Steely Dan – Aja

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    andre-hammerschmidt

    Registriert seit: 07.03.2007

    Beiträge: 17

    kurz vorneweg: Die Länge tut mir leid, hatte zuviel Zeit auf der Arbeit. Der Inhalt wird mir vermutlich noch leid tun.

    Aja (1977) ist meine persönliche 70ger Ikone. Sicher, es gibt noch konzentriertere Dan-Alben (Pretzel Logic) oder auch scharfzüngigere (The Royal Scam) und vermutlich ist über „Aja“ alles geschrieben worden und natürlich sind Becker und Fagen, die verschrobenen Perfektionisten, längst als solche von Kritik und Publikum assimiliert. Eine klassische Rezension liefe also Gefahr zu wiederholen, was längst gesagt wurde.

    Mich interessiert, inspiriert durch den Darkside of the Moon – Threat, mehr die Frage, was genau ein Album, hier eben exemplarisch „Aja“, zum persönlichen Favoriten macht, während ein Anderer es vielleicht nur mittelmäßig findet.
    Gibt es ein subjektives Bezugsssystem? Wenn ja, was sind seine Einheiten? Und schließlich, lässt sich das Ganze dann objektivieren?
    So nach dem Motto: Wenn männlich und Alter > 50 Jahre und IQ > 125 und Plattensammlung > 1000 und Rolling Stone Leser, dann Lieblingsalbum: „Blonde on Blonde“.

    Hmm – Je länger ich darüber nachdenke, desto absurder finde ich den Gedanken. Oder um es mit Tenacious D zu sagen: „That´s Quatsch!“ Musikhören bleibt Ausdruck gelebter Individualität und wenn wir schon alle gegen den Klimawandel sind, so ist es doch, jenseits der eigenen Biographie, nach wie vor möglich, Herrn Zimmermann als gniedelnden Ätzer zu empfinden. „You´re a liar. I don´t believe you.” – Ja, hast recht Bob.

    Entschuldigt mein Abschweifen, zurück zu “Aja”. Ich bin 1974 geboren, kenne also die 70ger bewusst nur aus der Retrospektive. Musikalisch hab ich zwei 70ger Schwerpunkte:
    Einerseits frühsiebziger Prog (Yes, King Crimson, Can, Pink Floyd u.a.), andererseits die Epigonen des Punk/ New Wave gegen Ende des Jahrzehnts (Clash, Ramones, Joe Jackson, Police u.a.) und dann eben Steely Dan, da allerdings die gesamten 70ger.

    Dann zieh ich doch mal einen unzulässigen Vergleich zu meinen sonstigen Faves der 70ger.

    „Aja“ vs. „Darkside of the Moon“ (Ja, aua!)

    DSOTM: Die Floyd machen hier das, was sie seit Beginn der 70er im Grunde immer gemacht haben. Harmonisch simple Strukturen, meist bluesbasiert, werden durch Effekte und gut interpretierbare Texte mit Bedeutung aufgeladen.
    Waters selbst sagt im Interview, im Rahmen der Classic– Albums-Serie von VH1, der Text zu „Breathe“, immerhin der Opener des Albums, sei so simpel, das es ihn bis heute wundere, „dass wir damit durchgekommen sind.“
    Soviel zur Theorie, entscheidend ist was hinten rauskommt. Nämlich der Klassiker der 70ger, der eine neue, unverwechselbare Ästhetik geschaffen hat. Ganz nebenbei ist die Platte revolutionär in der Produktion und im Einsatz von elektronischen Instrumenten.
    Aber natürlich soll auch nicht verschwiegen werden – Hand aufs Ohr -, dass sich der Einsatz von THC „geschmacksverstärkend“ beim Hören auswirkt.
    Und hier liegt auch bei mir ein bisschen der Pudel begraben. Irgendwann hat das ganze Geschwurbel, samt Herzklopfintro, Uhrengeklingel usw. seinen Reiz für mich verloren. Ich höre die Platte heute einfach anders und dann bleibt eben von diesem audiophilen Ornat oft nur noch der Eindruck eines nicht notwendigen Beiwerkes, das manche substanzielle Schwäche überdecken will, es letztendlich aber nicht kann.

    Aja: Ist von der Herangehensweise geradezu antithetisch, weil hier von einer komplexen harmonischen Struktur, gerne mit Alternationen usw. aus dem Jazz, etwas scheinbar simples, nämlich ein Popsong, hergestellt wird. Der Ansatz ist mir uneingeschränkt sympathisch, zeugen doch auch die Lyrics von einer gewissen Bescheidenheit. Hier wird nicht bedeutungsschwanger der Weltengang beklagt (I´ll see you on the darkside of the moooon, huuuuuhhaaaaaaaa), sondern poetisch über Zwischenmenschliches reflektiert. Als Bühne reicht schon der Laden an der Ecke (Black Cow), die Weiten der Metaphysik bleiben, dankenswerterweise, unerwähnt.
    Bemerkenswert ist auch, dass dies alles nicht in einen krampfigen Akademiker Jazz-Pop-Fusion, der höchstens auf irgendwelchen Jazztagen in Baden Würtemberg goutiert wird, mündet. Der erste Höreindruck ist vielmehr sehr relaxed, gerade so als hätte man sich zum lockeren Jam im Studio getroffen. Das Gegenteil ist der Fall, das Album war eine reine Kopfgeburt, im Sinne das Becker und Fagen von ihrer genauen Vorstellung wie die Stücke zu spielen sind/ zu klingen haben während der Produktion keinen Deut abgewichen sind. Das hatte zur Folge, dass für einzelne Lieder ganze Bands ausgetauscht und für ein dreißigsekündiges Solo ein halbes Dutzend Gitarristen verschlissen wurden. Dies alles ist sicherlich ein Geheimnis von „Aja“. Keine künstlerischen Kompromisse, also auch keine Faulen. Das Album ist, bei aller vordergründigen Relaxedheit, stringent vom ersten bis zum letzten Ton.
    Und dann dieser Dan typische L.A. – Sound, der uns in seinen unangenehmen Varianten die gesamten 80ger verfolgt hat. „Der Sound ist mir zu glatt“ ist oft die erste Reaktion. Für mich unterstreicht er jedoch musikalische und textliche Ästhetik von Aja aufs Beste. Hier ist das Thema nicht Hifi, sondern eine Schönheit im Klang, die sich in der Schönheit der Komposition und der Texte wiederspiegelt. Eine „Rust never Sleeps“ wäre mit diesem Sound schlicht daneben, bei „Aja“ dagegen ist es für mich einfach das berühmte „Perfekt Match“.

    --

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    #5687131  | PERMALINK

    voyager

    Registriert seit: 11.06.2006

    Beiträge: 7,015

    @andre: Nu hast du irgendwie mittendrin abgebrochen, dabei hatte ich noch drauf gewartet dass du zu einzelnen Songs Stellung beziehst. Ansonsten ein ganz lesenswerter Beitrag, die „Aja“ ist auch meine Lieblings-Steely Dan. Nur Schade dass du dich was „TDSOTM“ betrifft, anscheinend sehr von unserem Thread beeinflussen lassen hast. Das Beiwerk wie Uhren- oder Kassenklingeln oder was nicht alles, ist für mich ein tragendes Stilelement, das dort seine absolute Berechtigung hat und so wichtig wie die Musik ist.
    Und herzlich willkommen! :-)

    --

    #5687133  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    André


    Der erste Höreindruck ist vielmehr sehr relaxed, gerade so als hätte man sich zum lockeren Jam im Studio getroffen.

    Ja, genau so. Und auch nach dem 100. Hören noch klingt es cool und relaxed. Und das ist wohl vor allem so, weil hier begnadete Könnner schwer gearbeitet haben. Perfekte Platte.

    --

    #5687135  | PERMALINK

    oldboy

    Registriert seit: 12.10.2004

    Beiträge: 7,593

    Toller Text, großartige Platte. Werde beizeiten auch was dazuschreiben.

    --

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    #5687137  | PERMALINK

    dennis-blandford
    Jaggerized

    Registriert seit: 12.07.2006

    Beiträge: 12,377

    Steely Dan zeigen mit Aja eindrucksvoll, dass musikalische Perfektion nicht automatisch steril klingen muss. Nichtsdestotrotz ziehe ich persönlich „Katy Lied“ u. auch „Pretzel Logic“ vor, weil sie für mich die organischeren Bandalben sind.

    --

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    #5687139  | PERMALINK

    yellowsubmarine

    Registriert seit: 03.08.2002

    Beiträge: 2,445

    Hi,
    als AJA erschien, hat mich meine damalige Frau wegen eines Musikredakteurs verlassen und dieser nette Mensch hat mir AJA geschenkt. Kannte bis dahin nur ein paar Titel von Steely Dan und AJA hat mich dann in meiner Trauer Tag und Nacht begleitet. Es hat außer Sgt. Pepper nie wieder eine Platte gegeben, die meine Musikgewohnheiten so verändert haben. Durch AJA bin ich zum Jazz gekommen. Ich glaube das diese perfekte Lässigkeit (die hohes Können voraussetzt) das Geheimnis dieser CD ist.
    Grüße

    --

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    #5687141  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 26,154

    YellowsubmarineIch glaube das diese perfekte Lässigkeit (die hohes Können voraussetzt) das Geheimnis dieser CD ist.

    Sehr schön gesagt!

    Ich hab mich AJA erst wirklich richtig gewidmet, als ich Stephen King „Christine“ gelesen habe (mit 17 oder 18), und eine Textzeile „Deacon Blues“ vor einemm Absatz zitiert wurde:

    Ill learn to work the saxophone
    Ill play just what I feel
    Drink scotch whisky all night long
    And die behind the wheel
    They got a name for the winners in the world
    I want a name when I lose
    They call alabama the crimson tide
    Call me deacon blues

    Ein klares 5er Album für mich und perfekt in seiner lässigen Ausstrahlung und Coolness.

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #5687143  | PERMALINK

    pink-nice

    Registriert seit: 29.10.2004

    Beiträge: 27,368

    KrautathausSehr schön gesagt!

    Ich hab mich AJA erst wirklich richtig gewidmet, als ich Stephen King „Christine“ gelesen habe (mit 17 oder 18), und eine Textzeile „Deacon Blues“ vor einemm Absatz zitiert wurde:

    Ill learn to work the saxophone
    Ill play just what I feel
    Drink scotch whisky all night long
    And die behind the wheel
    They got a name for the winners in the world
    I want a name when I lose
    They call alabama the crimson tide
    Call me deacon blues

    Ein klares 5er Album für mich und perfekt in seiner lässigen Ausstrahlung und Coolness.

    Wie man den Song „Deacon Blues“ schon mit allen Nuancen verinnerlicht hat…man ließt den Text und sofort schießen ein alle kleinsten Phrasierungen von Fagen´s Stimme in den Kopf…ein wahres *****er Album..und es zeigt uns das wir manchmal zu schnell sind mit so einer hohen Wertung(….Cassadaga)

    --

    Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“
    #5687145  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 26,154

    pink-nice..und es zeigt uns das wir manchmal zu schnell sind mit so einer hohen Wertung(….Cassadaga)

    Deshalb habe ich auch Cassadaga eine späte, aber abgehangene ****er Wertung gegeben. Die hat es aber auch verdient.

    --

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    #5687147  | PERMALINK

    oldboy

    Registriert seit: 12.10.2004

    Beiträge: 7,593

    Für mich ist Aja Steely Dan’s Meisterstück. Bei aller Genialität von Pretzel Logic, dieses ausschweifende, traumwandlerische Album hebt den Hörer dann doch nochmal in höhere Gefilde. Nicht zuletzt auch Dank der Mitarbeit des Saxophonisten und Arrangeurs Tom Scott, der Steely Dan bei den ausgefeilten, komplexen Bläser- Arrangements unter die Arme griff.

    Zu wenige Bands im Rock/ Pop- bereich entwickeln sich in ihrer Karriere wirklich weiter. Wahrscheinlich sättigt einen der Erfolg zu schnell, im Jazz ist das anderst. Und Steely Dan ist da anderst: Perfektionismus, Forschungsdrang und Aufgeschlossenheit in einem. Der Blues- Rockpop von Can’t Buy A Thrill war gestern, hier ist der jazzige Geniestreich Aja.
    Hier die Songs im einzelnen:

    Black Cow: *****
    Ein knarziger, wawaesker Bass führ in das Album ein. Dann setzt ein Donald Fagen in Topform ein, unterstützt von einer Horde unwiderstehlicher Backgroundsängerinnen und umgarnt von Scott’s Saxophon. Dieses spielt sich irgendwann alleine seinen Weg durch den Song, der schließlich leider irgendwann doch ausfadet. Das Album müsste einen normalsterblichen Musikliebhaber spätestens jetzt in seinen Bann gezogen haben.

    Aja: *****
    Der Titeltrack, vielleicht der beste auf dem Album, vielleicht das Beste was Steely Dan jemals ausgefeilt haben. Die fantastischen Drums geben dem Song je nach Bedarf eine locker leichte perkussive Note, oder treiben wie gegen Ende nochmal richtig an. Der Instrumentalpart strotz nur so voller Ideen und schön- sphärisch bis schön- schrägen Sounds. Wieder so ein Song, den ich ewig hören könnte. Ich hab mal gelesen, Aja sei Stely Dan’s Stairway To Heaven…ich behaupte, sie sind mit diesem Sound schon längst da angekommen.

    Peg: *****
    Der abwärts geslappte Basslauf beim Refrain, der groovende Rhythmus- Teppich, ein Gtarren- Solo, an dem sich erst etliche Gitarristen die Finger wund geübt haben, und es trotzdem nicht so hinbekommen haben, wie das perfektionistische Duo sich das wünschte. Bis irgendwann doch der richtige kam….vielleicht der poppigste Song auf dem Album, natürlich inkommensurabel.

    Deacon Blues:****1/2
    They got a name for the winners in the world
    I want a name when I lose
    They call alabama the crimson tide
    Call me deacon blues

    Ein Song über Gewinner und Verlierer, über das Träume aufgeben und Selbstfinden in einer Welt in which you have to „crawl like a viper through these suburban streets“. Oder aber natürlich der Song geht doch in Wirklichkeit über etwas ganz anderes. Wer weiß das bei Steely Dan schon. Das Saxophon, die Backgroundsängerinnen, hachja. Hatten wir alles schon? Stimmt.

    Home at Last: ****1/2
    Was ist das für ein Ding? Das klingt wie ein kaputtes, zu hohes Saxophon…was ist das??? Vor dem Gitarrensolo…

    I Got The News:****1/2
    Vielleicht nach Peg der poppigste Song auf dem Album. War auch ursprünglich für Katy Lied gedacht. Wieder exzellente Drums, diesmal von Gastdrummer Ed Greene. Wunderbarer Gitarrensound, wudnerbarer Pianosound. Steely Dan lässt sich schwer in Worte fassen. lalala…

    Josie:****1/2
    Cooler Abschluss. Hätte aufgrund seiner Funkiness auch gut auf The Royal Scam gepasst. Leute, holt euch dieses Album und hört es immer, immer wieder!

    *****

    --

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    #12202587  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 26,154

    Meine Lieblingsnachwuchsdrummerin hat inzwischen so ziemlich alles drauf. Am Ende hört man sie solo…das ist schon extrem beeindruckend. Die 13jährige lebt inzwischen in Los Angeles.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Yoyoka_Soma

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
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