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Der sinnlose Thread von gestern wurde ja unter „ferner liefen“ verschoben, was ok geht. Um auf Punk´n´Roll an sich zurück zu kommen, eröffne ich einfach hier was neues.
Punk´n´Roll, klar, einer der vielfach verspottet betrachteten Crossover-Stile. Im Prinzip haben wir es tatsächlich mit einer Welle zu tun, die nun aber schon seit einiger Zeit für wenigstens eine Hand voll guter Bands gesorgt hat. Insofern halte ich es für interessant genug, das Ganze genauer zu betrachten.
Dominik Birdsey hat ja schon auf diesen Sampler von Zyx hingewiesen. Tatsächlich ist der mir auch schon aufgefallen, da es sich wohl um den bisher einzigen reinen P´n´R Sampler handeln dürfte. Das ist aber auch schon einer der wenigen Fakten, der in dem beigefügten völlig bescheuerten Infotext wirklich hinhaut. Außerdem leckt sich kein Kenner nach diesem Machwerk die Finger, wie behauptet…weil nur herkömmliches Album-Material verwendet wurde, das der Geneigte sowieso hat. Die Bandauswahl ist aber nicht so weit daneben. Ich würd das Ding trotzdem nicht empfehlen – Geldmache, um die paar lausigen unbekannten Labelbands zu promoten, die neben den großen Namen auf der CD auftauchen, sonst nix. Bei Interesse hier noch ma der Link: Zyx-Sampler
ALLGEMEIN:
Was ich zu Punk´n´Roll sagen kann: Eine Bezeichnung, die so wohl erst seit Mitte der 90er geführt wird. Der Stil an sich schwelt schon sehr viel länger. Ich würde sagen, grob handelt es sich um eine Mischung aus Punkrock und Rock´n`Roll. ABER mit Rock´n´Roll ist HIER der räudige, riffige Erbe der 50er und 60er Jahre gemeint, so wie er irgendwo zwischen MC 5, Motörhead und frühen AC/DC auf den Punkt gebracht wurde. Kann aber im Sinne der Härte und verwendeten Elemente bei Punk´n´Roll Bands zwischen klassischem Chuck Berry-Style und heftigeren Hardrock-Einflüssen variieren.HISTORY:
Väter dieser Angelegenheit sind sicher: STOOGES, NEW YORK DOLLS, BLUE CHEER, MOTÖRHEAD, AC/DC…
Weitergeführt wurde Punk´n´Roll artige Musik in den 80er und frühen 90ern nur wenig oder verschwamm eben mit „Punkrock“ oder Hardrock/Metal. Zu nennen wären hier aber die NOMADS aus Stockholm, die bereits seit 1981 Platten veröffentlichen und immer noch aktiv sind. Mit ihrer innovativen Mischung aus Garage, Punk, Heavy Metal, Rockabilly und Blues, wo auch schon mal Bläser oder „thrashige Synthesizer“ (Zitat amg) zu Wort kamen, haben sie fast im Alleingang den Weg bereitet für den heutigen „Punk´n´Roll“.BANDS:
Neben den genannten Wurzeln hier mal die aktuelleren Vertreter: Ich würde sagen, die ganze Sache kam so richtig mit den Anfängen der beiden Hauptakteure THE HELLACOPTERS und GLUECIFER auf. Auf die genauen Jahreszahlen der ersten Singles bezogen, ergibt sich rein rechnerisch 1995 als Startpunkt der neuen Generation. Praktisch betrachtet explodierte die Geschichte aber erst mit der gemeinsamen ´97er Tour der beiden Bands. Im Gepäck: Die Alben „Payin´the dues“ (Hellacopters) und „Ridin´ the Tiger“ (Gluecifer). Beides absolute Prototypen für Punk´n´Roll, weil: Schnell, dreckig und voller Rückkopplungen hingerotzter Mix aus Punkrock und Hardrock mit Metal- und Glamanteilen. Dann waren auch noch TURBONEGRO mit ihren beiden geilsten verasselten Alben 1996/97 raus, und dann ging´s richtig los. Zu der Zeit war noch von „Asskick“ als vorläufige Stilbezeichnung die Rede. Ich hab natürlich keine Ahnung, wie sich dann „Punk´n´Roll“ endgültig als Begriff festigte.So mal als Tipp ein paar Stationen:
HELLACOPTERS: „Supershitty to the Max!“ (1996), erstes Album, völlig runtergeprügelt und richtig schön räudig. „Payin´ the dues“ (1997), Punk´n´Roll wie er sein soll – schrillt, rockt, pfeift, brettert, reißt mit. Alles danach bis etwa 2001 gute Ware, danach nicht unbedingt schlechter, aber weg vom P´n´R. Eher gemäßigter, geschliffener, besser produziert.GLUECIFER: „Ridin´ the Tiger“ (1997) – am besten zusammen mit der zweiten Hellacopters kaufen. Motörhead treffen Ramones zusammen mit AC/DC, aber nicht im Stadion, sondern in einem verschwitzten kleinen Scheißclub mit wenig Sound, aber verdammt viel Energie. (Übrigens haben beide Bands kräftig Riffs bei AC/DC und Motörhead geklaut). Alle Alben danach teils cool, teils leicht durchwachsen, „Soaring with the eagles…“ (1998) oder diverse EPs fetzen aber. Die neueste nicht, find ich.
TURBONEGRO: Relevant im Prinzip „Ass Cobra“ (´96) und „Apocalypse Dudes“ (´97). Hier mehr Glam, mehr bescheuerte Texte, aber genauso viel Schweiß und Rock.
BACKYARD BABIES: Auch glamlastig. Ich persönlich mag sie nicht sonderlich. Sind mehr oder weniger bekannt geworden, weil ein Herr mit Vornamen „Dregen“ (vormals Hellacopters) zu ihnen gehört. Sind aber im Genre recht beliebt.
HYDROMATICS: Aus Detroit. Leider nicht sehr bekannt geworden, m. E. nach eine der besten Band im Punk´n´Roll (auf meinem Rock-TZ vorhanden). Kooperierten mit den Hellacopters auch personell, coverten sich gegenseitig und gemeinsame Vorbilder (wie z.B. RADIO BIRDMAN). Album „Parts unknown“ von 1999 halte ich für zwingend! Die Hydromatics pflegen große Souleinflüsse, Bläser sind keine Seltenheit – mehr dann aber auf der 2ten LP „Powerglide“.
NASHVILLE PUSSY: Hab ihre Fahne im Forum ja immer hochgehalten – bringen dreckigen Southern-Rock mit ins Konzept, erinnern an ihre Vorbilder der Früh-80er-Rose Tattoo und sind für zartbesaitete Hörer mit Sicherheit ein Graus. Ich liebe diesen Scheiß aber… Album „High as Hell“ lässt die Zähne wackeln und rockt schwer was weg, Vorgänger „Let them eat pussy“ ist noch roher.
Weitere Bands, die lohnen, aber nicht unbedingt prototypischen Punk´n´Roll fabrizieren: THE SWINGING NECKBREAKERS (Rock´n´Roll Anteil hier deutlich 50s), THE FLAMING SIDEBURNS (bißchen Stones, bißchen Punk, bißchen 50s…leider mittlerweile etwas verweichlicht), THE DONNAS (reine Mädelsband, die ordentlich rocken – mehr Richtung Hardrock meets Ramones), ELECTRIC FRANKENSTEIN, NITWITZ, THE BONES, HELLRIDE, THE BURNOUTS…
FAZIT:
Die Bands bewegen sich in einem Genre, das sich gleichzeitig für ihre Einflüsse begeistert, aber sie auch modifizieren will – dreckiger, rock´n´rolliger. Erinnert mich an einem Ausspruch von Bon Scott, der als Zeitgenosse von der englischen Punkwelle fasziniert war, aber gleichzeitig auch enttäuscht von den seiner Ansicht nach oft mangelhaften instrumentalen Fähigkeiten. Was etwas Schwierigkeiten bereiten kann, ist die Abgrenzung von ähnlich gelagerten Stilen, vor allem Punkrock und Garage. Daher werden öfter Rockabilly/Psychobilly Sachen oder sowas wie The Hives eher irrtümlich oder sagen wir…teilweise in die Schiene von Punk´n´Roll geredet.Das Ganze hier ist natürlich nur mein persönlicher Blickwinkel, also verklagt mich nicht, wenn euch was nicht passt :D Eins aber noch ganz zum Schluss: Bei der Recherche für den Text hier wollte ich noch viel mehr discographische Daten einfügen. Leider stellte sich heraus, dass selbst die einfachsten Jahreszahlen bei amg (allmusic.com) nicht stimmen. Sehr traurige Erfahrung, die mein Vertrauen in dieses früher mal geniale Nachschlagewerk doch etwas trübt. Subgenres scheinen dort vernachlässigt zu werden.
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WerbungWat soll man da noch ergänzen? Pete hat eigentlich alles Wesentliche gesagt.
Zu den Bands fallen mir spontan noch DMZ aus Boston ein (waren vor allem in den 80ern aktiv). Vielleicht auch The Dictators.
Und The Flaming Sideburns sind natürlich nicht verweichlicht! Davon konnte ich mich erst vor zwei Monaten hier in Berlin überzeugen.--
Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Originally posted by Mikko@3 Aug 2004, 20:50
…Und The Flaming Sideburns sind natürlich nicht verweichlicht! Davon konnte ich mich erst vor zwei Monaten hier in Berlin überzeugen.Na ja, ich sagte ETWAS verweichlicht, und ich finde das auch – was die Studiosachen angeht. Live sind sie bestimmt noch ein Brett.
Danke für die Aufklärung. Jetzt kann man sich was drunter vorstellen, obwohl ich keine der genannten Bands kenne (die Hellacopters zumindest dem Namen nach).
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What's a sweetheart like me doing in a dump like this?Das nenne ich mal eine vernünftige Threaderöffnung. Vielen Dank, Pete.
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Ich muss zugeben, ich besitze keine Platte mehr von den Jungs. Aber die standen schon in der Tradition der MC5, Stooges und des 70er Punk. Wurden von Jeff Conolly u.a. so um 1976 gegründet. Waren aber von Beginn an keine typische Punk Band sondern hatten immer schon diesen ursprünglichen Rock'n'Roll Touch. Sahen sich selbst eher in so einer Sixties Punk Tradition (The Sonics, Seeds, Chocolate Watch Band etc.), klangen aber nie besonders Sixties mäßig. Mindestens zwei Studio LPs gibt es (1978 bzw. 1981). In der zweiten Hälfte der 80er wurden daraus The Lyres. Die klangen schon viel eher nach Sixties.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Originally posted by Mikko@4 Aug 2004, 00:37
Ich muss zugeben, ich besitze keine Platte mehr von den Jungs. Aber die standen schon in der Tradition der MC5, Stooges und des 70er Punk. Wurden von Jeff Conolly u.a. so um 1976 gegründet. Waren aber von Beginn an keine typische Punk Band sondern hatten immer schon diesen ursprünglichen Rock'n'Roll Touch. Sahen sich selbst eher in so einer Sixties Punk Tradition (The Sonics, Seeds, Chocolate Watch Band etc.), klangen aber nie besonders Sixties mäßig. Mindestens zwei Studio LPs gibt es (1978 bzw. 1981). In der zweiten Hälfte der 80er wurden daraus The Lyres. Die klangen schon viel eher nach Sixties.Aha, danke. Hört sich ja nicht uninteressant an.
ford-prefect Feeling all right in the noise and the lightRegistriert seit: 10.07.2002
Beiträge: 10,267
Originally posted by Whole Lotta Pete@3 Aug 2004, 18:30
Ach ja, Nachtrag: Empfehlenswerte Labels mit Punk´n´Roll Output wären z.B. WHITE JAZZ, PEOPLE LIKE YOU, BAD AFRO, MAN´S RUIN (r.i.p) oder CARGO (Vertrieb und auch Label).Vielleicht kann man hier kurz anmerken, dass dieses Label aus Dortmund in voller Länge den Namen „I USED TO FUCK PEOPLE LIKE YOU IN PRISON“ – RECORDS trägt… :huh: :D
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Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!Dankeschön für diese Infos :D
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Danke Pete, auch wenn ich schmerzlich, schmerzlich Social Distortion vermisse….
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Hier könnte ihre Signatur stehen.Originally posted by Ford Prefect@4 Aug 2004, 02:16
Vielleicht kann man hier kurz anmerken, dass dieses Label aus Dortmund in voller Länge den Namen „I USED TO FUCK PEOPLE LIKE YOU IN PRISON“ – RECORDS trägt… :huh: :DDu hast völlig recht, und der Name rockt vollkommen. Danke für die Ergänzung :D
Originally posted by bO²gie@4 Aug 2004, 11:35
Danke Pete, auch wenn ich schmerzlich, schmerzlich Social Distortion vermisse….Irgendwie hast du recht, obwohl Social Distortion eher zu den Wegbereitern gehören. Für mich weniger Punk´n´Roll in Reinform, aber Punkrock mit äußerst vielen deutlichen Einflüssen. Problem, warum ich sie nicht erwähnt habe: Ich kann Social Distortion nicht leiden. Was wohl daran liegt, dass ich Mike Ness nicht leiden kann. Aber – deswegen ist das hier ein Forum und du ergänzt meinen Beitrag um eine weitere Band. Großartige Idee, dieses Internet :lol:
@ pete
Und ich dachte, Dein Beitrag wäre halbwegs objektiv geschrieben. Das sagt allerdings einiges… :(
Und dann meinte ein Fori auch noch völlig falsch, dass Deinen Auslassungen wohl nix mehr hinzu zu fügen wäre… :lol: <_< BTW: Zu viele Halb-Begriffe zerstören einen guten Brei!
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Jetzt schon 62 Jahre Rock 'n' Roll -
Schlagwörter: Punkrock
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