Antwort auf: Christiane Rösinger

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friedrich

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Christiane Rösinger – Lieder Ohne Leiden (2017)

Der Tragödie zweiter Teil. Die Enttäuschung fängt eigentlich schon mit dem Titel an. Denn was man auf Lieder Ohne Leiden hört, ist alles andere, als der Titel verspricht. Musikerin, Autorin, Impresaria und Kreuzberger Kiezgröße Christiane Rösinger, Trauerkloß von Beruf, knüpft nicht nur im Titel des ersten Lieds auf LOL „Kleines Lied zum Anfang“ an ihr vorheriges Album Songs Of L. And Hate an, das mit dem Stück „Kleines Lied zum Abschied“ endete. An der Stimmungslage hat sich gar nichts geändert: „Alles Essig, alles Mist, wenn du aus Schwermut Forest bist.“ Das sind sie wieder, die Sorgen und Plagen der Generation Ü40, vermurkste Beziehungen, kreative Traumjobs, die sich als Sackgasse entpuppen, der Schock, wenn man wegen Eigenbedarf aus der eigenen Wohnung geschmissen wird.

Für die Musikalische Begleitung hat Andreas Spechtl von Ja, Panik in Form von zurückhaltenden Indie-Pop gesorgt, hier und da gewürzt mit einer Prise aus Bläsern, einem Akkordeon, einem Cello oder einem Chor. Das ist auch gut so, denn im Vordergrund steht immer die Stimme der Rösinger, die mit Ü50 noch immer mädchenhaft und etwas tolpatschig klingt – aber eben auch traurig und verloren. „50, clumsy and shy“ wie sie Morrissey zitiert – auch wenn der von einem 16-jährigen sprach.

Zum Heulen, wäre da nicht Rösingers Sprachwitz, mit dem sie dieses selbst verschuldete und gefühlte Elend auf links dreht. Da gibt es Reime, die so gerade eben noch mal gutgehen („All das networking / War nie so mein Ding“ oder „Sich selbst promoten / Das gehört verboten“), den „Kummer und all die Empörung / Wegen einer wandelnden narzisstischen Störung“, und auch mal erstaunliche Weisheiten: „Ich heul es mit den Wölfen / Wer 7 Jahre lang nichts merkt / Dem ist nicht mehr zu helfen“. Ganz am Ende dann das vertonte Gedicht „Das gewölbte Tor“ von Heinrich von Kleist. Das liest sich hier vielleicht etwas ambitioniert, gehört aber zu den schönsten Stücken auf LOL und baut ein gutes Stück wieder auf. Denn selbst wenn die eigene kleine Welt zusammenzubrechen scheint, das Tor „steht, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen.“ Also: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.

Die Rösinger hat es ja irgendwie geschafft, gleichzeitig Liebling des Feuilletons und der Subkultur zu werden. In sofern sollte sie sich eigentlich nicht beklagen.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)