rockstatuen wie Pete Townshend und Iggy Pop erworben hat, angesichts der lustigen kleinen Lieder, die auf dem vorliegenden Album versammelt sind, für Ohren von heute erst mal nachvollziehbar gemacht werden muss. Das gelingt wohl am besten, indem man Musik anderer Rock’n’Roll-Berühmtheiten der späten Fünfziger Jahre hört; dann wird schnell deutlich, wie außergewöhnlich der schneidend-rohe Gitarrensound Wrays in jener Zeit war.
Und, herrgottnochmal, wem zuckt es nicht in den Beinen, und zwar ganz gehörig, jawollja, wenn „Caroline“ ertönt? Und so ausgezeichnet eingestimmt, bleibt man auch gleich in einem flotten Groove bei „Slinky“, das auch gleich wesentlich aggressiver klingt. „Right Turn“ ist dann bereits so schneidend scharf, dass man es ohne weiteres als Paläo-Punk einordnen darf, wenngleich das Tempo gemäßigt bleibt. „Rendezvous“ allerdings ist in seiner Harmlosigkeit und Seichtigkeit geradezu verstörend – eine liebliche Tanznummer, bei der man gerne ausgiebig schmunzeln darf, auch wenn sie zwischendurch mit forscheren Passagen auf Trab gebracht wird. Mit „Raw-Hide“, „Radar“ und „Comanche“ findet Wray dann schließlich ganz zu sich selbst und setzt mit letztgenanntem auch seiner indianischen Herkunft ein Denkmal. Das ist der Sound, mit dem er, der als Erfinder des Power-Chords gilt, berühmt wurde.
Insgesamt frappiert die Platte durch die enorme Wirkung, die sie angesichts ihrer offenherzigen Simplizität entfaltet. „Link Wray & The Raymen“ ist ein ganz schlichtes What-you-hear-is-what-you-get-Album, das eine in ihrer Einfachheit sehr beeindruckende Musikalität offenbart. Fast alles, was später unter dem Stichwort „Garage-Rock“ veröffentlicht wurde, ist vergleichsweise verquast und schwachbrüstig dagegen; Link Wray besaß nämlich ein bewundernswertes Gespür sowohl für Eingängigkeit als auch für Aggressivität, wie man es kaum jemals später bei Pop- und Rockmusikern fand. Er starb 2005 im Alter von 76 Jahren und wurde in der Krypta der Christianskirche in Kopenhagen beerdigt. Ehre und Liebe seinem Angedenken!
Tracklist:
1) Caroline
2) Slinky
3) Right Turn
4) Rendezvous
5) Dixie-Doodle
6) Ramble
7) Hand Clapper
8) Raw-Hide
9) Lillian
10) Radar
11) Comanche
12) Studio Blues
****1/2
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=