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shirlIch kann das Buch empfehlen, es bietet einen fundierten Überblick der Wurzeln und der Blüte der Bossa Nova. Es beschreibt die Zeit davor, als es hauptsächlich die Samba, sowie Sinatra-inspirierte Nachtclubmusik gab. (…) Die Bossa tat ja, was alle Wellen tun, auslaufen. Nach wenigen Jahren war es vorüber, die sanfte Musik wurde seichter und amerikanischer. Was mich nach wie vor brennend interessiert: was passierte in dem gefühltem Vakuum zwischen der Bossa Nova und der Tropicalia? Das sind immerhin einige Jahre.
Danke.
Das Auslaufen der Welle hat sich doch Jahre hingezogen, und Tropicalismo beginnt schon 1967 – da liegt gar nicht viel dazwischen. McGowan und Pessanha gehen in ihrem Buch The Brazilian Sound (das ich übrigens empfehle) kurz auf die Zwischenphase ein, am Ende ihres Bossa Nova-Kapitels und am Anfang ihres MPB-Kapitels. Demnach folgt auf den Militärputsch 1964 eine Phase der Politisierung und Radikalisierung (bis die Junta dann ab Dezember 1968 der kulturellen Freiheit ein Ende macht und die Phase der strikten Zensur und harten Repression beginnt). Ein Teil der Musiker schreibt jetzt Songs über Armut, Not und Unterdrückung statt über „die Liebe, das Lächeln und die Blumen“ (Carlos Lyra zum Beispiel wird politischer). Musiker wie Edu Lobo geben der Bossa Nova einen neuen Dreh, indem sie Folk-Einflüsse einbeziehen. Ab 1965 beginnt die Zeit der großen, im Fernsehen übertragenen Musik-Festivals, bei denen die Songschreiber und Interpreten der MPB-Generation bekannt werden (dabei wird der Begriff der música popular brasileira erst geprägt, in Abgrenzung zur internationalen Popmusik und den Beatles-Epigonen). Darunter sind dann auch schon Gilberto Gil, Caetano Veloso, Gal Costa…
Edit:
Und parallel zu den Singer-Songwritern und ihren Protestsongs gibt es ab 1965 auch ein Teen-Pop-Phänomen: „In 1965 the Jovem Guarda (Young Guard) movement arrived, led by Roberto Carlos and Erasmo Carlos. (…) By that time bossa nova musicians had largely turned to social and political themes, singing about the poverty and suffering of poor Brazilians. But a large portion of urban youth did not care about droughts in the Northeast or peasants without land. They worried about more immediate things in their own lives: cars, romance, clothes, and school. Jovem Guarda’s rock ’n‘ roll reflected these concerns“ (S. 203f). „Jovem Guarda“ deshalb, weil so die populäre Fernseh-Show von Roberto und Erasmo Carlos hieß (1965-68).
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To Hell with Poverty