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Anonym
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@irrlicht: Schöne Beschreibung, fand den auch besser als man vielerorts lesen musste. „Cinderella“ aus dem Folgejahr mochte ich aber noch ein wenig mehr.
Selbst:
Keine neuen Infos zwar, aber viel schönes Bildmaterial und tolle dreißig Minuten aus dem Shea Stadium.
Was mich wie so oft beeindruckt hat, war eher das, was nicht da war. Ständig kreisten irgendwelche Gedanken um diverse Anekdoten aus der Zeit, die dieser Dokumentarfilm umfassen soll, in meinem Kopf herum. Immer wieder musste ich mich daran erinnern, dass der Fokus auf den „Touring Years“ liegt und dass keine Zeit der Kinowelt reichen würde, mich in Bezug auf Informationsgehalt zufriedenzustellen.
Wie für Tausende andere, waren auch für mich die Beatles Türoffner und erste Wegbereiter im Nachgehen von dem, was sich als meine größte Passion herausstellen sollte. Ich kann im Gegensatz zu einigen anderen hier nicht einmal benennen, wann ich mit der Band konfrontiert bzw. zu meinem Glück gezwungen wurde.“ Sgt. Pepper’s“ war die erste, dann kam die blaue Compilation und schließlich von einem Freund meines Vaters eine dieser ominösen CDs, die, wunderbar komprimiert, alle Aufnahmen der Beatles beinhaltete. Natürlich hatte ich damals keinen Computer (oder gar ein eigenes Zimmer), also hörte ich mir die CD immer wieder auf meinem Discman, oder wie die Teile hießen, an, ohne immer genau zu wissen, was gerade lief. Später mit PC kam dann, auch durch diese neue Errungenschaft begünstigt, der Fokus auf Alben – davor hatte ich mich vorwiegend an einzelnen Tracks erfreut. Gemeinsam mit der Entdeckung vom englischen Wikipedia und dem riesigen Vorteil, wonach jeder Artikel mit Beatles-Bezug im Gegensatz zu jenen der meisten anderen Bands schon unglaublich ergiebig war, war das Album auch schon bald das einzig wahre Medium für mich. Unzählige Stunden wurden mit Lesen gebracht. Zum ersten Mal erkannte ich, dass Musik eben nicht nur Hören, sondern auch Verstehen war. Hintergründe, Banalitäten oder Anekdoten von Lennons Vater – alles wurde gierig aufgesaugt und ich hatte das Gefühl, bei jedem dieser Momente dabeigewesen zu sein. Die Welt der Beatles, das war meine.
Später änderte und relativierte sich einiges, an der Liebe zu diesem Quartett kann sich in diesem Leben wohl kaum was ändern. Ich sehe zwar nicht mehr alles durch die Beatles-Brille was Innovationsgeist und Einzigartigkeit anbelangt, habe viel kennengelernt, das der Band in vielerlei Hinsicht mindestens ebenbürtig ist, aber auch abseits von Nostalgie und unverbesserlicher Verklärung zählen die vier zu jenen wesentlichen Faktoren, die mich in meiner Entwicklung entscheidend beeinflusst haben (Allein der kindische Humor vom Film „Help!“ – den ich als einziger in der Klasse aufmerksam beäugt habe -, der mich durch meine Jugendjahre begleitete). Gerade seit meiner Ankunft im Forum habe ich vieles immer wieder hinterfragen müssen, was vorher praktisch unantastbar war. Auch das war eine sehr wichtige neue Erfahrung für mich. Aber selbst Leute, die ich hier unglaublich schätze, konnten mir den Sergeant mit all seinem Kirmes-Geblödel nicht verderben – auch wenn ich mittlerweile einige Argumente gegen ihn und die Band nachvollziehen kann.
Ich bitte um Verzeihung, dass dieser Beitrag nahezu komplett OT ausfällt und auch noch reichlich mit Pathos ummantelt ist, aber das musste raus. Denn hätte ich den Film heute nicht gesehen, wären die ganzen Gefühle, die teilweise schon über ein dutzend Jahre in mir wohnen, nicht wieder aufgebrodelt und hätten mir im Kino nicht die eine oder andere Träne entlockt (Gott sei Dank war der Typ neben mir auch sichtlich ergriffen). Ich möchte, zum Thema zurückkehrend, letztlich also eine Lanze brechen für einen Dokumentarfilm, der bestimmt nicht nur mich erfolgreich auf einer (viel zu kurzen) Reise durch die Vergangenheit zu begleiten vermag, meine Begeisterung vor allem für die Restauration des Shea-Gigs untermauern und mich für all das stille Mitleid, das mir wegen einiger Aspekte (Sgt. Pepper’s, die auditive Qual der digitalen Trackdateien auf der komprimierten CD u.a.) womöglich zuteil wird, bedanken.
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