Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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  • #9953481  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,215

    Maleficent (Robert Stromberg, 2014)

    Ich dachte lange, es handle sich bei „Maleficent“ um ein „Snow White and the Huntsman“-Sequel, aber den Unterschied zwischen Schneewitchen und Dornröschen darf man dann doch kennen. Entgegen letzterem hat mich dieses Regiedebut sofort für sich eingenommen – die Dialoge sind zwar auch hier oft grobschlächtig, das Ausrollen der Storyline bisweilen klischeehaft, schnell und hektisch (ich hätte nichts dagegen eingewendet, wenn sich der Film eine Stunde mehr Zeit genommen hätte) und die Personenzeichung dadurch – abseits des fantastischen Dreierensemble Riley/Purnell/Jolie – eher nebensächlich, dennoch: „Maleficent“ entwickelt einen magischen Sog, sieht absolut fantastisch aus, berührt und macht auch sonst eine ganze Menge richtig. Es ist gut, dass es hier nur am Rande um große Schlachten geht – vieles ist ganz ruhig erzählt, lebt enorm von den Dynamiken der Hauptfiguren, oft nur von Jolie als stolzer und enorm präsenter Herrin der Moore. Und eben vom visuellen Ansatz, der einfach für sich einnimmt.

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    #9953859  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    @irrlicht: Schöne Beschreibung, fand den auch besser als man vielerorts lesen musste. „Cinderella“ aus dem Folgejahr mochte ich aber noch ein wenig mehr.

    Selbst:

    Keine neuen Infos zwar, aber viel schönes Bildmaterial und tolle dreißig Minuten aus dem Shea Stadium.

    Was mich wie so oft beeindruckt hat, war eher das, was nicht da war. Ständig kreisten irgendwelche Gedanken um diverse Anekdoten aus der Zeit, die dieser Dokumentarfilm umfassen soll, in meinem Kopf herum. Immer wieder musste ich mich daran erinnern, dass der Fokus auf den „Touring Years“ liegt und dass keine Zeit der Kinowelt reichen würde, mich in Bezug auf Informationsgehalt zufriedenzustellen.
    Wie für Tausende andere, waren auch für mich die Beatles Türoffner und erste Wegbereiter im Nachgehen von dem, was sich als meine größte Passion herausstellen sollte. Ich kann im Gegensatz zu einigen anderen hier nicht einmal benennen, wann ich mit der Band konfrontiert bzw. zu meinem Glück gezwungen wurde.“ Sgt. Pepper’s“ war die erste, dann kam die blaue Compilation und schließlich von einem Freund meines Vaters eine dieser ominösen CDs, die, wunderbar komprimiert, alle Aufnahmen der Beatles beinhaltete. Natürlich hatte ich damals keinen Computer (oder gar ein eigenes Zimmer), also hörte ich mir die CD immer wieder auf meinem Discman, oder wie die Teile hießen, an, ohne immer genau zu wissen, was gerade lief. Später mit PC kam dann, auch durch diese neue Errungenschaft begünstigt, der Fokus auf Alben – davor hatte ich mich vorwiegend an einzelnen Tracks erfreut. Gemeinsam mit der Entdeckung vom englischen Wikipedia und dem riesigen Vorteil, wonach jeder Artikel mit Beatles-Bezug im Gegensatz zu jenen der meisten anderen Bands schon unglaublich ergiebig war, war das Album auch schon bald das einzig wahre Medium für mich. Unzählige Stunden wurden mit Lesen gebracht. Zum ersten Mal erkannte ich, dass Musik eben nicht nur Hören, sondern auch Verstehen war. Hintergründe, Banalitäten oder Anekdoten von Lennons Vater – alles wurde gierig aufgesaugt und ich hatte das Gefühl, bei jedem dieser Momente dabeigewesen zu sein. Die Welt der Beatles, das war meine.

    Später änderte und relativierte sich einiges, an der Liebe zu diesem Quartett kann sich in diesem Leben wohl kaum was ändern. Ich sehe zwar nicht mehr alles durch die Beatles-Brille was Innovationsgeist und Einzigartigkeit anbelangt, habe viel kennengelernt, das der Band in vielerlei Hinsicht mindestens ebenbürtig ist, aber auch abseits von Nostalgie und unverbesserlicher Verklärung zählen die vier zu jenen wesentlichen Faktoren, die mich in meiner Entwicklung entscheidend beeinflusst haben (Allein der kindische Humor vom Film „Help!“ – den ich als einziger in der Klasse aufmerksam beäugt habe -, der mich durch meine Jugendjahre begleitete). Gerade seit meiner Ankunft im Forum habe ich vieles immer wieder hinterfragen müssen, was vorher praktisch unantastbar war. Auch das war eine sehr wichtige neue Erfahrung für mich. Aber selbst Leute, die ich hier unglaublich schätze, konnten mir den Sergeant mit all seinem Kirmes-Geblödel nicht verderben – auch wenn ich mittlerweile einige Argumente gegen ihn und die Band nachvollziehen kann.

    Ich bitte um Verzeihung, dass dieser Beitrag nahezu komplett OT ausfällt und auch noch reichlich mit Pathos ummantelt ist, aber das musste raus. Denn hätte ich den Film heute nicht gesehen, wären die ganzen Gefühle, die teilweise schon über ein dutzend Jahre in mir wohnen, nicht wieder aufgebrodelt und hätten mir im Kino nicht die eine oder andere Träne entlockt (Gott sei Dank war der Typ neben mir auch sichtlich ergriffen). Ich möchte, zum Thema zurückkehrend, letztlich also eine Lanze brechen für einen Dokumentarfilm, der bestimmt nicht nur mich erfolgreich auf einer (viel zu kurzen) Reise durch die Vergangenheit zu begleiten vermag, meine Begeisterung vor allem für die Restauration des Shea-Gigs untermauern und mich für all das stille Mitleid, das mir wegen einiger Aspekte (Sgt. Pepper’s, die auditive Qual der digitalen Trackdateien auf der komprimierten CD u.a.) womöglich zuteil wird, bedanken.

    --

    #9953871  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

    Registriert seit: 08.07.2007

    Beiträge: 31,215

    Das geb‘ ich aber gerne zurück. Was für ein schöner und detailierter Einblick in vieles, was Musik mit einem anstellen kann. Ich bin alles andere als ein Beatles Kenner, aber man spürt das Herzblut in Deinem Beitrag und das macht neugierig.

    --

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    #9953877  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,905

    GrievousAngel[…]
    Ich bitte um Verzeihung, dass dieser Beitrag nahezu komplett OT ausfällt und auch noch reichlich mit Pathos ummantelt ist, aber das musste raus. […]

    Wer im Kino noch Tränen in den Augen hat, darf das jederzeit!

    --

    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #9953881  | PERMALINK

    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

    Beiträge: 8,829

    @GrievousAngel,
    habe deinen Beitrag gerne gelesen… :-)
    Sehr schön geschrieben.

    #9954261  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Vielen Dank, Leute! :-)

    --

    #9954655  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 36,905

    Selber:

    Coen/Coen – Hail, Caesar!

    --

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    #9954813  | PERMALINK

    klimoff

    Registriert seit: 17.07.2016

    Beiträge: 138

    „Kis Uykusu – Winterschlaf“ (Nuri Bilge Ceylan) ****
    „Anomalisa“ (Duke Johnson, Charlie Kaufman) ***1/2-****
    „Tian zhu ding – A Touch of Sin“ (Zhangke Jia) ***1/2
    „Pan“ (Joe Wright) ***-***1/2
    „Love“ (Gaspar Noé) ***
    „Hross í oss – Von Menschen und Pferden“ (Benedikt Erlingsson) ***
    „Room“ (Lenny Abrahamson) ***
    „BFG“ (Steven Spielberg) **1/2-***
    „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“ (Michael Bay) **1/2-***
    „Jason Bourne“ (Paul Greengrass) **1/2
    „Jane Got a Gun“ (Gavin O’Connor) *1/2

    --

    #9955059  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Die Beatles nicht zu lieben ist unmöglich (und wenn dann nur eine Pose), trotzdem kann ich mich für ihre Live-Auftritte nur mäßig begeistern. Am Interessantesten ist es noch, wenn John Lennon in seine spastischen Zuckungen verfällt oder dem Publikum ironisch für „being so wonderful“ dankt. Gibt es trotzdem einen Grund „Eight Days A Week“ zu sehen? :-)

    --

    #9955617  | PERMALINK

    hotblack-desiato

    Registriert seit: 11.11.2008

    Beiträge: 8,595

    When Harry met Sally

    Perfekt.

    --

    ~ Mut ist, zu wissen, dass es weh tun kann und es trotzdem zu tun. Dummheit ist dasselbe. Und deswegen ist das Leben so schwer. ~
    #9955633  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Harry Rag
    Gibt es trotzdem einen Grund „Eight Days A Week“ zu sehen?

    Ist ja nicht so, als wäre „Eight Days A Week“ ein Konzertfilm. Ich befürchte halt, dass du, wenn dir die Beatles so viel bedeuten, ebenfalls nichts Neues hören würdest – außer vielleicht Whoopi Goldbergs lobpreisende Worte. Aber wer die Beatles wirklich liebt, wird die Gelegenheit sowieso nutzen wollen, seine Helden auf der Leinwand zu sehen, behaupte ich mal ganz frech. :-)

    --

    #9955639  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    GrievousAngel

    Harry Rag Gibt es trotzdem einen Grund „Eight Days A Week“ zu sehen?

    Ist ja nicht so, als wäre „Eight Days A Week“ ein Konzertfilm. Ich befürchte halt, dass du, wenn dir die Beatles so viel bedeuten, ebenfalls nichts Neues hören würdest – außer vielleicht Whoopi Goldbergs lobpreisende Worte. Aber wer die Beatles wirklich liebt, wird die Gelegenheit sowieso nutzen wollen, seine Helden auf der Leinwand zu sehen, behaupte ich mal ganz frech.

    Im Interview mit dem Regisseur las ich, dass Paul McCartney höchstpersönlich unveröffentlichtes Material für den Film freigegeben haben soll. Das würde mich schon interessieren, gerade weil ich ein Beatles-Fan bin. Mir aber zum hundertsten Mal die Beatlemania durchdeklinieren zu lassen, wäre schon ermüdend.  :-)

    --

    #9959457  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 66,996

    Zweimal am Zurich Film Festival gewesen, zwei ziemlich gute Dokumentarfilme gesehen:

    Borderland Blues (Gudrun Gruber, CH 2016)

    Do Not Resist (Craig Atkinson, USA 2016)

    Grubers Film dokumentiert die Thematik der illegalen Grenzübergänge in einem kleinen Teil von Arizona, geht mit rechten Paramilitiärs auf Patrouille, begleitet eine NGO-Mitarbeiterin beim Deponieren von Wasser und Nahrungsmitteln etc. Ein karger, zurückhaltender Film, dem es gelingt, die verschiedenen Positionen aus ihrer jeweils eigenen Warte zu präsentieren bzw. sie sich selbst entlarven zu lassen.

    Atkinsons Film (aus dem ich gerade komme) ist ein eindrücklicher Versuch, die Belagerung der USA durch die zunehmende Militarisierung der Polizeikräfte zu dokumentieren, die frei Haus (ha!) mit Ausrüstung beliefert werden, die sonst bei der Army Verwendung findet – ein schleichender Prozess mit beängstigenden Folgen. Und ein sehr guter Film, der natürlich – viel stärker als Grubers Film – Stellung bezieht. Aber man muss auch echt bekloppt sein oder – wie viele Politiker und Apparatschiks, die zu Worte kommen – auf der Gehaltsliste der Rüstungsindustrie stehen. Der MIC lebt (und der MDC, der bei Gruber auch vorkommt, es gibt Aufnahmen von einer, ähm, „Sicherheit“smesse, wo es um Überwachungssysteme geht, wie sie auch in Atkinsons Film gezeigt werden … „wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, hat halt kein Anrecht auf Datenschutz oder gar Privatsphäre – so simpel ist das im freiheitlichen Faschismus).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #9959635  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Firecracker
    (Regie: Steve Balderson – USA, 2004)

    Wamego, Kansas in den 60iger Jahren. Jimmy (Jak Kendall), jung und sensibel, hat sich selbst das Klavierspielen beigebracht und ist äußerst verhalten anderen Menschen gegenüber. Zuhause leidet er nicht nur unter der religiös fanatischen Mutter (Karen Black) und dem geistesabwesenden Vater, sondern vor allem unter dem gewalttätigem Bruder David (Mike Patton), der ihn tyrannisiert und misshandelt. Als ein Jahrmarkt in die Stadt zieht, ist Jimmy von den bunten Farben und grellen Lichtern fasziniert. Hier erblickt er die mysteriöse Sängerin Sandra (Karen Black), die seiner Mutter zum verwechseln ähnlich sieht. Sie begeistert ihn und er wünscht sich zusammen mit ihr und dem Rummel die Stadt zu verlassen. Doch auch Bruder David ist Attraktion Sandra nicht entgangen. Bereits letztes Jahr kam er ihr nahe und auch dieses Mal will er sie wieder haben. Sandra allerdings würdigt ihn keines Blickes. Als der Jahrmarkt schließlich weiterzieht, ist mit ihm nicht Jimmy, sondern sein Bruder David verschwunden. Die Dorfpolizistin Ed (Susan Traylor) ist misstrauisch und stellt Nachforschungen an.

    Drei Texttafeln, darauf große nüchterne Lettern, leuchten auf und weisen umstandslos darauf hin, dass der Zuschauer nun Zeuge einer Tragödie wird. Nach wahren Ereignissen, die sich in der Welt vor der Leinwand zugetragen haben. Und schon folgt die Kamera einem männlichen Schemen, einer Erscheinung, die die schwarzweiße Kinowelt des Kleinstadtamerikas der 1960er an sich vorbeirauschen lässt, weil er unwiderruflich einem Ort zustrebt, diesem entgegenhetzt – getrieben, gepeinigt. Die Kamera hat Mühe mit ihm Schritt zu halten und holt ihn erst auf den letzten Metern ein. Die Sonne gleißt, die Szenerie ist überbelichtet und wenn dieser junge Mann dann doch endlich zu fassen ist, verschluckt die Schwärze eines Schuppens und das Geheimnis darin sein gesamtes Universum, und hinterlässt ein schwarzes Loch auf der Leinwand, das auch beharrlich an den Rändern der Realität des Publikums nagt.
    Die nächste Aufblende setzt für kurze Zeit alles wieder in den idyllischen Normalzustand zurück, den man aus Hollywood gewohnt ist: Die Dinge gehen ihren gewohnten Gang in Smalltown, USA. Arbeiter arbeiten, die Sheriffs zeigen Präsenz und junge Lausbuben hängen ihren Flausen nach. Regisseur und Drehbuchautor Steve Balderson fängt präzise den Look der vermeintlichen Unschuld ein. Doch der Zirkus kommt in die Stadt. Und mit den Freaks, den Clowns, den Artisten und deren Zuhältern zieht auch die Vergangenheit ein, welche man längst unters Trottoir gekehrt glaubte.
    Um nicht in diesem staubigen Spießerstilleben zu ersticken, bleibt für einen Jungen, der sich mehr vorstellen kann, als den ganzen Tag zu arbeiten und sich danach zu betrinken, ein Ausflug in die Welt des fahrenden Volkes unumgänglich. Die Anziehungskraft der Freak-Karawane schillert in kräftigen Farben, vielleicht ist sie gar kein wirklicher Ort, sondern nur das Spiegelbild (oder Spiegelkabinett?) des „realen“ Ortes im Nirgendwo von Kansas. Visuell ist das ein krasser Gegensatz zu den ersten Minuten des Films und Balderson wird diese Zweiteilung auch beibehalten. So wie auch Mike Patton und Karen Black Doppelrollen innehaben, die man als getrennte Figuren in der Wirklichkeit von „Firecracker“ sehen kann, oder sie als Ausformungen und Projektionen der Charaktere aus dem schwarzweißen Teil des Films erlebt. Leider wirkt die Gestaltung über weite Strecken etwas willkürlich; vor allem der farbgewaltig strudelnde Karneval wirbelt oft nur als greller Tupfer, der die üblichen Abläufe des menschlichen Dramas interessantristisch aufhübschen muss, über die Leinwand. Die Schwarzweißfotografie wandelt sich jedoch stets und verlässt die heuchlerische Kleinstadtschraffur, um ihr Glück in hitzeflirrenden Westerneinstellungen zu suchen, sich aber schließlich und endlich dem abseitigen und unheimlichen Amerika geschlagen geben muss, welches Alfred Hitchcock in „Psycho“ und George A. Romero in „Night of the Living Dead“ zu bebildern wussten. Manchmal wähnt man auch die Klassiker des deutschen Expressionismus nicht weit; hier hat das Familiendrama deutliche Horroruntertöne. Vermutlich brachte dies einige der Kritiker zu dem allseits beliebten und ziemlich ausgelutschten Vergleich mit David Lynch, der in seinen Filmen auch die pittoresken Kleinstädte zum Ausgangspunkt für seine verschrobenen und morbiden Alltagsdekonstruktionen bestimmt.
    Im Finale gelingt es Balderson dann doch noch die Farbenwelt des Zirkus aus der Staffage zu lösen und sie endlich zu einem gleichwertigen Teil von „Firecracker“ zu machen. Mit jedem Faustschlag und jedem Fußtritt, den eine der Hauptfiguren einstecken muss, weicht die Farbe aus dem Requiem der Zukunftsträumereien, bis sie im rücksichtslos gleichgültigen Grau der Kleinstadt erstarrt. Das Leben und die Toten sind nivelliert, alle Hoffnungen zerstört – und so können die Dinge wieder ihren Lauf nehmen.
    Karen Black meistert ihre Rolle gewohnt leicht und beiläufig, sie stellt unumstritten das schauspielerische Zentrum der zweiten Regiearbeit von Steve Balderson dar. Mike Patton dagegen, ist vor allem Musiker (z.B. bei Faith No More) und keineswegs ein Schauspieler. Seine Fettnäpfchen sind zahlreich und auch wenn Overacting und hölzernes Chargieren durchaus zu seiner Figur passen, bleibt er unglaubwürdig und grimassiert wild vor sich hin – zumindest als Direktor der Freakshow. Den anderen Teil der Doppelrolle gestaltet er dezenter, ohne hier einen konsistenten Charakter erschaffen zu können oder die Füße auf den Boden zu bringen.
    Natürlich verhält sich diese True-Crime-Geschichte wie auch alle anderen True-Crime-Geschichten zur vermeintlichen Wirklichkeit: Die Geschichte ist ausgeschmückt und zugespitzt, ihr Personal verdichtet und aufgehübscht. Steve Balderson gibt das als Allererster zu. Vergessen wir einfach kurz diesen Taschenspielertrick, der billige Gänsehäute im praktischen Dutzend zum Trocknen in die Sonne hängt, und betrinken uns an den Seufzern der prächtigen Schwarzweißeinstellungen, den Knalleffekten des Zirkus und der Mitleidslosigkeit in Baldersons Familientragödie. Denn: „You are about to witness a tragedy.“ Step right up!

    Trailer

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    #9960693  | PERMALINK

    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

    Beiträge: 8,829

    Gestern Abend im Kino:

    Don’t Breathe (Regie: Fede Alvarez – USA, 2016)
    Es ist ein sehr gut gemachter Thriller.
    Detroit. Drei Jugentliche brechen in ein Haus ein, das einem blinden
    ehemaligen Soldaten gehört. Der Film erzählt den Kampf ums Überleben
    innerhalb des Hauses. Ach ja, einen bösen Hund gibt es auch noch.
    Einer der wenigen Sätze des Soldaten: „Gott? Es gibt keinen Gott.“
    Story, Regie und Schauspieler sehr gut, Film ist daher empfehlenswert.
    Anschauen!

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