Jeri Southern (1926-1991)

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    gypsy-tail-wind
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    Even in her 1950s prime, there was something sui generis about Jeri Southern (1926-1991). There were other women pianists who sang, but none shared her formidable pianistic technique, vocal individuality, and unerring choice of good material. She sang the most bittersweet love songs in the most intimate manner. And few could inspire the nightclub reveries Southern conjured nightly–of melancholy, infatuation, optimism, idolatry, disconsolation, and lust–born of the quicksand of love in all of its complexities. She did it all with a cool, unperturbed manner that intimated much while divulging little–a neat trick in anyone’s book.

    ~ Kirk Silsbee

    Genevieve Lillian Hering kommt am 5. August 1926 in Royal, einem Dorf in Nebraska, zur Welt. Mit drei fängt sie an, Klavier zu spielen, mit fünf kriegt sie klassischen Unterricht und noch bevor sie die High School abschliesst, wird klar, dass sie Musikerin wird. Die Mutter schickt sie in die Nôtre Dame Academy in Omaha, wo sie neben klassischem Klavier auch in Gesang ausgebildet wird. Nach ihrem Abschluss 1943 arbeitet sie dort als Assistentin des Haupt-Klavierlehrers – und entdeckt den Jazz. Doch ihre inzwischen zum Koloratursopran ausgebildete Stimme will einfach nicht zur Musik passen, in die sie sich verliebt. „I tried, then, to sing it in my speaking voice … It was pretty bad because I had no vibrato. But I kept practicing my low voice and, in about two months, I sang well enough not to sound ridiculous. I had trouble placing the various tones. It was like manufacturing an entirely new voice …“ (aus einem Interview, zitiert aus dem Booklet des FSR-Sets).

    Kaum 19, beschliesst Southern, ihren Weg in der Unterhaltungsindustrie zu machen. Sie spielt einen Agenten drei Stücke vor, und noch vor das dritte zu Ende ist, hat sie einen sechswöchigen Gig im besten Hotel Omahas, dem Blackstone. Sie tritt dort als Pianistin auf und hat dabei so viel Erfolg, dass man sie gerne behalten hätte. Doch dann gründet Southern ihr (immer noch instrumentales) Trio. Bei Auftritten für die Navy wird ihr nahegelegt, sie möge doch häufiger singen, doch allzu ernst scheint sie das da noch nicht zu nehmen. Sie trifft Bob King und heiratet, zusammen ziehen sie nach Chicago, wo sie in verschiedenen Lokalen in ihrem Vierten auftritt, als „intermission performer“. Anfang 1949 fängt sie wirklich mit dem Singen an und macht sich in Chicago einen Namen – und das vor allem dank einem Agenten namens Dick LaPalm, der ihr erklärt, sie würde mehr Arbeit kriegen, wenn sie singe und Klavier spiele. Und ihr nahelegt, sich einen neuen Namen zuzulegen. So wird sie aus Genevieve Hering die bald erfolgreiche Jeri Southern (der Mythos: LaPalm habe in einem Nachtclub eine in der Nähe stehende Flasche Southern Comfort bemerkt). Und LaPalm interessiert sich weiter dafür, was Southern tut. King hingegen scheint zwar am Geld Interesse gehabt zu haben, das Southern nach Hause brachte, aber nicht an ihrem Gesang: „get off the stage, you can’t sing“, scheint er an einem Abend nach vorn gebrüllt zu haben.

    Doch bald ist der Gesang wichtiger wird als das Klavier, wenn es darum geht, Auftritte zu kriegen. Endgültig klar wird das, als sie mit Dave Garroway einen Vertrag für seine TV- und Radio-Shows unterzeichnet. Marty Denenberg vom kürzlich eröffneten Chicagoer Nachtclub Hi-Note stellt sie als Pausenattraktion an (wo Anita O’Day auftritt). Und damit landet Southern wohl erstmals in einem passenden Umfeld: einem dunklen, intimen Jazzclub mit „black velvet backdrop“, wie Jordi Pujol in den Liner Notes der Box schreibt. Mit ihrer samtenen Stimme, der gradlinigen und sehr intim und ehrlich, direkt wirkenden Delivery hat Southern bald Erfolg. Besucher wie Nat Cole oder Dizzy Gillespie hören sie im Hi-Note und waren begeistert. Im Dezember 1949 guckt Miles Davis vorbei: „Jeri has everything … looks, personality and her choice of material is great. She doesn’t play or sing the ordinary overworked things. Man, she sells! Not since I first hear Sarah Vaughan have I been so impressed by a new singer. I don’t mean they’re anything alike, but they both make you listen the first time you hear them, and keep on listening because they have something new to offer“ (wieder aus dem Booklet der CD-Box).

    Anfang 1950 soll Southern für das neue Label Ahltone von Ronne Ahlstrom mit Begleitung von Skeets McWilliams (g), Knobby King (b) und Henry Driggs (d) ein paar neue Stücke aufnehmen, darunter „Detour Ahead“ – doch das Label verschwand, bevor die Session stattfinden konnte. Kirk Silsbee zitiert den Fotografen Ralph Jungheim: „She recorded ‚You Better Go Now‘ for a little label in Chicago; it got enough airplay that she was booked at the Chicago Theatre. She was so scared that she just stood there and clasped her hands behind her back.“ – vermutlich bringt er da Erinnerungen durcheinander und meint die Decca-Aufnahme des Songs. Bei Bruynickx findet sich allerdings eine Single, die vor den ersten Decca-Aufnahmen entstanden sei, „I’m in Love Again“ b/w „You’re the Cause of It All“ (London L 1070), doch die ist erst von 1951:


    Doch zurück zur Chronologie: Monte Kay – der Gründer und erste Manager des Birdland, bevor Morris Levy übernahm – guckt im Hi-Note vorbei und fragt, ob Southern im Club auftreten wolle, der am 15. Dezember 1949 nach mehreren gescheiterten Anläufen eröffnet wurde: „‚That excited me tremendously. I asked about monkey,‘ she remembered. ‚He said, ‚you’ll be playing intermission. A hundred and fifty dollars.‘ – I said, ‚A hundred and fifty dollars isn’t much on the road.‘ – He said, ‚You call New York the road?‘ – Ha-ha. Birdland wasn’t the road of course.“

    Am 3. März 1950 fing Jeri Southern im Birdland in New York City an. Ein B. J. Broyles schrieb im Februar Down Beat, es sei fast unmöglich, Southern direkt mit jemandem zu vergleichen: „However, to give some idea of how she sounds, it might be said that her voice has the tonal quality of Patti Page, the huskiness of June Christy, and the pathos of Billie Holiday. Yet she in no way copies or imitates them. She takes the same numbers they have made famous and does them in a way that is entirely new and fresh.“

    Southern mag Bebop – kann ihn aber selbst nicht gut spielen. „The classics are my baby“, sagt sie – und fühlt sich nur dann völlig daheim, wenn sie klassische Musik spielt – oder wenn sie singt. Sie nennt Billy Eckstine und Buddy Greco als Einflüsse, Mary Ann McCall und Sarah Vaughan. Nat Cole meinte: „She’s great. If she got the right handling and bookings, she’d make it. Jeri belongs in a spot in New York like the Blue Angel or Ruban Bleu.“

    Ende 1950 leitet Southern, zurück im Hi-Note, ihr eigenes Trio mit Fred Rundquist (g) und Knobby King (b). Dick LaPalm schaut eines Abends vorbei, als er mit Peggy Lee unterwegs ist. Sie hatten in Chicago haltgemacht, um Anita O’Day zu hören. In der Pause setzt Southern sich ans Klavier und fängt zu singen an: „‚Peggy was talking to me and she stops,‘ recalled LaPalm. ‚Jeri was playing a song called You’re the Cause of It All. I’ll never forget it,‘ he said. ‚Peggy turned to me and sait, ‚Who is that? My God, she’s marvelous.'“

    Am 1. Januar 1951 öffnet Southern solo in der Capital Lounge (glaub ich zumindest, Pujol schreibt „at the Capitol’s Milt Schwartz (167 N. State)“, was irgendwie nicht zu entziffern ist – aber die Besitzer des Black Orchid leiteten davor an der Adresse die „Capital Lounge“), tritt auch wieder in der Copa Lounge auf. Regelmässige Auftritte in Clubs, Radio und TV bringen sie schliesslich an den Punkt, an dem der Durchbruch nun klappen sollte. Southern unterzeichnet einen Vertrag mit GAC (General Artists Corporation) und einen persönlichen Management- und PR-Vertrag mit Dick LaPalm, der Chicagoer Anwalt William Kersey wird ihr „business manager“.

    Einen Monat später besucht LaPalm in Kalifornien Peggy Lee: „Dick, whatever you do, I would find that girl we heard at the Hi-Note and try to help her. She’s absolutely incredible“. Es war Lee, die Southerns Vertrag mit der ersten Plattenfirma, Decca, ermöglicht. Im September 1951 findet die erste Session statt, bei der zwei Stücke mit einer Band unter der Leitung von Camarata aufgenommen werden. „You Better Go Now“ bringt ihr umgehend Anerkennung ein:

    Die Platte ist zwar kein landesweiter Erfolg, wird aber von vielen DJs im Land gespielt und schafft es bs in die Billboard-Charts (das Altsax spielt Hymie Schertzer, die einzige bekannte Personalie). Den schnell folgenden Charakterisierungen als „the girl with the soft, wistful, silk-like voice“ entgegnet Southern: „I’m not a whisperer! I just try and get to the heart of a lyric and sing its meaning into the music!“ – Dick Williams schreibt im Chicago Mirror: „This is one Southern breeze that is going to kick up quite a storm before she is through.“

    In den folgenden Jahren reist Southern öfter nach New York, um Aufnahmen zu machen. In der Regel mit grossen Orchestern, deren Line-Ups nicht bekannt sind. Das 5-CD-Set „The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Decca Years 1951-1957“ (Fresh Sound, 2016) bündelt die Aufnahmen der ersten Jahre. Ralph Gleason streicht „Something I Dreamed Last Night“ heraus, das vierte und letzte Stück ihrer zweiten Session. Dieses Mal leitet Sy Oliver die Band, in der u.a. George Barnes, George Duvivier, Drummer Rudy Taylor und wieder Hymie Schertzer zu hören sind. Oliver kannte das Stück nicht, Southern spielte ihm ein Demotape ein – und sein Arrangement war eine Art organische Erweiterung ihrer eigenen Klavierbegleitung.

    Southern geht unbeirrt ihren Weg – wird dadurch zum Darling der konservativen Kritiker und Fans, die „all the noise“ – halt das, was sonst so in Jazzclubs der Zeit zu hören ist, nicht mögen. Sie verweigert sich auch Empfehlungen, wie der, sie solle doch auch schnelle Stücke spielen. „I’m not overly anxious or mad for a hit. Maybe I can keep building till I get a really good one–my way. Who needs the big gimmick overnight when you’re dead on Tuesday, you know?“ (aus einem Down Beat-Text von Mel Mandel, 2. Juli 1952). Im 1951er Poll von Down Beat liegt Southern immerhin zwischen Billie Holiday und einem ihrer Vorbilder, Mary Ann McCall, auf Platz 10 (vorn: Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und Doris Day).

    1952 folgen erste Auftritte in Las Vegas, weitere Plattenaufnahmen, Gigs in Chicago und New York, und im Sommer ihr bisher grösster Auftritt beim jährlichen Harvest Moon Festival der Chicago Sun-Times, im Stadion vor einem Publikum von mehr als 24’000 Personen. Headliner der 1952er Ausgabe sind Nat King Cole, Rhonda Fleming, Billy May und Frankie Laine. Jack Tracy schreibt über Southerns Auftritt in Down Beat: „She did great, singing beautifully and displaying the polish and ease she has gained in the last year or so of intensive work around the country. Gowned simply an in excellent taste, she coasts confidently through Let’s Fall in Love, then becomes properly sad and tortured in turn for her record hits, You Better Go Now, and Something I Dreamed Last Night. Jeri is beginning to work away from the piano more, and is just as effective standing up.“

    Die Mutter, die als Reporterin über dreibeinige Kälber und vergleichbare Sensationen in Royal berichtete, legte bereit eine ähnliche Hartnäckigkeit an den Tag wie die Tochter – und sie trägt daheim ihren Teil bei: Wann immer sie auf der Redaktion aufkreuzte, hatte sie ein Foto von Jeri Southern dabei. 1952 ist in der Chicago Tribune zu lesen, wie bei einem TV-Auftritt die Gemischtwarenhandlung in Royal abends geöffnet hatte, damit die gesamte Bevölkerung (190 Personen) um den einzigen Fernsehapparat des Dorfes stehen und sich den Auftritt der berühmten Tochter anschauen konnte.

    1952 trennt Southern sich von Bob King, im Frühling 1953, als sie in Chicago im Driftwood auftritt, heiratet sie den Songwriter und DJ Ray Hutchinson, und gemeinsam ziehen sie kurz darauf nach Los Angeles. Sie schreiben Songs wie „My Letters“, „I Don’t Know Where to Turn To“ und „I Won’t Be Around Anymore“. In Los Angeles findet Southern die passenden Clubs und Lounges: in West Hollywood das Encore, das Talley-Ho, das 881, das Dover House, das Keynoter und das Avant Garde, das haig, in L.A. selbst das Tiffany, zudem den Celebrity Room in Studio City, das Keyboard, das Castle und Ye Little Club in Beverly Hills, und auch die alten grossen Bühnen: Cocoanut’s Grove, Ciro’s, Mocambo’s, das Trocadoero und das Crescendo, in dem sie ein halbes Dutzend Jahre später ihr letzten Album aufnehmen sollte. Trotz glühender Kritiken – von Nat Hentoff, Bill Coss und nicht zuletzt von Ralph J. Gleason, der in seiner Kolumne fragte, warum sie es nicht im grossen Stil geschafft habe – arbeitet Southern für weniger als 200$ die Woche.

    Southern hat jetzt allerdings Erfolg, wo immer sie auftritt, wird es in den lärmigen Clubs still: das Publikum will nicht nur ihre feine Stimme hören sondern auch die Texte verstehen, die sie singt. „Something I Dreamed Last Night“ bleibt einer der am häufigsten geforderten Songs. Daneben wird auch „An Occasional Man“, 1955 für Decca aufgenommen und vielerorts aufgrund des Themas des Songs verboten, immer wieder verlangt.

    Anfang 1954 wird aufgrund der Empfehlung von Dave Barbour (bis 1951 mit Peggy Lee verheiratet und längst auch ein Freund von Southern – es gibt auch eine gemeinsame 10″-LP von 1954, die mit der allerletzten Decca-Session 1957 nochmal erweitert und im 12″-Format erneut aufgelegt wurde) wechselt Southern auch ihren Manager. Harold Jovien übernimmt und es folgt eine intensive Zusammenarbeit mit Decca bis 1957. Jovien sieht das Potential von Southern, aber auch die Probleme: So weigert sie sich oft, die von Milt Gabler von Decca vorgeschlagenen Songs aufzunehmen, wirkt schwierig im Umgang, weil sie keine Kompromisse einzugehen bereit ist. Jovien erkennt auch das Lampenfieber (was für ein blödes verharmlosendes Wörtchen wir für „performance anxiety“ wieder haben), das ein Grund für ihren Rückzug mit gerade mal 35 Jahren war. Jovien besorgte einen siebenwöchigen Gig im Tiffany’s für 750$ die Woche – und kämpfte dafür, dass sie mehr am Mikrophon stand und sang, ohne das Klavier aufzugeben: „I didn’t want her to stand up all the time because her piano with her voice–it was the magic.“

    Neben den bereits erwähnten Aufnahmen mit der Combo von Barbour wird Southern bei Decca in den Jahren bis 1957 u.a. von Orchestern unter Leitung von Sonny Burke, Jerry Fielding, Billy May (unter dem Pseudonym Frank Merriweather – er steht bei Capitol unter Vertrag), Ralph Burn oder Pete Rugolo begleitet. In England ist Southern durch „When I Fall in Love“ (1952 mit Victor Young) bereits bekannt, als sie mit „Fire Down Below“ einen kleinen Hit landet, für den gleichnamigen Film mit Rita Hayworth, Jack Lemmon und Robert Mitchum aufgenommen. Die Single schafft es bis auf Platz 22 der UK Singles-Charts im Juni 1957 (wieder mit Sy Oliver). („When I Fall in Love“ kam übrigens via LaPalm zu Nat Cole – LaPalm war damals Manager von Cole wie von Southern.)

    Nach Southerns zweitem Auftritt im Birdland im November 1955 meint Leonard Feather: „There are very few singers like Jeri who make it equally well at Birdland and the Blue Angel and still remain uniquely themselves. It is the largely indescribable quality of personality that is Jeri’s primary power. She comes through as a girl who feels music sensitively and who doesn’t dig distorting it for quick commercial gain. Equally effective is her sound and her attention to lyrics, so that there is no mistaking the story contours of each song. Her choice of numbers is uniformly intelligent and apt for her particular style with a song.“

    Das Album mit Dave Barbour, „Warm Intimate Songs in the Jeri Southern Style“ (2 x 7-Inch oder 10-Inch), bei zwei Sessions im Februar und März 1954 aufgenommen, beschreibt schon im Titel ganz gut, worum es bei Southern geht. Sie tritt in dieser Zeit in den wichtigsten Clubs in den USA, Mexiko, Kanada und auch auf Hawaii auf. Inzwischen war sie in ihrer dritten Ehe mit dem Bassisten John Kitzmiller, der bei den meisten folgenden Aufnahmen dabei war. Southern tritt in TV-Shows von Bobby Troup, Steve Allen, Rosemary Clooney und anderen auf. 1957 wechselt sie von Decca zu Capitol, gehört in dem Jahr auch zu den „Birdland Stars“, die – unter der Leitung von Morris Levy durch die USA ziehen (die 1954er-Ausgabe mit Sarah Vaughan, Billie Holiday, Joe Williams, Charlie Parker, Stan Getz, Lester Young, Erroll Garner, George Shearing und dem Count Basie Orchestra sowie eine Combo von 1956 mit Kenny Dorham, Conte Candoli, Phil Woods, Al Cohn etc. sind gut dokumentiert … was auch noch passieren konnte, wenn Morris Levy mit seinen „Schützlingen“ durchs Land zog, kann man hier nachlesen).

    Hier „I Hadn’t Anyone Till You“, vermutlich „Stars of Jazz“ vom Dezember 1957 – um dieselbe Zeit entstanden wie die ersten beiden Singles für das neue Label Roulette:

    Drei Alben entstehen für Roulette, das erste „Coffee, Cigarettes and Memories“ ist ein Konzeptalbum mit Arrangements von Lennie Hayton. Im Januar 1958 folgt „Southern Breeze“, das in Los Angeles aufgenommen wird, mit einer hervorragenden Band unter der Leitung von Marty Paich, zu der u.a. Don Fagerquist, Herb Geller, Georgie Auld und Mel Lewis gehören. Im selben Monat geht Southern erstmals auf eine Tour durch die USA, bei der ihr Agent Harold Jovien auch einen Pianisten anheuert, Buddy Motsinger, der sie zusammen mit Kitzmiller und dem Drummer Dick Haney begleitet. Nach drei Wochen im Crescendo im April zieht Southern im Mai 1958 ins Birdland weiter, wo sie neben dem Horace Silver Quintet und dem Quartett von Terry Gibbs auftritt. Zugleich entsteht auch ihr drittes Album für Roulette, das elegante „Jeri Southern Meets Johnny Smith“. Auch im Mai 1958 erscheint dann das erste der Roulette-Alben – im Rahmen einer Kampagne, bei der Roulette über sieben Wochen jeweils drei Alben pro herausbringt. Die sechs Beststeller nach fünf Wochen waren „Count Basie Presents the Eddie Davis Trio plus Joe Newman“ (Eddie „Lockjaw“ Davis), „Italy Revisited“ von den Di Mara Sisters, „Southern Breeze“ von Jeri Southern, „St. Louis Blues“ von Pearl Bailey, „Rock ’n‘ Roll“ von Frankie Lymon und „Cowboy“ von Foy Willing and the Riders of the Purple Sage.

    Im Juni folgt „Coffee …“, im November das Album mit Johnny Smith – doch da ist Southern bereits weitergezogen zu Capitol Records – und damit wieder am selben Ort wie Peggy Lee gelandet (Lee war in der Frühzeit von Capitol schon dabei, ging dann zu Decca und wechselte 1957 zurück zu Capitol). Billy May ist zur Stelle für ihr erstes Capitol-Album mit Songs von Cole Porter, ein paar Wochen später, am 30. Dezember 1958, nimmt Southern – widerwillig auf Drängen des Labels – auch noch drei Stücke für Singles auf, darunter Horace Silvers „Señor Blues“. Wie andere Plattenfirmen versucht auch Capitol, seine Sänger*innen als Popstars zu vermarkten, damit sie neben dem aufkommenden Rock ’n‘ Roll nicht völlig untergehen sollten – so zumindest der Plan.

    Im Juni 1959 enrsteht das letzte Album von Jeri Southern, ein Live-Album aus dem Crescendo (wo schon Mel Tormé ein paar Alben aufgenommen hatte) – Southern hat sich inzwischen angewöhnt, ihre Sets vorn am Mikrophon zu öffnen und abzuschliessen, und sich in der Mitte bei ein paar Songs am Klavier zu begleiten. Die LP bildet das nicht ab, lässt stattdessen beide Seiten mit zwei Klavierstücken (nur mit Kitzmiller am Bass) starten, dann folgen jeweils drei mit der ganze Combo (Dick Hazard am Klavier und auch für Arrangements zuständig, Edgar Lustgarten am Cello, Kitzmiller am Bass und Frank Capp am Schlagzeug).

    Die Alben, die Southern für Roulette und Capitol machte, sind zusammen mit den erwähnte Singles-Sessions auf „The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Roulette & Capitol Recordings 1958-1959“ (Fresh Sound, 3 CD, 2014) zu finden.

    Und damit ist die Geschichte von Jeri Southern als Perfomerin auch schon fast zu Ende. Im August 1959 tritt sie in New York im The Den (Hotel Duane) auf, ab 1960 nehmen die Club-Auftritte ab, nach drei Wochen im Village Vanguard Ende April folgen einzelne Auftritte in Los Angeles, und im Herbst 1962 hört sie ganz auf, öffentlich aufzutreten. Southern öffnet Gesangsstudio, lehrt fortan Gesang und Klavier. Sie schreibt weiterhin Arrangements und auch das Buch „Interpreting Popular Music at the Keyboard“. 1966 heiratet sie erneut, dieses Mal Bill Holman, den bestens bekannte Saxophonisten, der auch ein hervorragenden Arrangeur war.

    Am 4. August 1991 stirbt Southern mit 64 Jahren im Krankenhaus in Los Angeles, wo sie wegen einer Lungenentzündung in Behandlung war. Sie war da weit über zehn Jahren von Holman geschieden, aber sie nannte sich privat weiterhin Holman. Als Dick LaPalm 2010 interviewt wurde, meinte er: „More people should have known about her. She should have stayed, remained in show business and gotten the recognition she deserved.“ Leonard Feathers Nachruf (Los Angeles Times, 8. August 1991) öffnet mit dem Satz: „The voice of Jeri Southern is a sound that’s hard to forget“ – und trägt die Überschrift: „A Truly Unforgettable Voice“.

    Kirk Silsbee, dessen Liner Notes zur Uptown-CD von 2016 ich zum Einstieg zitiert habe, meint, die wenigen „peers“ von Southern seien gewesen: Peggy Lee, Julie London, June Christy und Lucy Reed. Zu den Kolleg*innen, die sie bewunderten, zählt Silsbee Sinatra, Cole, Ella und Nina Simone. „Jeri wasn’t a retooled big band chirp, a big-finish show singer, a hip jazz chick, a dissolute torcher or a vibratoed cabaret belter. She sang songs about adult situations (like ‚You Better Go Now‘ and ‚Occasional Man‘) and she did in a world-wise manner that implied that whatever predicament she might find herself in–big girls don’t cry.“

    Natürlich geizte Southern nicht mir ihren femininen Reizen, trug oft schulterfreie Kleider mit tiefem Ausschnitt – doch auch wenn die Männer im Publikum dadurch zu Schulbuben und heulenden Wölfen (Silsbee) wurden: das faszinierende an ihrer Kunst ist, dass sie als Person zugleich völlig unfassbar bleibt, in den Songs geradezu verschwinden, quasi zum Vehikel der Songs werden kann.

    Quellen sind die Liner Notes der folgenden CDs (die ersten beiden von Jordi Pujol, die letzten von Kirk Silsbee):

    „The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Decca Years 1951-1957“ (Fresh Sound, 5 CD, 2013)
    „The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Roulette & Capitol Recordings 1958-1959“ (Fresh Sound, 3 CD, 2014)
    „Blue Note, Chicago, March 1956“ (Uptown, CD, 2016)

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    gypsy-tail-wind
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    Jeri Southern Album-Diskographie

    Jeri Southern with the Dave Barbour Trio: Warm Intimate Songs in the Jeri Southern Style (Decca DL-5531, 1954, 10″)
    The Southern Style (Decca DL-8055, 1955)
    You Better Go Now (Decca DL-8214, 1956; rec. 1951-54)
    When You Heart’s on Fire (Decca DL-8394, 1957; rec. 1956)
    Jeri Gently Jumps (Decca DL-8472; rec. 1956)
    A Prelude to a Kiss (Decca DL-8745, 1958; rec. 1957)
    Southern Hospitality (Decca DL-8761, 1957; DL-5531 + neue Session von 1957)
    Coffee, Cigarettes and Memories (Roulette R-25039, 1958; rec. 1957)
    Southern Breeze (Roulette R-52010, 1958)
    Jeri Southern Meets Johnny Smith (Roulette SR-52016, 1958)
    Jeri Southern Meets Cole Porter (Capitol ST-1173, 1959; rec. 1958)
    Jeri Southern at the Crescendo (Capitol ST-1278, 1960; rec. 1959)
    Blue Note, Chicago, March 1956 (Uptown UPCD 27.84, 2016)

    Singles:

    London: eine erste Single von 1951 (siehe oben)
    Decca: Für Decca entstanden 40 Stücke, die nie auf LPs herauskamen und im Fresh Sound 5-CD-Set zusammen mit den 72 LP-Tracks für das Label komplett versammelt sind.
    Roulette & Capitol: eine erste Test-Session für Roulette fand im Herbst 1957 statt, für Capitol folgten drei Stücke für Singles (ein viertes, „Love Is the Sweetest Thing“, blieb unveröffentlicht); diese Stücke sind im Fresh Sound 3-CD-Set zu finden.

    TV & Radio

    Sessions Live (Calliope CAL 3016, 1976; Carmen McRae, Southern, Stuff Smith, Chamber Jazz Sextette)
    Sessions Live (Calliope CAL 3032, 1976; Billie Holiday, Leroy Vinnegar, Southern und Pete Jolly)
    Sessions Live (Calliope CAL 3033, 1976; Teddy Buckner, Firehouse Five + 2)*
    Jeri Southern with the Shorty Rogers Quintet (Studio West #101, CD, 1990; rec. Hollywood, 1962)
    The Dream’s On Jeri (Jasmine JASCD 340, CD, 1998; neben Decca-Aufnahmen enthält die CD sechs weitere Stücke: eines mit Ray Bloch, ca. Ende 1957; zwei für das U.S. Treasury Department mit einer Big Band unter Harry Sosnick, ca. Mitte 1958; drei von einer Transcription-Session vermutlich mit Kitzmiller, New York, ca. Frühling 1960)

    *) Southerns Name steht nicht auf dem Cover, vielleicht fehlen die zwei Stücke deshalb im 3-CD-Set von Fresh Sound?)

    CD-Compilations:

    The Dream’s On Jeri (Jasmine JASCD 340, CD, 1998 – siehe auch unter TV & Radio)
    The Very Thought Of You: The Decca Years, 1951-1957 (GRP, CD, 1999)
    The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Decca Years 1951-1957 (Fresh Sound, 5 CD, 2013)
    The Warm Singing Voice of Jeri Southern: The Complete Roulette & Capitol Recordings 1958-1959 (Fresh Sound, 3 CD, 2014)

    Es gibt zudem eine paar offizielle CDs mit jeweils zwei Alben (MCA, Capitol) und auch ein paar weitere offizielle Compilations, deren Güte ich aber nicht einschätzen kann. Die Fresh Sound-Sets sind klasse und machen all das zumindest für CD-Hörer*innen obsolet.

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    #11954363  | PERMALINK

    vorgarten

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    vielen dank für diesen überblick! hab alles gelesen und angehört. so recht will der funken bei mir nicht überspringen, ich weiß aber nicht genau, woran das liegt. ihr stil ist eigen, die songs werden sehr souverän durchgearbeitet, ohne reibung, ambivalenzen… „adult material“ vielleicht als: kenn ich alles, macht mir keine angst. sie hat alles im griff, wenn sie singt, hat sie schon souveränität erreicht, an ihr wird alles abperlen. so sehr ich das angesichts der schulbuben und heulenden wölfe als strategie verstehe, bleibt es für mich künstlerisch irgendwo stecken. aber vielleicht brauch ich das auch mal auf alben-strecke.

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    #11954391  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Hm, ich habe auch einige Anläufe gebraucht, bin aber inzwischen so überzeugt, dass mich nicht mal die zuletzt gehörte Novelty-Session mit Harmonie-Chor wirklich genervt hat ;-)

    Ich empfinde ihre Interpretationen oft als geradezu sublim, aber sie berühren mich eben auch unmittelbar (ich glaub, sie hat was das angeht gerade Peggy Lee den Rang abgelaufen in meinem Pantheon … Julie London höre ich nur teils auf diesen Höhen, aber da muss ich auch wieder mal dahinter, wie ich drüben neulich gechrieben habe).

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    #11955219  | PERMALINK

    thelonica

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    gypsy-tail-wind Ich empfinde ihre Interpretationen oft als geradezu sublim, aber sie berühren mich eben auch unmittelbar (ich glaub, sie hat was das angeht gerade Peggy Lee den Rang abgelaufen in meinem Pantheon …

    Von den Decca Alben habe ich „Jeri Gently Jumps“ und „Southern Style“ als sehr gut und gelungen abgespeichert. „At The Crescendo“ hat mich dagegen eher kalt gelassen. „Jeri Gently Jumps“ wäre eine große Empfehlung, wenn man sich zudem etwas mit Ralph Burns beschäftigen möchte (s. auch Carmen McRae auf Decca, oder Ben Webster mit Streichern auf Verve). Die cleveren Arrangements von Burns sind jedenfalls kein Ballast.

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    #11955433  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    danke, das sind auch tipps, denen ich nachgehen werde.

    gerade lief das hier:

    jeri southern, coffee, cigarettes, & memories, 1959

    ok, es geht nicht nur um souveränität und klarheit, hier gibt es schon auch brüche und emotionalisierungen. „the song is ended“ ist toll und ziemlich riskant. fan werde ich trotzdem nicht. aber ich finde die stimme sehr gegenwärtig, so könnte man heute noch singen, und da liegen unglaubliche 60+ jahre dazwischen… frauen, die wartend am küchentisch sitzen, ihre gesamte aufmerksamkeit liegt auf dem fehlenden mann – auch hier könnte ich mir vorstellen, dass sie in on the joke ist, dass die stimmliche klarheit auch ein komplexeres signal setzt, dass sich southern und peggy lee in gemeinsamen stunden am küchentisch darüber lustig gemacht haben…

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    #11955559  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Definitiv „in on the joke“, denke ich. Bei Lee und Southern hab ich (bei Lee spätestens in den Fünfzigern) den Eindruck, dass das Image mit den Kleidern, den Ausschnitten usw. vollkommen selbst gesteuert ist (bei Southern eigentlich während der ganzen kurzen Phase, in der sie einigermassen erfolgreich war, also 1954-62). Das kann natürlich auch ganz anders sein … kennst Du Lees Autobiographie? Da dürfte dazu mehr stehen, würde ich vermuten? Bei London kann ich das bisher alles noch überhaupt nicht beurteilen, aber da will ich mich auch mal etwas eingraben. Aber jetzt erstmal mehr Lincoln.

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