Ich höre gerade … Jazz!

vorgartenSEARCH FOR THE NEW LAND ist natürlich eine der ganz großen blue-note-sternstunden, aber ich bewege mich weiter auf weniger kanonischem gebiet.

ersteres der beginn für sao paulo underground, rob mazureks elektroakustischer genieformation, in der er sich allerdings mehr der brasilianischen hybriditätsschule ausliefert, als dass er selbst was zusammenbaut. tropikalischer kannibalismus, alles verzehrend, transformierend, in schillernden farben wieder ausspuckend – nie klingt mazureks durcheinander weniger wie „experiment“ und so nah am rausch. dabei hat er chad taylor und josh abrams zur sicherheit aus chicago mitgebracht – das war dann später nicht mehr nötig (aber auch ok).

letzteres album ist auch aus 2006, aber erst dieses jahr auf nobusiness auf vinyl herausgekommen. chicago underground trio plus malaby. viel luft und hauch und ein bisschen elektronik. sehr schön oft, sehr intim immer.

Das liest sich alles sehr aufregend und Cover und Musik von Sauna: Um, Dois, Tres (dtsch: Sauna: Eins Zwei, Drei?) sehen sehen nicht minder aufregend aus bzw. hören sich aufregend an. Elektroakustisch? Wahrscheinlich gut gesagt. Jazz-O-Tronic? Erinnert mich mehr an das hier, als an das, was hier gemeinhin als Jazz verkonsumiert wird.

Ich halte dagegen mit

Isotope 217 – Utonian Automatic (1999)

Eine anderes Projekt der Chicago Posse, in die Rob Mazurek sein Kornett mit reinsteckt. Post Fusion Jazz.

Ich habe mal zufällig endeckt, wo I 217 offensichtlich die Inspiration für ihr Stück New Beyond herhaben: Stanley Cowell – El Space-O. Gut geklaut ist halb gebaut!

vorgarten(…) diese unfassbar tolle synthetisierung von akustischem jazz bei pekkler klingt da manchmal ähnlich, aber da möchte ich dann doch trennlinien ziehen: immer, wenn es wirklich dicht wird bei mazurek / sao paulo, wenn es groovt und abgeht, kommt der jazz ins spiel, das finde ich ja so toll, das inbewegungsetzen funktioniert immer im live-gestus, während die pekkler-sachen doch so hübsch in sich ruhende miniaturen sind.
was heißen soll: mazurek ist schon ziemlich JAZZ in großbuchstaben – wenn er wirklich elektronisch arbeitet, vermicht sich nichts, das ist dann reiner ambient.

Ja klar, bei Mazurek ist das viel organischer während, Pekler ja (wohl?) selber überhaupt nichts live spielt, sondern aus dem Organischen was Synthetisches zusammenbaut. Aber am Ende kommt etwas dabei heraus, das in meinen Ohren eine gewisse klangliche Verwandtschaft hat.

vorgartenoh, ich liebe NEW WORLD von cowell, das ist ja fusion, der sich einerseits aus mwandishi (priester, henderson) ableitet, andererseits trommelt dann roy haynes mit und pat patrick aus dem arkestra ist auch mit dabei – irgendwie klingt die völlig unfassbar, obwohl sich wahrscheinlich sämtliche beteiligten eher ungern daran erinnern und das eher als kommerzversuch abbuchen. die aktualisierung von isotope217 klingt heute schon wieder historisch – das war ja ein mazurek-projekt, bevor er eigentlich anfing, eigene projekte zu realisieren. obwohl ich auch vieles daran heute noch sehr hübsch finde.

Ich kenne New World nicht, bis auf dieses einzige Stück, das ich auf einer Compilation habe. Wahrscheinlich ein gescheiterter Kommerz-Versuch, aber dann schon wieder unfreiwillig tolle Musik. Isotope greifen für mich offensichtlich auf diese früh-/mittsiebziger Fusion à la Miles, Hancock, Sun Ra’s Lanquidity und wohl auch New World etc. zurück. An sich kein verwerfliches Vorhaben. Ganz im Gegenteil. Ich kenne nicht so viel von Mazurek, aber für mich klingt das, was er macht, nach der Fortsetzung der Fusion mit anderen Mitteln.

Wolle62@soulpope,

besten Dank für die Tips. Ich habe mir mal seine ersten LPs ab „The Grip“ bis zur „Illusion“ bestellt. Bin gespannt?

Wolle

Ich denke Du wirst feine Hörerlebnisse haben – ich habe Blythe demals in den späten 70er/frühen 80ern einige male Live erlebt und es war ein Genuss, welcher durch die genannten Platten nachvollzogen werden kann….

mit rob mazurek bin ich jetzt im jahr 2007 gelandet (seitdem ich ihn überhaupt kenne) und da bei seinem exploding star orchestra. wurde ursprünglich für ein konzert im millenium park in chicago zusammengestellt, zieht sich aber seitdem wie ein roter faden durch mazureks diskografie, wie auch durch die diskografie der chicagoer jazzszene, die hier großräumig repräsentiert ist: herndon, mcentire und jeff parker von tortoise, letzterer wie auch nicole mitchell, cory wilkes, mike reed aacm-mitglieder, daneben noch matt bauder, jason adasiewicz, matt lux, jim baker, josh berman und jeb bishop.

ich verstehe immer noch nicht so richtig, warum dieses album so großen spaß macht. es gibt zwei große, suiten-artige bewegungen, dazwischen interludes (ein eher elektronisches, eins mit klavier), manchmal reine masse an sounds & instrumenten, dann wieder so tolle momente, wo diese masse kinetisch bewegt wird und losswingt. mit sun ra hat hat das nur kosmologisch zu tun, man hört schon eher tortoise raus, überall die vibes, marimbas, die steve-reich-nahen patterns. aber die soli, in der etwas unfassbaren transparenz dieser vielen instrumente toll eingesetzt, haben auch alle was zu sagen und abwechslungsreich ist das ganze auch noch. es ist alles irgendwie pop, krach, wissenschaft und sphäre zugleich, und eine empfehlung für jedes seminar mit dem thema „jazz heute“.

TIGERSMILK: ANDROID LOVE CRY (2007)

Wolle62@gypsy, genau diese ist heute gekommen, gestern geordert, heute schon hier, das nenne ich mal fix.

„Illusion“ kenne ich ja wie gesagt nicht, aber „The Grip“ ist klasse!

Jetzt, da der Plattenspieler schon mal angeworfen ist, noch eine aus der Zeit (1976, um genau zu sein), eine von bloss zwei Horo-Veröffentlichungen, die ich habe:

mit Don Pullen (p), David Friesen (b), Dannie Richmond (d) und Afonso Vierira (perc)

gypsy tail wind

YESSSS :band:!!!!!