george adams & don pullen

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  • #11904137  | PERMALINK

    vorgarten

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    ich lagere selbst mal die kurzen, sehr subjektiven notizen zu meinem hörprogramm „adams/pullen nach der gemeinsamen zeit bei mingus“ aus. habe heute etwas zeit dafür – trotzdem schon mal entschuldigung, dass ich vielleicht nicht alle diskussionsbeiträge wiederfinde oder mitnehme, ich wollte das alles nur nicht im hör-thread versenkt wissen.

    nachgeholt:

    don pullen, solo piano album (1975)

    im februar nimmt pullen sein erstes piano-solo-album auf, da waren beide noch in der mingus-band (bremen-auftritt im juli 1975). tolles programm mit den klassischen in&out-wechseln, gospel, pop, broadway, die komposition für mingus, „big alice“, alles genau so schon da wie die fast selbstzerstörerische attacke, die sich aber gegen etwas anderes richtet, nicht gegen die konventionellen genres. es ist eher ein weitertreiben der unterliegenden verzweiflung oder dringlichkeit, ein doppelter boden, der seinerseits perfekt eingezogen ist (das ganze album wirkt wie aus einem guss).

    don pullen, jazz a confronto 21 / george adams, jazz a confronto 22

    hier fängt einiges an, adams‘ leader-debüt, pullens als bandleader (von ihm gab es schon das solo-album – und die frühen sachen mit milford graves), gleiche band (+ david williams & dannie richmond), blaupause für das spätere quartett, an zwei tagen im märz 1975 in rom aufgenommen, danach waren sie nochmal mit mingus unterwegs (usa, dann europa). das pullen-album ist introspektiver, hipper, das lange solostück am ende großes kino der klaviertechniken; adams spielt mehr mit den formen, geht dabei in die tiefe, der lange blues scheint zunächst eine große spaßnummer, da bekommt sie immer längere schatten, dann versenkt er sich noch in ein saxsolo-stück, dass er dann mit der anderen hand sparsam auf dem klavier begleitet, was man zu zweit nicht besser machen könnte… adams ist mir ja immer noch ein rätsel, die gleichzeitigkeit von effekten und verzweiflung, aber pullen war ja auch nie einfach zu lesen… der rest ist großartig kickendes jazzquartett, ein glücksfall für den jazz der nächsten 15 jahre.

    aus einem schönen text über das quartet:

    It occurs to me that the Adams/Pullen band was to Mingus what Old and New Dreams was to Ornette, a sort of self-governed franchise operation (different in mission, I sense, from an explicit tribute band like Mingus Dynasty, though I’m not familiar with that catalog) in the absence of the figurehead, which in some cases seemed, almost, to achieve a liberation and depth unavailable to the bands in which those figureheads themselves featured, perhaps at the very slight expense of focus and piquant eccentricity.

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    #11904141  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen, five to go (solo, 29.7.1975)

    don pullen feat. sam rivers, capricorn rising 1975

    ging es in den karrieren von pullen und adams parallel ziemlich ab, bei pullen noch etwas mehr, rivers passt natürlich nicht so recht ins neuartige in&out-konzept, die erste seite ist heftiges free-jazz-brett, im zweiten versuchen sie sich in spiritual-jazz-2-akkord-stücken à la sanders, aber darauf hat rivers überhaupt keine lust, und alex blake und bobby battle sind auch keine feingeister. aber so komme ich auch mal dazu, die pullen-cam-box durchzuhören, das album erschien auf black saint.

    george adams, suite for swingers

    mit pullen und richmond natürlich, am bass aber überraschend david friesen, der mir hier ein bisschen zu fett im klangbild ist (die beiden stars dafür sehr weit außen, als hätten sie nichts miteinander zu tun). das ist alles hübsch, aber überhaupt noch nicht zwingend. im letzten stück wechselt pullen ans fender rhodes, da fließt dann etwas schönes zusammen. aber eine band sind sie 1976 noch nicht.

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    #11904153  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen, healing force (black saint)
    dannie richmond, jazz a confronto 25 (horo)

    beides von 1976. meinen faden aufgreifend, pullen & adams getrennt & zusammen nachzuvollziehen, post mingus, wobei mingus 1976 natürlich noch lebte. pullens solo-piano-album ist abgründig perfekt, in sich total stringent, ganz klare dramaturgie, dazwischen sinkt es aber immer wieder ab oder knallt durch, es gibt wie üblich etwas sehr getriebenes im vortrag, obwohl viele momente auch selbstvergessen schön wie ein jarrett-konzert schweben. in der richmond-band lassen es pullen und adams dagegen funktionale krachen, ohne sich da groß zu verbiegen, das ist alles sehr hübsche mingus-umlaufbahn, mit ein bisschen latin zwischendurch (akustische gitarre), und jack walrath (tp) bringt nochmal extra-schmiss mit ein. david friesen hier noch am bass, noch nicht cameron brown.
    was halt sehr auffällt: sowohl adams also auch pullen sind 1976 schon fertig, frühvollendet, man hört eigentlich ab hier nur noch variationen und schattierungen. was für mich aber keine langeweile erzeugt.

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    #11904155  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen, tomorrow’s promises (1977)

    ich greife wieder den pullen/adams-faden auf, hier das zweite atlantic-album, das um das erste von pullen (live aus montreux) herum aufgenommen wurde. das ist durchaus unter kommerziellen aspekten entworfen, mingus-produzent ilhan kemaleddin mimaroǧlu steckt die beiden jungen wilden in soul/funk/blaxploitation-formeln, in welche sie – auch das so gewollt – ihre individuellen ecken und kanten einziehen. jetzt haben beide ja keinen problem mit dem inside/outside-spiel, mit den ausbrüchen aus ernstgemeinten tighten klassischen formen, swingen tun sie von alleine, und dadurch gelingen ja immer wieder schöne aktualisierungen des mingus-konzepts, zeitgemäß in den spiritual jazz verlängert. aber durch die cleane produktion, das auffüllen mit gitarren, e-piano, percussion, randy brecker, einem r&b-song und lustigen sounds (u.a. ein paar elektronische gewitter des produzenten) entwickelt sich das eher nicht von innen heraus, sondern bleibt ein bisschen äußerliches effekt-tennis. aber das ist vielleicht zu streng, es wäre schön gewesen, wenn „big alice“ ein hit geworden wäre, wenn man pullens clavinet-spiel auf einem stück, das sich natürlich hinter hancock nicht verstecken muss, entsprechend abgefeiert hätte, der späteren popularität hat es wahrscheinlich auch nicht geschadet, aber bei atlantic ging es danach erstmal nicht weiter. ich hör das auch eher so, als würden pullen und adams die ganze zeit darauf lauern, die arrangements in kleine stücke zu hauen, und das macht großen spaß.

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    #11904159  | PERMALINK

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    don pullen, montreux concert (1977)

    à propos montreux. ungewöhnliche band (jeff berlin, steve jordan, dazu percussion), die nach langen piano-solo-exkursionen auf beiden stücken irgendwann dazu kommt, mit freundlichen grooves, einmal walzer, einmal latin. das hat natürlich nicht den drang, die dramatik, den zug zum spiritual jazz wie auf der SUITE FOR SWINGERS. ist vielmehr das, was man sich unter klaviertriojazz der späten siebziger vorstellt, mit e-bass natürlich.

    hannibal, hannibal in antibes (1977)

    im gleichen sommer, als pullen versucht, mit einem auftritt in montreux bei atlantic zu landen, beschwört george adams mit hannibal und ohne klavierbegleitung gospel, cajun, coltrane, drones und südafrikanische grooves in südfrankreich herauf. „swing low sweet chariot“ als modaler spiritual jazz, um den muskulösen bass von steve neil streicht diedre murray ihr cello wie eine trance-fiddle herum (auch interessant: murray/wadud, das war ja eine vergleichsweise ähnliche zeit und szene), dahinter poltert makaya ntshoko. das alles ist weit weg von mingus, auch wenn adams‘ flötenspiel mich durchaus an dolphy erinnert, ähnliche attacke, ähnliche sounds, die dann doch aber immer wieder knietief im r&b enden. schöne sache.

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    #11904161  | PERMALINK

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    mccoy tyner, the greeting (1978)

    leider habe ich pullens auftritte in david murray’s low-class-conspiracy-band (2 lps auf circle records, mit butch morris, fred hopkins und stanley crouch [!] als freejazzdrummer), live im bimhuis 1977, nicht mehr. schade, verliehen, nie wiederbekommen, dabei fand ich pullen dort sehr toll… also weiter mit adams, der im gleichen jahr plötzlich in tyners band (plus joe ford, as, charles fambrough, b, sunship theus, dm, guilherme franco, perc) auftaucht. die tyner-milestones kenne ich alle nicht, high energy, afrika-bezüge, aber natürlich auch „naima“, wenig raum für adams, aber die wucht passt zum rest.

    james ‚blood‘ ulmer, revealing (1990)

    dann doch nochmal das ulmer-debüt mit den aufnahmen von 1977 hinterher, weil adams hier tatsächlich sehr viel raum bekommt – und man facetten von ihm zu hören kriegt wie sonst nirgends.

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    #11904165  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen, chico freeman, fred hopkins, bobby battle, warriors (1978)

    vier freundliche krieger, pullen ist wieder zurück bei black saint, in mailand spielt er im frühjahr und im winter 1978 zwei neue alben ein. zunächst im kollektiv, obwohl die beiden kompositionen von pullen sind, 30 minuten „warrior’s dance“, 15 davon thema & pullen-solo, und dann tanzt noch ein pharao, er wird wohl eher zucken angesichts des freejazz-bretts, das die vier da veranstalten. aber es gibt auch bass-ostinati, rumpeldrums, saxquietschen und tastenabrutschen im zunächst so klassisch daherkommenden thema des langen stücks. was die vier dann in ihren soli daraus machen, bleibt ihnen überlassen. tolles interplay, freie grundhaltung, und, durchaus, humor.

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    #11904167  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windDie letzten Alben von Pullen („Tomorrow’s Promises“ und das direkt drüber) konnte ich bisher nicht knacken … lese mit und nehme das als Anregung für den nächsten Anlauf auf jeden Fall mit!

    es sind auch nicht meine lieblingsalben von ihm. aber man kann da auch gut über das fragmentarische und/oder die logische improvisation nachdenken. und ich komme endlich mal dazu, die cam-box durchzuhören.

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    #11904169  | PERMALINK

    vorgarten

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    hamiet bluiett, resolution (1978)

    „don pullen – a giant“ steht da im titel eines stücks, das album eine zusammenarbeit mehrerer riesen, eher auf der freien seite, aber es gibt auch interessante traditionsbezüge, nicht nur im kurzen gospelsnippet für mahalia jackson am ende, bei dem pullen an die orgel wechselt. im dritten stück, „head drake“, hält er eine interessante balance von harmonischer gebundenheit und kleinen dissonanzstrudeln, ich finde ihn ja immer dann am tollsten, wenn er sich genau auf diesem in/out-grat bewegt (und dabei noch tanzt).

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    #11904171  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen, milano strut (1978)

    freies duo mit moye, mit hartem einstieg, bei dem sich pullen auch nicht wundern musste, dass man ihn ständig mit cecil taylor verglich. danach aber sehr viel abwechslung, aus powerplay schält sich plötzlich eine ballade heraus, die klangforschung am ende, dem ersten arbeitgeber giuseppi logan gewidmet, hat den art ensemble spirit, völlig überraschend aber ist das titelstück, mit orgel und -bass und piano-stützakkorden als overdub, bei dem pullen und moye ein bisschen soulfunk zaubern, vage an „the look of love“ angelehnt. freigeist und orientierungslosigkeit, typisches black-saint-ausprobier-set, ein riesiges arsenal voller potenzial, das aber recht aufreizend brach liegt, weil sich niemand was beweisen muss. und gute produzenten gab es damals nicht, die daraus was gemacht hätten.

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    #11904175  | PERMALINK

    vorgarten

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    george adams, sound suggestions (1979)

    asdfjkloe

    vorgarten george adams, sound suggestions (1979)

    sehr gute „suggestion“! Ein für ECM besonderes Album…

    wahrscheinlich das einzige, auf dem jemand blues singt… habe gerade nochmal das video mit beirach angesehen, in dem er sich an die aufnahmen erinnert, da wird deutlich, dass eicher george adams wirklich mochte und dann kenny wheeler bat, für ihn zu arrangieren. dadurch ist es ja auch ein besonderes george-adams-album geworden, das für mich nicht in allen punkten funktioniert.

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    #11904179  | PERMALINK

    vorgarten

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    mingus dynasty, chair in the sky (1979)

    kompetenter gedenkgottesdienst und museumsarbeit, don pullen sitzt am klavier, steigt danach aber wieder aus. witzigerweise ist in der „new generation“ der dynasty anfang der 90er dann george adams kurz dabei.

    don pullen, joseph jarman, don moye, the magic triangle (1979)

    zum ersten mal im player, fantastisches album. ein wilder ritt, aber don pullen läst sich hier kongenial auf die abrupten genre-wechsel und collagen des 2/5-art-ensembles ein, singt blues, beschwört ein „lonely child“ in gedichtform, im letzten stück kämpfen solo wüste klavierattacken und ein balladenthema gegeneinander, und erst, als die ballade gewinnt, steigen moye und jarman ein. jarman ist grandios hier, von anfang bis ende, der mann hat einen plan und etwas zu sagen, geheimnis und haltung, in vielen zungen. das ist mal so ein beispiel, wo drei geniale querköpfe ein viertes ergeben, das über die reine summe hinausgeht.

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    #11904181  | PERMALINK

    vorgarten

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    cecil mcbee, alternate spaces (1979)

    don pullen zu gast auf mcbees zweitem album, bei dem der auf india navigaton an seine mitt-60er bei blue note anschließt. auch sonst sind einige von pullens freunden dabei, chico freeman, der mingus-band-kollege joe gardner (der scheinbar nur in den 70ern aufgenommen hat, schade eigentlich), und don moye. schönes album, gute kompositionen, kein plattes entertainment, es greift keine erfolgsformel auf (funk, spiritual jazz, klassizismus), es setzt seine eigene stimmung. wenig soloraum für pullen, der an einem verstimmten klavier schöne akkorde verschenkt, nur einmal etwas zu schnell in seinen trademark-wisch-clustern landet.

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    #11904183  | PERMALINK

    vorgarten

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    don pullen/ george adams, all that funk / more funk (1980/81)

    so fängt das an. pullen und adams und richmond haben cameron brown gefunden, spielen am 2.11.1979 im mailänder club „ciak“, gehen am gleichen und am folgetag ins studio für soulnote, und fertig ist einer der tollsten jazz-acts der 80er. live mitgeschnitten wird das für das kurzlebige label palcoscenico (insgesamt 9 alben, also 7 neben diesen beiden hier) und da ist man dann in ägypten und sieht den pyramiden beim bau zu. 23 minuten „big alice“, eine der tollsten playing-kompositionen der jazzgeschichte, das es leider nicht auf MINGUS MOVES geschafft hat, jetzt aber endlich zum trademark-song werden kann. brown/richmond bleiben unbeirrt im hardbop hängen, während adams und pullen ihr in/out-spiel perfektionieren, lauter explosionen, deren trümmer sich auf dem boden wieder neu verbinden. eigentlich tiefmelancholisch und zwischendurch sehr wütend, aber in dem balance-akt wird eine show daraus. adams hat die haltung und den soul dafür, pullen ist genialischer: ein ständiges umschalten zwischen ryhthmisch präzisen singlenotes, wie von einer irren spieluhr abgesondert, und den attacken, die über die tastatur gewischt werden und ebenso präzise immer auf dem richtigen akzent landen, aber wie die beiden noch die handfeste emotionalität und verletztlicheit hinbekommen, so ganz nebenbei, ist ein großes rätsel. hier öffnet sich was, was man im jazz dieser zeit nicht mehr für möglich gehalten hätte, das aber vorher auch nicht möglich war.  god bless the child that got his own.

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    #11904187  | PERMALINK

    vorgarten

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    clasjaz

    vorgarten pullen und adams und richmond haben cameron brown gefunden

    So ist es. Einfach nur ein schmerzlicher Dank für all das, was Du zu Don Pullen und den guten anderen sagst. Ich habe eine lange Zeit Don Pullen gehört; im Moment habe ich Schiss vor ihm. Er ist sehr klug.

    ja, auf jeden fall ist er ziemlich furchterregend, das, was man wertschätzend ein „monster“ nennt. war mir aber noch gar nicht bewusst, dass du dich auch mal mit pullen beschäftigt hast. interessant. gibt es eine lieblingsaufnahme, clasjaz?

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