Solomon Burke – Nashville

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  • #38455  | PERMALINK

    sonic-juice
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    (Shout Factory, 2006)

    Ich habe mich ja zunächst aufrichtig dagegen gewehrt, diese Platte gut zu finden. Alles klingt zu sehr nach einem Marketing-Trick, zugeschnitten auf meine Kaufbedürfnisse: Soullegende nimmt Country-Album auf, Songs u.a. von Tom T. Hall, Dolly Parton, Bruce Springsteen, Gillian Welch und George Jones (mir war zuvor nicht mal bewusst, dass der überhaupt selbst etwas geschrieben hat) werden ausgewählt, Buddy Miller produziert kernig-rootsgetreu, und dann weiß man nicht, ob man sich über Dolly Parton oder Gillian Welch als Duettpartnerin mehr freuen soll (Patty Griffin, Emmylou Harris und Patty Loveless sind auch geladene Gäste). Ach ja, David Rawlings zupft natürlich auch noch mit!

    Also, was bleibt einem übrig: Blindkauf, und dann eben sofort Skepsis, ob die Freude nicht zu vorschnell war. Das kann doch nicht gut gehen, zuviele Köche etc. Tatsächlich war ich beim ersten Durchgang etwas ernüchtert, weil das Album letztlich dann doch einfach als eine weitere Solomon Burke-Platte schien, der er mit seiner Stimme dermaßen den Stempel aufdrückt, dass die Frage nach den Arrangements, ob nun Memphis oder Nashville, ziemlich nebensächlich ist.

    Beim zweiten Durchgang gefallen dann bereits die warmen, live-sessionartig klingenden Arrangements sehr, es klingt weniger ausgefeilt als „Don´t Give Up On Me“, wo Joe Henry ja wegen des faszinierenden Soundgerüsts eigentlich mit auf das Front-Cover gehört hätte und m.E. der umwerfende Titelsong leider seinen übermächtigen Schatten auf alle nachfolgenden Songs (auch die guten) wirft. Die Sorgfalt des Produzenten von „Nashville“ lag hingegen eher in der Überlegung, was man wohl alles besser weglassen sollte. Etwa beim schönen Einstieg mit Tom T. Halls Klassiker „How I Got To Memphis“, bei dem Burke nur von Akustikgitarre und Standbass begleitet wird.

    Nachfolgende Hörrunden haben mir dann doch gezeigt, dass hinter Burke´s dominantem Soul ziemlich viel Country steckt: das tolle Duett mit Emmylou Harris „We´re Gonna Hold On“ (und das, obwohl ich ihrer Stimme eigentlich eher neutral bis skeptisch gegenüber stehe) etwa knüpft an die klassischen Country-Paarläufe im Stil von George Jones & Tammy Wynette oder Loretta Lynn & Conway Twitty an, aber natürlich im zeitgemäß eleganterem Roots-Gewand.
    Ein weiterer Höhepunkt ist das Duett mit Dolly Parton „Tomorow Is Forever“, das mich zur Erkenntnis bringt, dass Dolly´s Stimme im Alter tatsächlich noch an Ausdruckskraft und insbesondere Soul gewonnen hat.
    Daneben gibt es auch nicht wenige Tracks, deren Country-Gehalt eher minimal ist und die einfach als groovender Roots-Rock (etwa das fiddle-getriebene „Ain´t Got You“ und „Honey, Where´s The Money Gone“) oder Soul-Ballade („Up To The Mountain“, „Millionaire“) durchgehen. Und bei „Atta Way To Go“ wird das Prinzip des beseelten Schmachters auf sehr natürlich erscheinende und also überzeugende Weise mit Countryzismen wie Mundharmonika, Steel und Mandoline gekreuzt.
    Der Schlusstrack „´Til I Get It Right“ schließlich sammelt noch mal alle Instrumente und Kräfte, um die Platte in einem ergreifenden, streichersatten und einfach wunderschönen Finale ausklingen zu lassen.

    Vorläufiges Fazit nach einer guten Woche Hörerfahrung: Das ist die Country-Platte, die auch Country-Skeptiker bedenkenlos mögen können, trotz gelgentlich aufblitzender Steel und einschlägiger Gastbeiträge. Mit 14 Tracks vielleicht etwas zu lang, aber die Songqualität erscheint mir durchweg gut bis herausragend und für Abwechslung in Tempo, Stil und Stimmung ist gesorgt. Neben Springsteen´s „Seeger Sessions“ und Candi Staton´s „His Hands“ sollte noch Platz sein für dieses eklektizistische Vergnügen, das ich bei gut und gerne **** ansiedeln würde.

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    #5363027  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

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    Die „Soullegende“ war schon Beginn seiner Karriere sehr dicht am Country. Für ihn peinlicherweise wurde er gar als vermeintlicher Countrysänger auf ein Ku-Klux-Clan-Treffen eingeladen. Country und Soul (im Besonderen Southern Soul) sind sehr nah beieiander. Siehe Penn/Oldham ,-)
    Aber schön, dass du auf die Platte hingewiesen hast.

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    #5363029  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

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    otisCountry und Soul (im Besonderen Southern Soul) sind sher nah beieiander.

    Dem würde ich nie widersprechen wollen (siehe auch die beiden „Country Got Soul“-Kompilationen, die ich mir bei günstiger Gelegenheit mal zulegen will).
    Hatte auch gelesen, dass Burke zuvor schon countryieskes aufgenommen hat. Fand es nicht weiter verwunderlich.
    Hast Du das Album schon gehört?

    Um aber mal die Cross-Thread-Verweise fortzuführen: in meinen Ohren klingt dieses Album wegen des dominanten Soul-Gesangs und der dadurch erzeugten Stimmung letztlich weniger nach Country als Kristofferson´s.

    Im übrigen hoffe ich, Du schreibst Dich schon mal warm für Deine große Penn/Oldham-Werksschau.;-)

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    #5363031  | PERMALINK

    john-the-relevator

    Registriert seit: 16.04.2005

    Beiträge: 8,118

    otisCountry und Soul (im Besonderen Southern Soul) sind sher nah beieiander. …

    Das Soul und Country eng verknüpft ist, alleine schon durch die teilweise georafische Nähe, wird auch auf folgender Compilation schön dokumentiert:

    Zu erwähnen ist auch die „Bobby Womack goes Country + Western“!

    Zwar off-topic, aber schönes Thema!!

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    #5363033  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    John The Relevator
    Zwar off-topic, aber schönes Thema!!

    Danke! Gerne mehr Tipps dazu!

    Ich stöbere seit einiger Zeit immer nach den Country-Alben von Ray Charles „modern sounds in c&w music“ Vol. 1 und 2 von 1962 , die – wenn ich das den Kritiken richtig entnehme – den angesoulten Country richtig salonfähig gemacht haben.

    --

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    #5363035  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

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    Sonic, Elvis war ein Hillbilly-Sänger, der den Country eingeschwärzt hat. Country und Soul waren in den Südstaaten nur vermeintliche Gegensätze. Burke sang „Country“ zu Beginn, so wie andere Schwarze auch in ihrer Karriere: Tex, Joe Simon, James Carr, Staton und und und. Ray Charles hat es ebenfalls sehr früh zusammengefügt. In Memphis und … waren es weiße Produzenten und Songschreiber, die schwarze Musik produzierten. Memphis liegt in Tennessee, wie Nashville! Die Schwarzen hörten Country, so wie die Weißen schwarze Musik hörten. Da gibt es unheimlich viel zu entdecken. Nur zu. Aber Vereinfachungen taugen nicht.

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    #5363037  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    Otis, dank auch Dir für die Namen.

    otis Aber Vereinfachungen taugen nicht.

    Wer wollte dem widersprechen. Was hälst Du denn für vereinfacht?

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    #5363039  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Zum Beispiel den Satzteil: „den angesoulten Country richtig salonfähig“. „Vereinfacht“ ist vielleicht nicht richtig, sondern ich halte das schlicht für Unsinn. Woher auch immer es stammt. Was war denn zu der Zeit salonfähig? Richtig, Country. Soul sicher nicht.

    Das waren nur ein paar schwarze Namen. Lies das Buch Sweet Soul Music von Guralnick, dann bekommt man einen Eindruck.

    --

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    #5363041  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    otisZum Beispiel den Satzteil: „den angesoulten Country richtig salonfähig“. „Vereinfacht“ ist vielleicht nicht richtig, sondern ich halte das schlicht für Unsinn. Woher auch immer es stammt. Was war denn zu der Zeit salonfähig? Richtig, Country. Soul sicher nicht.

    Ja, gut, Du wirst sicherlich noch mehr Sätze finden, die Dir irgendwie aufstoßen, wenn man sie kritsch genug beäugt. Bitte nicht alles so auf die Goldwaage legen und bei der Auslegung die Dir unsinnigere Variante bevorzugen.

    Was mir in Erinnerung ist: Mit Ray Charles hat doch damals – vermutlich das erste Mal – ein sehr erfolgreicher, etablierter schwarzer Soul-Musiker ein nahezu reines Country-Album mit Soul-Background eingespielt und damit Erfolg gehabt und somit einen entsprechenden Meilenstein für diese Stilkombination gesetzt. Etabliert = salonfähig gemacht. Nicht Country etalbliert, sondern eben diese Mischung von einem schwarzen Interpreten. Inklusive Charterfolg etc.
    Da ich die beiden Alben eben noch nicht gehört habe und auch noch keine einschlägigen Bücher studiert habe, drücke ich mich einstweilen noch etwas indifferenter aus.

    --

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    #5363043  | PERMALINK

    krautathaus

    Registriert seit: 18.09.2004

    Beiträge: 26,166

    Sonic JuiceIch stöbere seit einiger Zeit immer nach den Country-Alben von Ray Charles „modern sounds in c&w music“ Vol. 1 und 2 von 1962 , die – wenn ich das den Kritiken richtig entnehme – den angesoulten Country richtig salonfähig gemacht haben.

    Diese 4 CD Box hab ich schon länger im Augenschein. Liegt so bei ca. 55 Euro.

    http://www.amazon.co.uk/Complete-C-Recordings-Ray-Charles/dp/B00000C41G

    --

    “It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
    #5363045  | PERMALINK

    dougsahm
    Moderator

    Registriert seit: 26.08.2002

    Beiträge: 17,863

    KrautathausDiese 4 CD Box hab ich schon länger im Augenschein. Liegt so bei ca. 55 Euro.

    http://www.amazon.co.uk/Complete-C-Recordings-Ray-Charles/dp/B00000C41G

    36 Euro + Versand + Zoll
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    #5363047  | PERMALINK

    sonic-juice
    Moderator

    Registriert seit: 14.09.2005

    Beiträge: 10,983

    Danke auch Kraut und Doug für den hilfreichen Tipp! Werde ich früher oder später nicht dran vorbei kommen.

    Back on topic, noch ein paar nachgeschobene Gedanken zum Album, um die Zeit zu überbrücken, bis vielleicht andere „Nashville“ mal gehört haben:

    Ja, auch für Burke war Country immer schon nicht fremd. Soweit wäre der Neuigkeitswert gering. Das Bemerkenswerte an „Nashville“ scheint mir aber, dass sich hier ein Soul-Sänger ohne Scheuklappen aller – oft genug konkurrierender – Ausdrucksformen des Genres annimmt, ohne dass das Album zerrissen oder uneben klänge: vom Songwriter-Stoff eines Tom T. Hall, zum fiddle-getriebenen „Ain´t Got You“, zum schmachtenden 70er-Jahre-Country-Duett mit Harris, das die Brücke zwischen George Jones und Gram Parsons schlägt, zum besinnlich-kargen Alt.Country einer Gillian Welch bis schließlich hin zu dem durchaus gelungenen, wenn auch nicht herausragenden Mainstream-Country-Duett mit Patty Loveless „You´re The Kind Of Trouble“, das sich ohne weiteres auch auf der letzten Garth Brooks-Platte hätte wiederfinden können. Somit kann man die Platte tatsächlich gar als innovativ und modern bezeichnen, bietet sie doch durchaus neue Hörerkenntnisse und nicht nur ein unbestimmtes Retro-Wohlgefühl. Sie hätte so nur innerhalb der letzten, sagen wir mal, 10 Jahre erscheinen können. Und nur ganz wenige Große des Genres wie Willie Nelson sind mir bekannt, die einen solch schrankenlosen, vorurteilslosen und unverstellten Blick auf die Ausdrucksformen und Spielarten werfen, die das weite Feld „Country“ bieten.

    Nach dieser Überlegung tendiere ich sogar zu 4 1/2 Sternen.:-)

    --

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    #5363049  | PERMALINK

    captain-kidd

    Registriert seit: 06.11.2002

    Beiträge: 4,140

    habe es jetzt auch mal gehört. erster eindruck war okay. habe es dann doch im laden gelassen. was mich jetzt enorm ärgert. höre einige songs online. einfach geil. gleich montag in den laden stürtzen und kaufen.

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