Re: Wiederhören im Forum…

#1024011  | PERMALINK

hal-croves
אור

Registriert seit: 05.09.2012

Beiträge: 4,617

Dire Straits – Communiqué (1979)

Das „schwierige zweite Album“ wird wohl deshalb so genannt, weil Autorenbands damit zu beweisen haben, ob ihre Ideen für mehr als ein Strohfeuer reichen. Bei Dire Straits zeigte sich schnell: der kann was – Mark Knopfler nämlich, der Alleinherrscher aus Glasgow, der seine Band sogar noch mehr dominierte als Jim Morrison die Doors, weil er nicht nur wie jener sämtliche Songs schrieb und sang, sondern zudem auch noch die Leadgitarre spielte, und zwar auf eine Weise, die sehr autoritativ verdeutlichte, dass zukünftig wohl in sämtlichen Büchern und Lexika über Leadgitarristen von diesem etwas onkelhaften Stirnbandträger die Rede würde sein müssen.

Entsprechend riesig war die Vorfreude und Erwartung des Publikums nach dem grandiosen, um nicht zu sagen epochalen Debütalbum, welches hier eigens zu besprechen sich irgendwie erübrigen würde – ungefähr so wie es läppisch wäre, heute noch eine Rezension zu Melvilles Moby Dick zu schreiben. Communiqué also ist ein fraglos schönes, atmosphärisch dichtes Album, das Zweifel an der Nachhaltigkeit des Erfolgs von Dire Straits sehr schnell zerstreuen konnte. Songs wie „Once Upon a Time in the West“ und „Lady Writer“ sind auch hervorragend gealtert, lassen sich noch nach 34 Jahren mit großem Genuss hören und überzeugen sowohl durch Ausdrucksstärke als auch durch kompositorische Qualität.

Und doch zeigt sich bereits an dieser Platte eine ungute Tendenz, die sich bei den folgenden Alben verfestigen sollte: eine gewisse Neigung zur Bräsigkeit nämlich, die sich insbesondere bei „Angel of Mercy“ und „Portobello Belle“ zeigt – und ganz bildlich auf dem Inlay-Bandfoto (identisch mit dem hier), das eindeutig ein sehr herzhaftes Facepalm wert ist. So viel Uncoolness muss man sich erst mal trauen, könnte man schmunzelnd sagen, und zwar erst recht im Jahr 1979, das ja mit Joy Division einer Band den Durchbruch brachte, die Dire Straits als ziemlich lächerlich dastehen lassen musste. Aber ganz so ist es dann doch nicht gekommen, denn dazu war die Band einfach zu gut; sie hatte nämlich neben einem begabten Rhythmusgitarristen und einem sehr soliden Basser mit Pick Withers einen ganz außerordentlichen Drummer, der den Sound der Band entscheidend zu prägen imstande war – und zwar ganz klar zu ihrem Vorteil.

So bleibt von Communiqué insgesamt ein durchaus positiver Eindruck, schon weil es mit einem angenehm düsteren „Follow Me Home“ endet: ein bisschen tropischer Sonnenuntergang, ein bisschen Gewitterwolke, ein bisschen Londoner Regentag. Ein solches Album verdient in jeder Hinsicht eine wohlwollende Behandlung.

Tracklist:
1 Once Upon a Time in the West 5:18
2 News 4:16
3 Where Do You Think You’re Going? 3:48
4 Communiqué 5:45
5 Lady Writer 3:42
6 Angel of Mercy 4:32
7 Portobello Belle 4:27
8 Single-Handed Sailor 4:45
9 Follow Me Home 4:25

***1/2

--

"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=