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Robert Wyatt – „Shleep“
(Hannibal – 1997)Wenn irgendwann einmal irgendjemand das Leben von Robert Wyatt verfilmen würde, würde er wahrscheinlich ein Drama drehen, auch wenn dies Wyatts Musik und Leben nicht gerecht werden würde. Das ereignisreiche Leben von Robert Wyatt begann als Drummer der 60s Bands „Wild Flowers“ und später bei den psychedelischen Prog-Avantgardisten von „Soft Machine“, welche als Hauptvertreter der Canterbury Szene galten und als Vorgruppe der „Jimi Hendrix Experience“ auftraten. 1970 spielte er sein Solodebüt „End Of An Ear“ ein, gründete die Band „Matching Mole“, wo er sich weiterhin als einer der wichtigsten Jazzdrummer auszeichnete. Kurz darauf fiel er betrunken aus einem mehrstöckigem Haus und ist seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Diese Erfahrung verarbeitete er in seinem legendären Album „Rock Bottom“, in welchem er Balladen einer extraterrestrischen Unterwasserwelt voller Optimismus, Humor und Hoffnung zu besingen scheint. Wyatt konzentrierte sich von nun an mehr auf seine Rolle als Sänger und Songschreiber. Seine Coverversion des Monkees Hits „I’m A Believer“ wurde 1974 zum Hit (#29 in den britischen Charts), einen Auftritt bei „Top Of The Pops“ wurde von deren Machern verboten, weil man keinen Sänger im Rollstuhl zeigen wollte (auf Druck einiger Kollegen durfte Wyatt schließlich doch auftreten). In den 80ern nahm er eine Reihe politisch motivierter Singles auf, besang den Falklandkrieg mit Costellos wunderbarem „Shipbuilding“, coverte Chics „At Last I Am Free“ sowie Billie Holidays „Strange Fruit“ und war Mitglied der britischen Kommunistischen Partei. In Abständen von sechs Jahren veröffentlichte Wyatt Alben voller meditativer, tranceartiger Tiefe mit zumeist sparsamer Instrumentierung (oft nur Keyboards und Percussion) und dieser einzigartigen hohen, emotionalen Stimme.
„Shleep“ (1997) war meine erste Platte des linken Visionärs und es sollte meine Liebste werden. Anfang der 90er versuchte Wyatt sich von einem Nervenzusammenbruch zu erholen, verfiel jedoch in Depressionen und gab seine geliebten Hobbys, das musizieren, schreiben und malen auf. Laut eigenen Aussagen war die Panik, dass sein eigener Geist sich ausklinken könnte, während sein Körper einfach weiter funktionierte, viel größer als seine ursprünglichen Probleme. Der Kämpfer von einst war müde geworden und litt zudem unter fiebriger Schlaflosigkeit, welche zu dem Haupthema seines nächsten Albums werden sollte – „Shleep“ war ein cleveres Wortspiel aus „Sheep“ (Schafe zählen) und „Sleep“. Wyatt unterbrach sein Konzept des Minimalismus und lud sich etliche alte und neue Freunde ein, um sein angesammeltes Material zu vertonen (nach eigenen Angaben schreibt RW rund einen Song pro Jahr, einen Großteil davon komponiert er zusammen mit seiner Frau Alfreda „Alfie“ Benge, welche auch für die kreative Covergestaltung verantwortlich ist). Zu den Beweggründen, sich Musiker einzuladen schrieb Wyatt…
I’m often quite happy to make records all on my own, but it’s not enough for me. If I want a new sound, just to sort of hire a flute player, or something like that. If I hire another musician, it’s because I want the company. And specifically in the case of this record – because it has the feeling of a journey to me. You get lonely, and at certain points in your journey travelling companions can sort of join you. And I choose musicians as much because I really enjoy their company in the studio for a couple of afternoons, and the sound of that company on recordUnter den Musikern befanden sich namenhafte Künstler wie Brian Eno, Paul Weller, Freejazz Legende Evan Parker und Phil Manzanera.
Der Opener „Heaps Of Sheeps“ ist ein stark Eno-beeinflußter Popsong mit tollen Chören und Wyatts typisch skurril-witzigen Texten gepaart mit dieser ätherischen Stimme, die irgendwo in uns unbekannten Höhen ihres Gleichen zu suchen scheint.„I realised my fists were clenched, I stretched my fingers to relax
still not sleeping, I tried counting sleep
one by one, they leap across the fence constructed for them
right to left, across the fence I had constructed
Having jumped, they refused further direction”„The Duchess“ würgt die Stimmung ab, vertraute Wasserwogen und Parkers improvisiertes Saxophon erinnern an „Rock Bottom“, paradoxe Lyrik beschwören die Liebe zu Alfie. Wyatt fügt eine seekranke „polnische“ Geige hinzu und zusammen segeln sie auf diesem wundersamen Meer der Liebe. „Maryan“ behält die Aura des Meeres bei, eine gepickte Folkgitarre harmoniert zusammen mit Wyatts Trompete, der Song breitet sich aus wie eine Welle, wiederholt sich, eine Violine baut Spannung auf und ab und umspielt Wyatts rätselhafte Melodien. „Was A Friend“ ist eine Kollaboration mit Hugh Hopper (einMitglied von Wyatts alter Band „Soft Machine“) über Vergebung und heilende Wunden.
Die schönste Ballade auf „Shleep“, vielleicht seine Schönste überhaupt ist „Free Will And Testament“, ein philosophische Abhandlung über das Leben, über Freiheiten und existenzielle Probleme, getragen von Paul Wellers grandiosen Gitarren und dieser begierigen, sehnsuchtsvollen Stimme.Given free will but within certain limitations,
I cannot will myself to limitless mutations,
I cannot know what I would be if I were not me,
I can only guess meEin jazziges Posaunenintro führt uns zu „September The Ninth“, das von dem Wunsch des Fliegens erzählt, welches auch sehr schön von dem Cover eingefangen wird. Das selbe Thema greift Wyatt in „Alien“ auf, wieder scheint Wyatt die Elemente Wasser und Luft zu verbinden, immer auf der Suche nach innerem Frieden und Schlaf. Besonders beeindruckend ist Manzaneras Gitarrensolo, welches die Überwindung der Elemente schön unterstreicht. „Out Of Season“ und „A Sunday In Madrid“ verbindet weiterhin Wyatts luftige, androgyne Stimme mit Geschichten über Vögel, Reisen und pittoreske Gefilde. Das Highlight bildet dann „Blues In Bob Minor“, Wellers Gitarre wütet, Wyatt dreht völlig ab und improvisiert Dylans „Subterranean Homesick Blues“ in seiner eigenen Version, ein treibender Beat unterstützt Wyatts Wortkreationen und Dylan kommt mir für einen Moment wie ein billiger Amateur vor. This is the real deal…
Roger’s in the archive looking up casement
Martha’s in the government digging up the basement
Rebel into representative for the voter
Shadow backhencher couldn’t get a word in
Turned up anyway … issues burning
All consuming … drinks in the cabinet
Spent a lot of time just examining the building
drinks on the house? you must be joking
Corridors of power cuts toy telephone bills
Long time no see underneath the floorboard
Looking for the roots of the family treetops
Toe’s in the water but you’ve only got ten………Den Abschluss bildet Wellers Instrumental “The Whole Point Of No Return”, eine einsame Trompete wandelt zwischen Keyboardpassagen und nach kurzer Zeit weiß man, dass Wyatt endlich seinen Schlaf gefunden hat.
„Shleep“ fasziniert mich immer aufs Neue, sei es diese atmosphärische Dichte, diese unnachahmliche, „schönste Stimme der Popmusik“ (Maik Brüggemeyer) oder diese bizarren Texte. Vielleicht ist „Rock Bottom“ die wichtigere Platte, aber nie schien mir Wyatt näher und zugänglicher als auf „Shleep“. Wyatt hat sich wieder mal eine eigene Form von Popmusik geschaffen, unnachahmlich, individuell, einzigartig. Er hat es selbst am schönsten ausgedrückt, welche Gefühle seine Musik bei ihm auslösen können. Mir geht es genauso…
I get nearer and nearer towards happiness, or a feeling of being relaxed and free when I can lose myself in my environment--
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WerbungRanking
01. Nick Drake – „Five Leaves Left“
02. Bob Dylan – “Time Out Of Mind”
03. Elliott Smith – „XO“
04. Talk Talk – “Spirit Of Eden”
05. Belle & Sebastian – “If You’re Feeling Sinister”
06. Robert Wyatt – “Shleep”
07. Elvis Costello – „Blood And Chocolate“
08. Love – “Forever Changes”
09. Nick Cave And The Bad Seeds – “The Good Son”
10. Neil Young – „Time Fades Away“
11. Curtis Mayfield – „Curtis“
12. Kate & Anna McGarrigle – „Kate & Anna McGarrigle“
13. Jackson Browne – “Jackson Browne”
14. Donny Hathaway – “Everything Is Everything”--
and now we rise and we are everywhere@niko
Was hältst Du davon, wenn Du aus Deinen Favoriten eine Stone.fm-Sendung machst?--
How does it feel to be one of the beautiful people?Hab ich noch nicht dran gedacht, wäre aber sicherlich ne Überlegung wert…warum nicht..
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and now we rise and we are everywhereEin wunderbarer Beitrag über Robert Wyatt in einem tollen Thread – Danke nikodemus!
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Gern geschehen, hab auch kein Problem mit, dass du eine Kopie in den Wyatt Thread gestellt hast, den werden Wyatt Fans wohl eher lesen als meinen bescheidenen Thread hier
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and now we rise and we are everywhere
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
@ nikodemus : Tosender Applaus für Deinen Beitrag!
:laola0:
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Schließe mich der allgemeinen Lobhudelei an. Ich halte mich nicht (mehr) oft im Forum auf, aber dieser Thread lohnt die regelmäßige Wiederkehr. Prima, nikodemus!
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That's not the electric light, my friend, that is your vision growing dim.nikodemusGern geschehen, hab auch kein Problem mit, dass du eine Kopie in den Wyatt Thread gestellt hast, den werden Wyatt Fans wohl eher lesen als meinen bescheidenen Thread hier
Hach, sind wir heute wieder bescheiden.
Tolle Texte, niko. Macht Spaß sie zu lesen.Ich hatte schon fast vergessen, daß ich die Shleep in meiner Sammlung habe. Werde sie gleich mal auflegen.
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Mick du überrascht mich immer wieder. Wo kann ich eigentlich deine Top50/100 nachlesen, ich hab schon mal geforscht, aber nichts gefunden. Dass du Robert Wyatt kennst, hätte ich echt nicht vermutet… kleiner Tipp…laut und in Ruhe hören
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and now we rise and we are everywherenikodemusMick du überrascht mich immer wieder. Wo kann ich eigentlich deine Top50/100 nachlesen, ich hab schon mal geforscht, aber nichts gefunden.
ich weiß selbst nicht, ob ich mal was in der Art gepostet habe. Soviel kann ich verraten: an 1 würde unverrückbar Exile on Main Street stehen. Langweilig, gelle? Da fällt mir ein, eine Top10 müßte ich schon mal gepostet haben.
nikodemusDass du Robert Wyatt kennst, hätte ich echt nicht vermutet… kleiner Tipp…laut und in Ruhe hören
Tja, bin halt immer für Überraschungen gut.
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Hallo Niko, ich habe längst noch nicht alle deiner Favoriten-Texte nachlesen können, bin aber schwer beeindruckt von der Auseinandersetzung mit deinen Lieblingen. Nicht alles trifft mein Geschmacksprofil, aber darum gehts ja auch nicht. Du setzt dich mit den Alben auseinander, interessierst dich für die Menschen, die hinter der Musik stehen und kannst das in ansprechende Texte verpacken. Klasse.
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Wake up! It`s t-shirt weather.@mick
ich werde dann mal weiter suchen und freue mich, demnächst von dir eine Top50 lesen zu dürfen.@observer
Vielen Dank, freue mich auch drauf, wenn’s bei dir mal wieder weitergeht.
(Was das Geschmacksprofil angeht, da hab ich mich (noch) auf Wischmop und Vega4 festgelegt :-))--
and now we rise and we are everywhereInteressanter Text über Wyatt, Niko! Ich kenne die Platte nicht, aber der Text hat sie mir etwas näher gebracht.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Sehr schöner Text zu „Shleep“. Das Album hat mich damals ebenfalls sehr beeindruckt und konnte meine Erwartungen, die ich seit „Dondestan“ hatte sogar noch übertreffen. Sehr erfreulich und absolut verdient war damals das enorm große Presseecho.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos... -
Schlagwörter: Faves, Musik-Blog, User Reviews
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