Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

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  • #12378139  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,154

    Sehr schönes Foto von Ben Webster und John Coltrane!

    Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:

    „Just when I thought I was out, they pull me back in.“ (Al Pacino als Michael Corleone in The Godfather)

    Hier ist es Ben Webster, der mich wieder hineinzieht, obwohl ich gerade von ihm loskommen wollte. @vorgarten hatte sich vor einiger Zeit ein Duke Ellington-Album angeschafft, nur um eines Solos von Paul Gonsalves habhaft zu werden. Ich übertreffe das sogar, indem ich wegen eines Solos von Ben Webster ingesamt 4 (vier!) Alben angeschafft habe. Genau genommen ist das Solo aber eher Auslöser als Grund gewesen. Ich hatte die Aufnahme mit diesem Solo ja sogar schon auf Tonträger! Mir geht es hier um 8 Aufnahmen von Ben Webster, die in meinen Ohren den Höhepunkt dieser Mammut-Compilation bilden, bei der man aber neben dem Rauschen auch gleich ein bisschen der Musik mit weggefiltert hat. Ich habe mir nur diese eine und ein paar andere Aufnahmen in etwas besserer Tonqualität gewünscht.

    Diese Compilation ist 1975 als LP erschienen und enthält 6 der 8 Aufnahmen von Ben Webster, 2 von Coleman Hawkins und 3 von Lester Young. Die Webster-Stücke waren ursprünglich in den 40ern auf 78er Schelllacks auf einem obskuren Label namens Haven veröffentlicht worden, die Bob Thiele produziert hat und die wohl aus seiner privaten Sammlung stammen. Dan Morgenstern hat die liner notes der LP verfasst. Vermutlich war das damals das erste mal, dass diese Aufnahmen überhaupt wieder erhältlich und hörbar wurden. Diese Compi gibt es inzwischen auch als CD, bei mir stehen inzwischen beide Formate im Regal. Musste sein.

    Was mögen diese alten 78er erst für Schätze sein? Ich stelle mir das so vor, als würde man einen Splitter vom Kreuz Jesu oder eine Locke vom Barte des Propheten vor sich haben. ;-)

    Die Tonqualität ist auf The Big Three geringfügig besser – offen gesagt nicht wirklich entscheidend, aber den Versuch war’s wert. Ging auch nur um ein paar Euro fuffzich. Wenn man will und etwas mehr Geld investieren kann, kriegt man alle 8 damals für Haven aufgenommenen Stücke auf der Chronological 1946-1951. Die Chronological 1944-1946 habe ich dann einfach mal mitbestellt. Ist auch eigentlich alles unverzichtbar. Alle guten Dinge sind hier also vier.

    Fortsetzung folgt.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
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    #12378143  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,154

    Fortsetzung von Teil 1:

    Aber zur Musik: Man kann unter diesen 8 Aufnahmen das kleine Stück Blues Mister Brim hören, eine mir ansonsten unbekannte und eigentlich auch nicht besonders nennenswerte Kompositionen, von der es auch nur eine einzige Aufnahme gibt. Offizieller Komponist und Bandleader war wohl der damals sehr geschätzte Gitarrist Bill DeArango, der sich später aus dem Musikerleben zurückzog. Ich vermute aber, das ist im Studio mehr oder weniger improvisiert worden. Und vielleicht ist es gerade die Spontanität, die diese Aufnahme ausmacht. Jedenfalls gibt es hier ein Solo von Ben Webster (ca. 0:55 – 2:30), in dem sich für meine Ohren vieles verdichtet, was ihn ausmacht und was ich an ihm liebe.

    Ich möchte nicht schon wieder aus zweiter Hand Roland Barthes („Was singt meinem Körper das Lied“) zitieren. Auch Weinkenner-Vokabular verkneife ich mir. Dan Morgenstern schreibt: „There are two Websters: The unnashamedely romantic baladeer who wears his heart on the sleeve, and the gruff ready-to-take-on-anyone blues and stomp man. Of course these are two sides of one soul and Ben Webster was soul personified.“

    Aber die gleichzeitig knappste und treffendste Beschreibung von Ben Webster hat @gypsy-tail-wind in einem Zitat von David Murray gepostet: When Coleman Hawkins played, his rhythm was so dominant; whereas Ben Webster’s sound and vibrato stood out when he played. (…) a friend of mine (…) told me that one time he got a chance to play alongside Ben Webster, and he said you couldn’t stand too close to Ben ‘cause you might get hit with some spit! There was air in his sound. He was so dynamic because you could hear the note before he played it – you could hear his breath forming the note before it actually came out. Coleman Hawkins was quite different: [sings line of notes in Hawkins-like style]. Whereas Ben was: [exhales and slurs in Webster-like style]. Coleman Hawkins was like fighting with an axe, Ben Webster was like fighting with a feather! (…)

    Da steckt alles von der Körperlichkeit, der oft sogar gleichzeitigen Zärtlichkeit und Schroffheit von Ben Webster drin! Und so hört sich auch dieses Solo an. Ich meine hinter dem Schleier dieser alten Aufnahme, tatsächlich Ben Webster atmen zu hören – nein: zu spüren, wie er mit seinem Atem die Töne zuerst nur zärtlich an der Oberfläche streift, um sie zum Klingen zu bringen. Es bebt, es zittert, der Körper und die Luft vibrieren, jeder einzelne Ton schwillt auf und ab, wird aus mehreren Schichten fein modelliert, und trägt bei aller Zartheit immer auch etwas Herbes in sich. Der zupackende virile Gefühlsausbruch im mittleren Teil des Solos kehrt dann genau diese Schroffheit heraus, ist aber nur scheinbar Widerspruch, ist eben die andere Seite der gleichen Sache, der Dreh- und Angelpunkt und der Höhepunkt das ganzen Solos und des Stücks.

    Die anderen 7 Stücke dieser Sessions für Haven sind ebenfalls erste Güte. Zwei mal Ellingtonia (The Jeep Is Jumping, I Got It Bad …), ansonsten mir fast oder völlig unbekannte Kompositionen. Ben Webster bringt den Charakter seines Spiels in diesen 8 x 3 Minuten perfekt auf den Punkt. Idrees Sulieman; tp; Tony Scott, cl und Al Haig, p sind noch die bekanntesten der sidemen, die Band swingt wie von selbst und Bill DeArango bringt eine schöne blues-ige Note mit hinein. Und er hat auf Blues Mr. Brim (und auf Dr. Keets unten) auch das erste Solo. Das wollen wir nicht vergessen.

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #12391311  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,254

    Meine kleine Hommage an Benny Golson ist Dienstag 22 Uhr auf StoneFM zu hören:
    https://www.radiostonefm.de/naechste-sendungen/9175-241029-gypsy-goes-jazz-156-benny-golson

    Und nein, es gibt nicht von allen zu sehenden Alben was zu hören, sonst wären wir die ganze Nacht dran ;-)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12399268  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Biomasse

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    Beiträge: 68,254

    Ich erwähn’s dann hier auch noch rasch: um 22 Uhr heute gibt’s bei StoneFM einen Nachschlag mit Musik von Benny Golson, der eine kleine Auswahl seiner zahlreichen Aufnahmen mit Curtis Fuller präsentiert:

    https://www.radiostonefm.de/naechste-sendungen/9200-241112-gypsy-goes-jazz-157-benny-golson-curtis-fuller

    Vielleicht hat ja wer aus der Jazzecke Zeit und Lust, dabei zu sein (und nein, nicht alle neun Alben oben – sind übrigens noch nicht mal alle gemeinsamen der beiden – werden angespielt).

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