Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › guitar trios (g/b/dm)
-
AutorBeiträge
-
gypsy-tail-windBailey ist schon einer der ganz Grossen! Muss ich unbedingt wieder mal anhören, bin mir nicht mal sicher, dass ich die Doppel-CD überhaupt schon mal komplett in Ruhe gehört habe. „Mirakle“ kommt ja bestimmt auch gleich … aber Derek & The Ruins (ich kenne nur „Yohjimbo“, am Tzadik-Album bist Du ja schon vorbei) fällt wohl eher raus?
was ich von den ruins kenne, ist mit gesang… aber MIRAKLE kommt auf jeden fall dran!
ja, baileys sound ist einfach unfassbar schön, er schwebt, ist aber auch sehr physisch – ich denke bei ihm immer an organisches material, so als würde er keine metall- oder nylonsaiten spielen, sondern tatsächlich fasern und sehnen – ist ein bisschen eklig als vorstellung, aber naja.
brandon ross, melvn gibbs, jt lewis [harriet tubman], i am a man (1998)
nach joseph holbrooke nun ein trio, dass sich nach harriet tubman benannt hat. brandon ross wird unter den jazzgitarristen der 90er gerne übersehen, er spielt nicht so spektakulär wie lindsay/frisell/ribot/ulmer, aber auf hintergründige weise hat er viel zu sagen und ein großes spektrum an sounds, das er flexibel einsetzt. wenn er irgendwo dabei ist, weiß man nie im voraus, was einen erwartet, so auch hier: es gibt ganz zarte melancholische, sehr melodiöse passagen, dann aber auch klangwände und gewaltsame erruptionen. die perspektive der black rock coalition ist in diesem projekt sehr präsent, die melancholie und die wutausbrüche sind politisch zu lesen („where we stand“), jimi hendrix wird in den jazz zurückgeholt, die dekonstruierten grooves grooven trotzdem, man hört aber auch die ornette-schule und threadgill, eine konzeptionelle form von offenheit. ein schon bemerkter trend der neueren gitarrentrios: der sehr tiefe e-bass. ich finde das ein sehr schönes album, dem ich nur gewünscht hätte, dass es weniger nach einer jamsession klingt – so viele tolle momente, und alles scheint nur rohmaterial zu sein.
--
Highlights von Rolling-Stone.de„Blind Faith“ von Blind Faith: Supergroup, aber kein Super-Album
Haben Sie die schon? 10 Schallplatten für die nächste Plattenjagd
Interview über Toten Hosen: „Es ist kein Verrat, nüchtern auf die Bühne zu gehen“
Diese 24 Songs retten jedes Weihnachten
Silvester-Tipp von Phil Collins: Mit „In The Air Tonight“ ins neue Jahr
11 coole Zitate aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“
Werbungderek bailey, jamaaladeen tacuma, calvin weston, mirakle (1998)
vom sound & ansatz her kommt das hier dem am nächsten, was ich selbst mal gespielt habe: ein äußerst musikalisches, schwermetallisches schlagzeug, eine irrlichternde sound&effekt-gitarre, die keine einzige melodie spielt, und ein e-bass, der die ganze arbeit macht. ein bailey-trio, das völlig anders funktioniert, niemand fließt hier impressionistisch dazu, sondern er bekommt kantige funk-vorgaben, die auch ohne ihn schon super wären. aber was er beisteuert, ist eben doch sehr toll – manchmal macht er’s noch funkiger, manchmal schreddert er einfach alles nieder, oft hat er genau den richtigen akzent zur aktuellen situation. die musik ändert sich alle paar sekunden, einfälle gibts genug, verrückt ist, wie sie eben doch aufeinander hören, wann die luft rausgenommen und wann druck aufgebaut wird, da sind sie sich auf drei verschiedenen wegen meistens einig. das album könnte jetzt 12 minuten oder 5 stunden dauern, es käme aufs gleiche hinaus. der produzent john zorn hat nicht eingegriffen. auch hier also rohmaterial.
--
brandon ross, melvin gibbs, jt lewis [harriet tubman], prototype (1998/2000)
und wieder zurück zu harriet tubman, das live-album zu I AM A MAN (aufnahmen aus finnland, den niederlanden und der knitting factory, alles im juli 1998) für zorn & sugiyama (avant), also ähnliche ecke, aber weniger konfrontativ. ähnlich hart konturiertes gespann aus e-bass und drums, aber dazu eine gitarre aus gleichem geist, verwebend, mitfiebernd, immer wieder überraschend ausbrechend, aber im band-format. und mit klarem programm – hendrix, funk, metal, aber so, dass es kein major an sich reißt. obwohl die produzenten hier ja auch weiß sind. toll bei brandon ross, wie er hier mit loops und flächen spielt und dann darüber schweinesoli spielt. als album ist PROTOTYPE konziser als die studioproduktion. ist halt eine richtige band.
--
pat metheny, larry grenadier, bill stewart, trio 99 -> 00 (1999/2000)
das letzte jazzgitarrenalbum der dekade kommt, wie schon in den 80ern, von metheny, und ich glaube: hier fängt das an mit den neotraditionalistischen zugriffen aufs format, denn natürlich haben die hekselmans, bros, lages, lunds und muthspiels das alle gehört. grammy-material mit schöner geschichte (die gleiche wie beim letzten mal): ausgepowerter gitarrenstar mit stadion-band möchte im urlaub was reduziertes, kleines machen und besinnt sich auf das trioformat. abgehangenes eigenes zeug & standards, durchdacht, aktualisiert – ich mag den akademischen swing von bill stewart nicht besonders, aber er kontrastiert sehr schön zur kitschnudel metheny, der zurück zur emotion will, und die wissen eh, was man daraus machen kann, sie haben albumkonzept, tour, den grammy von anfang an in den fingern. aber echt, wow, diese laszive version von „giant steps“, in der metheny im solo doch wieder schneller als coltrane spielt… und natürlich hätte man ihm zu der zeit auch gibbs/lewis oder tacuma/weston dazustellen können (bailey sowieso), und es wäre was geworden… ich sollte da einfach mehr respekt haben, aber das ist so gut, dass was fehlt.
--
joe beck, george mraz, billy hart, strangers in the night (1999)
joe becks erstes album für venus fällt tatsächlich auch noch in die 90er, hätte ich beinahe übersehen. interessante wahl für ein gediegenes standards-album, denn becks ton ist maximal elektrisch, da kommt keine nostalgie auf. auch von seiner spielweise bin ich kein fan (bzw. finde ihn nicht heraushörbar individuell), aber die produktion hier macht schon spaß – zu den elektrischen sphären kommt ein warmer akustischer bass, und dann zeigt billy hart, wie ein unakademischer swing geht. ich weiß nicht recht, ob ich beck durch das jahrzehnt weiterverfolgen soll – diese besondere form des gitarristischen soundfetischs (es gibt auch zwei eigene sonderanfertigungen in seinem auftrag, u.a. eine altgitarre) scheint mir komplett aus der zeit gefallen, aber man weiß ja nie, sowas kommt bestimmt mal wieder.
--
scott fields, michael formanek, michael zerang, mamet (2000)
jetzt sind wir in den nullern, und wir sind in chicago. das erweiterte aacm-umfeld ist ja mit fields und jeff parker gitarristisch gut aufgestellt, aber das hier scheint mir eine etwas zerfasernde konzeptmusik zu sein, die klanglich gut aufgeht, aber an der ich alle paar sekunden abrutsche. gerüst sind dialogzeilen aus stücken von david mamet (!), daraus werden ein paar rhythmische motive entwickelt, dazwischen sind freie improvisationen sozusagen vorgeschrieben. kann man alles machen, ich hätte mir von dieser besetzung etwas erhofft, das zwischen vielen ideen auch entwicklungen zulässt.
--
pat metheny, larry grenadier, bill stewart, trio -> live (2000)
was als reduziertes trio-setting in abwechslung zum exzessiven touren gedacht war, wird wenig später zu einem exzessiven tourprogramm durch die usa, japan und europa, auf dem vorliegenden doppel-cd-live-dokument kriegt die lichtdesignerin einen credit, ebenso die leute, die das equipment durch die welt bewegen. in diesem equipment befinden sich u.a. 4 gitarren und ein zugehöriges synth-device, bye bye reduktion. interessant ist natürlich trotzdem, dass die gassenhauer der metheny-band auch im trioformat mit akustischer begleitung funktionieren und gut ankommen. das publikum ist auf allen kontinenten euphorisch, kein wunder: zusammengebaut ist das als nie versiegender flow of ideas, das phasenweise (im 20-minütigen „question and answer“, für das roy haynes die messlatte gelegt hatte) sogar bill stewart aus seiner gerade haltung mit durchgedrücktem rückgrat wirft, hier reichen die enzyklopädischen abrufe nicht mehr, der chef will das sonnensystem erkunden. warme halbakustik, durcheinandergeschichtete tonwellen, country&western-twang, eine quasi-sitar, akustische ecm-räume, sogar alice-coltrane-gedächtnis-arpeggien auf einer 42-saiter, es gibt sehr intime momente, aber auch schallmauerverletzungen. so viel habe ich ein gitarrentrio bisher nicht leisten hören. all the things we are. ich finde, das sollte man mal gehört haben.
--
Hm, das klingt einerseits super – aber andererseits nach genau der Art Überladenheit (bis zu den Licht-Credits), warum ich mit der PMG der letzten Jahrzehnte nichts mehr anfangen kann?
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windHm, das klingt einerseits super – aber andererseits nach genau der Art Überladenheit (bis zu den Licht-Credits), warum ich mit der PMG der letzten Jahrzehnte nichts mehr anfangen kann?
überladen ist das, was rauskommt, eigentlich nicht – nur sehr abwechslungsreich und spürbar aufwändig gemacht, bis hin zum geschlossenen-set-charakter, den die auswahl der stücke (aus völlig verschiedenen live-sets von verschiedenen orten) fingiert. gitarren-trio finde ich hier auf jeden fall ein plus – und die meisten sachen spielt metheny im cleansten und schmucklosesten ton, den er für „jazz“ reserviert hat. man kann das nur nicht am stück durchhören, es ist einfach zu viel zeug.
--
Danke für die weiteren Ausführungen – werde danach Ausschau halten!
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch finde vor allem die beiden ersten Stücke im Vergleich zu ihren Ersteinspielungen interessant, weil sie ja schon im Original in Trio-Besetzung und von zwei völlig anderen Charakteren am Bass und Schlagzeug eingespielt wurden. Ich habe das Doppel-Album bisher auch noch nicht am Stück gehört.
--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...atomIch finde vor allem die beiden ersten Stücke im Vergleich zu ihren Ersteinspielungen interessant, weil sie ja schon im Original in Trio-Besetzung und von zwei völlig anderen Charakteren am Bass und Schlagzeug eingespielt wurden. Ich habe das Doppel-Album bisher auch noch nicht am Stück gehört.
späte antwort: ja, die beiden ersten stücke sind tatsächlich erschlagend gut, auf „bright size life“ direkt eins der besten metheny-solos, die ich kenne, und „question and answer“ ist ein epos, ein monumentaler trip, nachdem man nicht mehr weiß, was da noch kommen soll. und dann kommt eben noch eine ganze menge.
bill frisell, dave holland, elvin jones, bill frisell with dave holland and elvin jones (2000? 2001?)
ich glaube, ich habe das album noch nie gehört, es hat keinen guten ruf. dass er in der besetzung nicht – wie vielleicht erwartet – „my favorite things“ spielt, verstehe ich gut, aber frisell hat nur eigenes altes material mitgebracht, das im wesentlichen mit blues-formen spielt, und nachträglich noch weitere gitarrenspuren drübergelegt, die ein bisschen die gleichberechtigung aufheben. braucht man dafür elvin jones? aber seine erklärungen sind nachvollziehbar: jones hatte sich mit den aufnahmeterminen vertan, sie hatten nur 2 halbe tage am ende, nur mit holland konnte er proben, am ende musste das alles noch ein wenig orchestraler werden. tatsächlich habe jones aber euphorisch auf das blues-material reagiert, vor allem auf den standard „hard times“, er ist ja selbst gitarrist gewesen und hatte auch schon mit pete seeger gespielt. tatsächlich beschränkt er sich hier auf eine ziemlich hypnotisch-monotone begleitung, die immer wieder subtile shifts einbringt, und weil holland das so schön umspielt und gleichzeitig absichert, kann frisell ins psychedelische abschweifen. so ein trio hat man auch noch nie gehört, „strange meeting“ heißt ein stück. mittendrin: „moon river“, walzer natürlich, jones an den besen und mitstöhnend, kleine elegante stolperer, frisell schmilzt akustisch dahin, schnell mag er nichts mehr entwickeln und bleibt in seinem eigenen schönen traum hängen, wie so oft hier, sie erreichen sehr schnell ein plateau und dann surfen sie noch ein bisschen.
--
joe beck, mark egan, danny gottlieb, just friends (2002)
also gleichschenklig ist dieses dreieck nicht, aber kann man dieser grafikabteilung trauen? die drei beteiligten musiker haben jedenfalls viel gemeinsam und kürzen einander nichts ab, ein klar umnebelter fusion-blick auf altes songmaterial, 20-jahre-alte schweißbänder werden aufgesetzt, und im hobbykeller stellen sie die heizung auf mutige 3. ich kann mir allerdings vorstellen, wie heutige hipster das entsprechende video dazu drehen, und dann kriegt das ganze direkt schon wieder was tolles, weil ja hier nichts wirklich dilettantisch oder schlecht ist, sondern high-end-muckertum, das irgendwie in den 80ern in flüssigen stickstoff geraten ist. jazzgitarrentrio, kryonisch.
--
john scofield, steve swallow, bill stewart, en route (2003)
scofield aktiviert sein altes trio, stewart wechselt nussbaum aus, die reisemetapher verstehe ich nicht ganz, die aufnahmen sind aus new york. ich habe zu dieser zeit allerdings scofield und stewart auch mal live in deutschland gesehen und war sehr gelangweilt. hier gefällt mir das ganz gut, auch unter formataspekten: swallows präziser grummelbass übernimmt sicher die tiefen lagen, durch ihn bekommt alles ein elastisches federn, wenn auch ohne dynamische zuspitzungen. scofield muss alle höhepunkte selbst herausspielen, und dafür hat er sein lick-book. der arbeiter und die beiden KIs, die so selbstgenügsam swingen, dass er ins schwitzen kommt, das kippt dann gerade ausreichend in rockgefilde, um glaubhaft zu bleiben. blues ertrage ich nicht, und an „alfie“ von bacharach scheitern sie so richtig, das geht weder mit in roboterlogik, noch mit heteromännerschweiß, aber wenn es einfach swingt, dann hat es eine große leichtigkeit.
--
Nachtrag für die 90er:
KURT ROSENWINKEL – East Coast Love Affair
Kurt Rosenwinkel – Guitar
Avishai Cohen – Bass
Jorge Rossy – DrumsIm Wechselspiel zwischen Akkorden und Single-Note-Spiel zeigt Rosenwinkel seine Klasse, hier live aufgenommen im Smalls, dem New Yorker Jazzclub
zuletzt geändert von asdfjkloe--
-
Schlagwörter: Gitarre, guitar jazz, Jazzgitarre
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.