Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Who's (Be)Bop?
-
AutorBeiträge
-
Geschafft. Meine allererster Beitrag in diesem Thread. Haltet im Hinterkopf, dass es nur der Erguss eines Novizen ist. Mühe hat es mich gekostet – eine mittlere Schreibblokade hat das Ganze etwas länger dauern lassen. Ok:
Duke Ellington and his Orchestra „Black, Brown and Beige“
Die Gefahr einer falschen Interpretation ist mir durchaus bewusst. Es besteht die Möglichkeit, oder vielmehr der Zwang, ins Lächerliche abzudriften und monumentale Gebilde zu erschaffen, die nicht ansatzweise vorhanden sind.
Als vollkommenes Neutrum, ohne Vorinformation, ohne jegliches Kritiken studieren, wollte ich „Black, Brown and Beige“ in Angriff nehmen – ohne das Gehörte zu interpretieren, eine Dokumentation. Als Novize will man sich ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Leider ist mein Vorhaben nach ca. fünf Minuten gescheitert. Studiert habe ich das Booklet nicht ganz, aber einer dieser Sätze ist mir im Hinterkopf hängen geblieben: „… a tone parallel to the history of the American Negro…“, mit Verweis auf Sklaverei. Bevor ich mich aber nun den interpretatorischen Zwängen hingeben, bleibe ich zunächst auf dem Teppich und befrage meine Ohren, was sie vernommen haben.„Black, Brown and Beige“ entspricht zu anfangs meinen Erwartungen. Das Orchester spielt, wie ich mir ein Orchester im Zusammenhang mit Duke Ellington vorstelle – Dreißiger Jahre, Swing, Yeah! Die Bläser schaukeln sich selbst zu einem opulenten Meisterstück hoch. Der erste Akt, „Part I“, spiegelt einen Optimismus wieder, wie er sonst nicht mehr auf diesem Album zu finden ist.
Das Idealbild einer swingenden Bigband der Vorkriegszeit beginnt aber schnell zu bröckeln. Ein schepperndes Schlagzeug, eine quäkende Trompete und einige andere Abtrünnige, spielen zwar auf der gleichen Linie, wollen aber doch in andere Richtungen. Ein Frage-und Antwort-Spiel beginnt, ein Zwist um die Vormachtsstellung im Orchester. Die Ambition und klangvolle Härte des Orchesters und die Opulenz verschwindet und die Abtrünnigen übernehmen die Vormachtsstellung. Anklänge von Soli.
Dieser Verlust an Klarheit und das ständige Auf und Ab in „Part I“ ist absolut nichts, was ich bemängele. Es erscheint mir eher wie ein ankämpfen gegen klargesetzte Strukturen. „Part I“ endet in Melancholie – das Orchester hat sich erst mal verflüchtig und ist in seiner Gesamtheit nur noch selten auf dem Album zu finden.Wieso aber das Ganze? Und wie steht das alles in Verbindung zu dem Titel „Black, Brown and Beige“? Duke Ellington besitzt bestimmt genug musikalische Raffinesse, um die Musik alleine den Vordergrund zu stellen, ein Statement der Sinne und keines als Gesellschaftskritik. Aber dieser Satz, „…a tone parallel to the history of the American Negro…”, alles das was die “American Negro” ausmacht, ist bei mir haften geblieben und ich versuche mit bescheidenen Mitteln einen kleinen Rückblick in das Amerika der Vierziger, Fünfziger Jahre. Der Versuch einer kulturellen Angeleichung von Schwarz zu weiß, oder sage ich es mal ganz keck, von Black zu Brown zu Beige, war in dieser Zeit (bezogen auf den Zeitpunkt der Uraufführung, also 1943) sicherlich ein großes Thema. Aus „versklavten Besitztümern des weißen Mannes“, sollten jetzt eigenverantwortliche Bürger werden, in einer Gesellschaft, die immer noch immer noch den Geist der hautfarblichen Abtrennung in sich trug. Es bedarf kultureller Statements wie „Black, Brown and Beige“, der Erschaffung eines eigenen Komplexes, um zu beweisen, dass eine Kultur nicht unterzukriegen und eine Angleichung gar nicht möglich ist.
Nun aber wieder zum Gehörten. „Part II“ spiegelt eine süße Melancholie wieder und setzt das Ende des ersten Aktes fort. Erst Ellington selbst zerstört diese, sich hinziehende Melancholie mit einem verqueren Pianomoment, die er aber im nächsten Moment wieder aufbaut. Ansätze von verschiedenen Melodien starten und brechen ab und letztlich landet alles wieder im Schoße dieser eben schon beschriebenen „süßen Melancholie“.
Mit „Part III“ startet Schlawiner Ellington ein Spiel, was ihm vielleicht niemand zugetraut hat und die Strukturlosigkeit auf die Spitze treibt, indem sie Struktur erhält. Dies mag komisch klingen, aber erschließt sich einem dann, wenn man erkennt, dass „Part III“ „nicht anderes“ ist, als eine alternative Version, eine geniale Mischung aus dem ersten Akt und „Part II“. Etwas schneller in der Gangart und der Bezug zur konventionellen, swingenden Bigband ist wieder hergestellt. Wenn Ellington wirklich ein Statement setzen wollte, mit welchen Vorzeichen auch immer, dann hat er mit dieser abwechslungsreichen, intelligenten Wiederholung getan, die eine, eher biedere Hörerschaft, auf die Probe stellt.
Part IV und V setzen den zweiten Akt fort, das Ganze unter dem Untertitel „Come Sunday“. Gleich eine dreifache Wiedeholung, und diese absolut unterschiedlich, dass so schnell kein Verdacht aufkommen mag.„Part IV“ setzt alle Instrumente in den Schatten, denn Mahalia Jacksons Stimme erhabt sich und weist die restlichen Protagonisten in die Schranken.
„Part V“ ist in meinen Augen der entscheidende Part dieses fulminanten Albums. Das Violinenspiel von Ray Nance, welches im vierten Akt seinen hintergründigen Anfang genommen hat, kommt nun zur freien Entfaltung. Dieser Part liegt so fernab von jeglichen Swing-Orchester-Strukturen, dass ich mich frage, ob dass überhaupt noch Jazz ist. Im gleichen Moment kommt mir die laienhafte Erleuchtung – natürlich ist das Jazz, nur in einer freiheitlichen Form, also wage ich den Begriff Free Jazz zu nennen.
Das Orchester ist kaum wahrnehmbar, Klarinette, Ellingtons Piano, geben hier den entscheidenden Ton an. Kurze aufplusternde Bläser ziehen sich schnell wieder zurück und lassen den Hauptakteuren den Platz den sie brauchen.
Dieser wird sogleich geräumt für die atemberaubende Stimme von Mahalia Jackson, der letzte Part, „Part VI“. All das, was ich über ihre Stimme im vierten Akt gesagt habe, ist nun nichtig. Die vokale Großleistung , die mahnende Stimme, weißt die Protagonisten nicht nur in die Schranken, sie fordert auf zu erhabener Stille und Bescheidenheit. Der Protest, das Statement, liegt nun in der Stimme von Mahalia Jackson. Plötzlich steht Ellingtons Piano im Fokus und schafft mit einer kurzen, minimalistischen, sich steigernden Melodienfolge die Opulenz des ersten Aktes wieder herzustellen, nun aber gebadet in Religion und Melancholie – die Stimme wird zu einem Maximum und würdigen Ende geführt. Weit, weit entfernt vom swingenden, optimistischen Anfang. Ein Kammer-Orchester mit Zuhilfenahme der mahnenden Worte Gottes. Doch hier hat meine Interpretation ein Ende, weil ein Wort Gottes nicht mein Anliegen sein kann.Ellingtons Arrangements, Struktur der Strukturlosigkeit und Statement im melancholischen, cleveren Ausdruck sind aber als wahrlich göttlich zu bezeichnen.
--
Highlights von Rolling-Stone.deRanking: Die besten Alben von Aztec Camera und Roddy Frame
Die wichtigsten Alben von David Bowie
So wurde „Tim und Struppi“ zum größten Comic der letzten 50 Jahre
Hans Zimmer im Interview: „Hassenswerte Musik zu schreiben, auch das ist mein Privileg“
John Carpenter: alle Filme im Ranking, von Flop bis Top
Prince: Der Weg zu „Purple Rain“ – die ROLLING-STONE-Story
WerbungOriginally posted by wowee zowee@12 Dec 2004, 12:31
Geschafft. Meine allererster Beitrag in diesem Thread.Glückwunsch dazu! (Und auch dazu, dass Du Deine Schreibblockade überwunden hast ;))
Deine Ausführungen decken sich mit meiner Wahrnehmung des Albums. Deine angesprochene Gefahr der Fehlinterpretation ist mir auch schon in den Sinn gekommen. Ich habe mich versucht von dem Namen Ellington frei zu machen und „einfach nur“ die Musik auf mich wirken zu lassen. Ganz gelungen ist es mir allerdings nicht… <_< ;)
--
You can't fool the flat man!Sehr schöner Hörbericht, wowee!
--
God told me to do it.ja, der hörbericht ist wirklich gut, wowee. von schrebblockade nicht viel zu sehen. schade, dass ich das meiste davon nicht nachvollziehen kann. was ihr als „göttlich“ bezeichnet, ist mir genau der dorn im auge. mich an dieser stelle zu wiederholen, möchte ich allerdings nicht. es ist ohnehin schwer zu beschreiben, was genau das nervige an diesem album ist. es ist vielmehr die summe der einzelnen teile.
(finde aber, b.joe hat recht. meine vermutung, big band sound sei nichts für mich, ist zu verfrüht. warten wir noch ein paar andere platten ab.)--
Antwort auf dago (anonsten fast off topic).
Ich hab damals mit Bigband eigentlich zufällig mit Count Basie und akutellen 80er Alben auf Pablo begonnen. Allein schon durch die perfekte aber keineswegs sterile Produktion ist / war das neben der Musik ein ästhetischer Genuss diese Alben über eine gute Anlage zu hören. Vielleicht auch einen Versuch wert ? Fand diesen Zugang „leicht“ und – was wichtig ist: schätze die Alben auch heute noch.
--
Und noch was:
In gewisser Weise beeindruckend, wie ihr euch in Alben reinkniet.
--
Originally posted by dougsahm@12 Dec 2004, 18:48
Antwort auf dago (anonsten fast off topic).Ich hab damals mit Bigband eigentlich zufällig mit Count Basie und akutellen 80er Alben auf Pablo begonnen. Allein schon durch die perfekte aber keineswegs sterile Produktion ist / war das neben der Musik ein ästhetischer Genuss diese Alben über eine gute Anlage zu hören. Vielleicht auch einen Versuch wert ? Fand diesen Zugang „leicht“ und – was wichtig ist: schätze die Alben auch heute noch.
vielleicht wird count basie auch mir „die augen öffnen“. erwarte in den nächsten tagen folgende cd
duke ellington & count basie – first time!--
mich würden die meinungen anderer forumsmitglieder zu „black, brown and beige“ interessieren. bin ich wirklich so alleine auf weiter flur, wie es hier zu sein scheint? oder gibt es da draussen doch noch jemanden, der von diesem album weniger begeistert ist, als meine kollegen, und der womöglich auch in der lage ist, dieses in worte zu fassen?
--
habe ja auch schon beschrieben, dass es mich nicht so berührt. kann allerdings nicht sagen, warum. die ellington/basie scheibe ist da schon besser. die rockt richtig.
--
Do you believe in Rock n Roll?stimmt! ich erinnere mich wieder
Originally posted by captain kidd
Muss ja sagen, ich finde den Text (von DR.Nihil, Anm. d. Red.) besser als das Album. Irgendwie hat BBB nie so bei mir gezündet. Finde andere Ellington Alben schöner und eindringlicher.auch wenn du nicht sagen kannst, warum das so ist: es tut gut, sowas zu lesen ;)
--
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
ich kenn BBB nicht, aber der Duke und der Count sollten dir schon gefallen!!!
--
kennt ihr die scheibe? eigentlich weiss ich (noch) nicht viel genaues darüber. hab mich von dem „First Time!“ bezirzen lassen.
ist es das erste aufeinandertreffen überhaupt, oder das erste mal, dass sowas auch aufgenommen wurde?--
„First Time! The Count Meets The Duke“ ist nicht unbedingt das erste Aufeinandertreffen zweier Ensembles und eigentlich alles andere als ein „Battle“ zwischen den beiden Bands. Die Platte ist eigentlich auch eher untypisch für Ellington, da er vielmehr als Basie-Imitator und zwischen den Stilen spielt. Zwar eine gute bis sehr gute Platte, aber nicht das, was zwischen den beiden möglich gewesen wäre.
--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...angenommen, sie gefällt mir trotzdem. was würdest du noch empfehlen. mich würde z.b. etwas interessieren, bei dem der begriff battle auch gerechtfertigt ist.
[edit]
--
Originally posted by dagobert@14 Dec 2004, 11:20
(na, viel los im laden? ;) „unbesingt, untyüisch, zwischen den Stillen“? )angenommen, sie gefällt mir trotzdem. was würdest du noch empfehlen. mich würde z.b. etwas interessieren, bei dem der begriff battle auch gerechtfertigt ist.
Das lag an der Überdosis Kaffee. Ich schätze, daß Dir die Platte gefallen wird.
Über weitere Empfehlungen im Bereich „Big Band Battle“ muß ich nachdenken. Es dürfte ein paar mehr oder weniger interessante Aufnahmen geben, die aber wohl zur Zeit oop sind (Duke & Armstrong). Viel interessanter sind einige Ellington Aufnahmen, die ihn und seine Band in Höchstform und besonders temporeich zeigen (z.B. Newport '56).
--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos... -
Schlagwörter: Jazz
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.