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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Jan-lustiger Wieso war das „Narrativ“ okay, als man es noch im Wörterbuch nachschlagen musste und jetzt wo sich der Begriff verbreitet, wird er kritisch beäugt?
Der Begriff „Narrativ“ ist nicht zufällig so erfolgreich. Das Konzept, das darin steckt, hat ja große Erklaerkraft für alles mögliche von erfolgreichen Werbekampagnen und Firmen-Images bis zu politischen Entwicklungen. Und unvermeidlich schlägt dann der Fluch des Erfolgs zu: Der Begriff wird zum Modewort, wird inflationär verwendet, verkommt zum wichtigtuerischen Synonym und wird auch da eingesetzt, wo es „Erzählung“ tatsächlich auch täte.
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Werbung@bullschuetzEine Meta-Ebene ist was Feines!
Und Narrativ kann manchmal genau das treffende Wort sein, wenn es um eine sinn- oder identitätsstiftende Erzählung mit Weltdeutungspotenzial geht, die aber noch nicht die historische Wucht und Patina des Mythos erreicht hat. Das Narrativ ist sozusagen der kleine Bruder des Mythos.
Wissenschaftlicher Jargon ist doch nichts Böses, oder? Ich bin froh, dass es noch ein geisteswissenschaftliches Milieu gibt und möchte es hiermit ausdrücklich gegen Nutzlosigkeitverdacht und „Die schwaetzen doch bloß angeberisch umständlich daher“-Schmaehung verteidigen. Manche Themen erfordern nunmal gewisse Denkanstrengungen und Lust an der Theoriebildung, und Fachbegrifflichkeiten können dabei helfen. Und wer da mitdiskutieren will, muss sich halt einarbeiten. Ist das echt zu viel verlangt oder gar verurteilenswert?„Kollektives Bewusstsein“, „gesellschaftlicher Mythen- und/oder Erfahrungsschatz“, „gemeinsame kulturelle Prägung“ – das würde mir als Umschreibung – je nach Kontext- auch noch einfallen, aber ich bin weder Geisteswissenschaftler noch Lehrer, daher lasse ich das lieber mal stecken.
Nein, Denkanstrengung und Theoriebildung um mitzudiskutieren ist keineswegs zuviel verlangt. Ich selbst beteilige mich ja lebhaft daran, fühle mich hier aber auch etwas missverstanden. Was ich kritisiere, ist der schlagwortartige Gebrauch gewisser Begriffe, hinter dem ich eher eine affektierte Pose vermute, als die Absicht, etwas mitzuteilen – das was Du „angeberisch umständliches Geschwätz“ nennst.
Vielleicht habe ich zu breit ausgeteilt und man kann mir vorwerfen, eine Pauschalverurteilung vorgenommen und daraufhin gedankliche Sippenhaft vollstreckt zu haben. Das ist vielleicht auch eine Überredaktion, die durch das Déjà-vu ausgelöst wurde, als ich in der aktuellen SPEX diesen Jargon wiederkannte, den ich schon aus den 80er/90er Jahren kenne. Die Art und das Niveau, auf dem dort über Pop gesprochen wurde , war für mich faszinierend und prägend. Und das war für mich und Freunde von mir damals sehr verführerisch und diente auch und gerade der Abgrenzung und dem eigenen Narzissmus. Aus mehreren Jahren Distanz wirkt das aber nicht mehr so verführerisch sondern eher wie „Naja, damals waren wir jung und stolz.“
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrichOder um es mal scherzhaft auszudrücken: Was sagt es auf der Metaebene über einen Text bzw. seinen Autor aus, wenn er übermäßig häufig den Begriff „Metaebene“ verwendet?
Ich weiß es nicht. Kannst du es mir sagen? Und kommt das nicht auch einfach auf das Thema an? Bestimmte Betrachtungsweisen überall reinzuinterpretieren, ist ja eine Unart, die sich bei weitem nicht auf das Phänomen des „Überformulierens“ beschränkt. Ich schätze mal (ohne nachgeschlagen zu haben), dass ich die „Metaebene“ das letzte Mal in meinem testcard-Text über 69 Love Songs verwendet habe. Aber wenn es in meinem Text darum geht, dass das ein Album voller Liebeslieder über Liebeslieder ist… warum denn nicht? Ich seh einfach den Anlass nicht, diese Begriffe automatisch als „Signalworte“ dafür herzunehmen, dass der Autor über irgendetwas hinwegtäuschen möchte. Sie werden erst dann zur Last, wenn etwas noch viel Grundlegenderes nicht stimmt. Sie sind nicht der springende Punkt und sich so auf sie einzuschießen, lenkt die Diskussion folglich vom eigentlichen Kritikpunkt m.E. eher weg.
Ich habe es oben beschrieben: Vielleicht ist es eine Überreaktion von mir.
Mir selbst wurde von einem Freund schon mal scherzhaft vorgeworfen „Du ziehst immer gleich alles auf die Metaebene!“ Und er hatte irgendwie sogar recht. Ich habe ja gar nichts gegen die M-Ebene, sie ist sogar eine gute Freundin von mir! Aber manchmal ist sie mir auch einfach zu aufdringlich.
Weißt Du, ich bin in einem praktischen Beruf tätig. Narrativ oder Metaebene werden dort oft beim Planen mitgedacht und fließen hoffentlich auch in das Ergebnis ein – auch wenn es nicht für alle zu erkennen ist, denn auch dort geht es um Codes, die nicht jeder lesen kann. Gegenüber dem unmittelbaren Kunden wird darüber aber niemals gesprochen. Es würde auch nie in einem Erläuterungstext erklärt werden. Zum einen, weil man sich damit auf eine Ebene begibt, auf der sich mit dem Gegenüber nicht oder sehr schwer argumentieren lässt und deren Inhalte man ihm besser unerwähnt unterschmuggelt, zum anderen auch, weil sich diese Narrative und Metaebenen eben gerade nicht oder sehr nur schwer verbal mitteilen lassen oder der Reiz ihres Geheimnisses, ihrer Unbestimmtheit und Ambivalenz dadurch teilweise sogar verloren geht.
Vielleicht auch deswegen eine gewisse Abneigung meinerseits gegen manche Begriffe.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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@friedrich Danke für die Erläuterung, das kann ich alles gut nachvollziehen. Der Grat zwischen inspirierende intellektueller Theoretisierlust und enervierender rhetorischer Hochstapelei ist schmal, und Spex hat den Balanceakt nicht immer gleich gut gemeistert. Tja, ist nun Geschichte. Muss man sich eigentlich auch um den RS Sorgen machen?
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bullschuetzDanke für die Erläuterung, das kann ich alles gut nachvollziehen. Der Grat zwischen inspirierende intellektueller Theoretisierlust und enervierender rhetorischer Hochstapelei ist schmal, und Spex hat den Balanceakt nicht immer gleich gut gemeistert. Tja, ist nun Geschichte. Muss man sich eigentlich auch um den RS Sorgen machen?
Danke für die RM, @bullschuetz.
Ich befürchtete schon, ich hätte mich hier total verrannt und sei über das Ziel hinausgeschossen. Aber vielleicht passt das dann auch schon wieder zum Thema. Die individuellen Erfahrungen sind wohl auch sehr unterschiedlich und so bewertet man das dann auch entsprechend unterschiedlich. Aber bei allem Gezicke ergibt sich ja gerade daraus eine anregende Diskussion bei der man auch die eigene Sichtweise mal hinterfragen kann. Aber Du sagst es: Das ist vorbei.
Ob man sich um den RS Sorgen machen muss? Keine Ahnung, ich habe den RS noch nie gekauft. Ich vermute, die haben ein völlig anderes Konzept und eine andere Zielgruppe. Man muss sich in der Krise der Printmedien schon was sehr gutes einfallen lassen, um zu überleben. Was könnte das sein?
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Neues aus dem Hause SPEX: Es geht online weiter!
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Living Well Is The Best Revenge.rob-flemingNeues aus dem Hause SPEX: Es geht online weiter!
Besten Dank! Hatte die Spex zuletzt im Abo, bis vor ca. einem halben Jahr, in den letzten Monaten ist sie mir dann doch etwas zu sehr abstrakt geworden, fand mich nicht mehr ganz so wieder, im Allgemeinen mag ich aber ihren Ansatz sehr.
„Nur soviel: Wir arbeiten bereits mit allen verfügbaren Köpfen an einer neuen Gestaltung, an frischen Audioinhalten, an mehr Raum für Tiefe und jeder Menge anderen Formaten, die die besten Seiten des Printmagazins ins Internet übertragen und erweitern werden.“
Wenn ich das so lese, ich bleibe/bin nun erneut dabei!
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rob-flemingNeues aus dem Hause SPEX: Es geht online weiter!
Die letzte Ausgabe ist doch relativ enttäuschend, da habe ich, wenn ich ehrlich sein soll, wenig Lust auf einen online- Versuch.
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What? Me Worry? // Top 20 Listen@magic-matthes: Das stimmt (leider). Bei den gesammelten Zitaten aus 38 Jahren habe ich irgendwann aufgehört zu lesen (und dachte mir: war doch nicht verkehrt, beim letzten Umzug die vielen alten Hefte entsorgt zu haben). Bei den Texten zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Musikjournalismus … dito; die Verschwurbelung nahm kein Ende mehr (und man hätte das eine oder andere auch in zwei Sätzen, anstatt auf zwei Seiten sagen können). Die bunt gemischten Rezensionen am Ende sind mitunter sehr gelungen. Na ja, Ein Online-Jahresabo kostet ja nur 15 aktuell, das kann man mal machen – aber nicht aufgrund der letzten drei, vier Ausgaben…
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Ach ja, ganz vergessen: Highlight der letzten Ausgabe ist für mich der Text von Clara Drechsler, sehr amüsant. Sie schreibt ja, langweilige und nichtssagende Interviews wurden einfach mittels Imagination und Fantasie ergänzt zum Aufpeppen; und ab und zu war es an der Zeit „einfach mal was zu behaupten“. Die subjektive Behauptung als eigentliche Substanz der Musikkritik, sehr gut!
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@henne2 Du hast die aktuelle/ letzte Ausgabe wirklich gut auf den Punkt gebracht. Für mich waren allerdings die ‚Kritiken 1980- 2018‘ die größte Enttäuschung, das soll wie behauptet der ‚Spex- Kanon‘ sein? Da hätte man doch so viel mehr raus machen können, sich noch mal wirklich mit der Musik auseinandersetzen, die für gewisse Zeiträume wichtig für die Spex waren, Stile/ Bands/ Alben, da hätte es doch mehr als genug gegeben. Nein, stattdessen werden die ‚beiden wichtigen Spex- Ausgaben vom Juli und August 1995‘ selbstverliebt beweihräuchert, da sich in diesen Ausgaben ‚diverse Autor_innen in zwei Specials mit den Cultural Studies und speziell ihren Analysen von Pop beschäftigten‘. So werden dann auch die Autoren von damals zu ‚Influencer_innen‘ ernannt, ‚Niklas Luhmann und die französischen Philosophen sexy mit Pop gekoppelt, sich mit Haltung und wissend positioniert‘. Nach dieser ‚Kritik‘ zu diesen beiden ‚wichtigen‘ Ausgaben ist mir wieder klar, was die Leute über Jahre an der Spex so genervt hat.
Genauso ärgerlich die gut 20 Seiten mit den Zitaten aus der Spex- Geschichte, dafür war Platz, aber auf das Musikjahr 2018 konnte man nicht mehr eingehen? Dafür aber ‚Pop- Kritik als Intervention‘, was auch immer das bedeuten mag. Die letzte Ausgabe ist meiner Meinung doch exemplarisch dafür, woran das Magazin in den letzten Jahren doch schon krankte und was dann vielleicht auch das Aus bedeutet hat: Viel zu viel abstrakte Theorien, viel zu wenig ‚Musik zur Zeit’…--
What? Me Worry? // Top 20 Listen@magicmatthes: Hätte ich nicht besser formulieren können! Interessanterweise wirkt gerade das letzte Heft wie eine Compilation mit dem Titel „Worst of Spex“.
@tomateundgurke: Ja! Evtl hätten sie mehr Leute aus dem RS Forum in die Redaktion berufen sollen…
Und, was mich ehrlich gesagt auch nervt:
Dieser Tick mit den „_innen“ . Wenn sich das häuft, hab ich manchmal schon nach ein paar Zeilen keine Lust mehr zum Weiterlesen!
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Wie traurig. Eigentlich war war ich gerade auf das Abschiedsheft noch mal gespannt und wollte es eigentlich kaufen.
Aber nachdem ich die hiesigen Kommentare lese, werde ich mir das ersparen und die Spex als das betrachten was sie ist: Vergangenheit.Wi waard ahl to Moder, ob arm or riek, heißt es schon in Die Buddenbrooks.
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Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better. Samuel Beckett - 'Cos music is for listening and not to stored away in a bloody cupboard.Forumsleser_innen, Steuerfachangestellt_innen, Teilzeitphilosoph_innen, Hundebesitzer_innen und Schallplattenkäufer_innen bertrauern das von schlechten Musikjournalist_innen verantwortete Spex-Ende, aber nicht meine Freund_innen, Nachbar_innen und Arbeitskolleg_innen.
Super!
„Wir sin inne Innung“ (Walter Röhrich)
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und zum Abschluss noch handfeste Sexismusvorwürfe:
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Schlagwörter: Spex
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