Re: Welche Eurer Musik mochten Eure Eltern?

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zappa1
Yellow Shark

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Meine Eltern waren Jahrgang 1931 und 32. Aufgewachsen sind beide in einem gottverlassenen Nest irgendwo im Grenzgebiet zwischen Niederbayern und der Oberpfalz. 1953 haben sie geheiratet und sind nach München, 1960 gesellte ich mich dann dazu.

Natürlich waren sie in erster Linie mit Volksmusik sozialisiert, mit wirklicher Volksmusik, all die alten Lieder und Gstanzln, die heute keiner mehr kennt. Meine Mutter hat auch selbst Akkordeon gespielt. Diese Musik war deshalb bei uns immer präsent und hat auch mich geprägt, echte Volksmusik höre ich selbst auch heut noch gerne und viel.

In den 50ern kamen dann natürlich die Schlager dazu, meine Mutter war ihr Leben lang in Vico Torriani verliebt, mein Vater hörte gerne Sachen wie Glenn Miller oder Billy Vaughn und wir hatten einige Shellacks aus dieser Zeit, Valente, Peter Alexander, Friedel Hensch und die Cyprys usw.
Auch Musik, die mich geprägt hat und ich bis heute schätze.

In meiner Kindheit dann war der Radio der Mittelpunkt, da habe ich schon früh zusammen mit meiner Mutter die „Schlager der Woche“ am Freitag gehört und diverse andere Sendungen. Als die Musik dieser Sendungen dann allmählich immer „englischer“ wurden, hat ihnen wohl anfangs nicht so sehr gefallen und über meine Begeisterung waren sie sicher ein wenig erstaunt, aber sie ließen mich da machen.

Als ich dann so ab 1970 mich intensiver mit Musik beschäftigt habe, waren sie wohl anfangs auch etwas verstört, wenn ich mich „Whole Lotta Love“ oder „Child In Time“ daher kam, aber irgendwie fanden sie es auch interessant.
Vor allem dann so Sachen wie Kraftwerk hat zumindest meinen Vater ziemlich fasziniert.

Ich konnte in dieser Hinsicht immer hören, was ich wollte, sie haben mir da nie Vorschriften gemacht.
Als ich mit 13 in mein erstes Konzert wollte (Suzi Quatro), ist meine Mutter sogar mitgegangen, weil ich sonst nicht reingekommen wäre, das werde ich ihr nie vergessen.

Größtenteils haben sie mit meiner Musik wohl nicht allzuviel anfangen können, besonders, als dann Zappa in mein Leben trat, aber sie waren immer interessiert. Mein Vater ging dann auch öfter mal mit in ein Konzert (Mercedes Sosa, Joan Baez, Konstantin Wecker etc.), das fand ich recht cool.

Bei uns war sowieso immer Open House. Nachdem es bei den meisten meiner damaligen Freunde nicht so ging, war bei uns zuhause meistens die Bude voll, meine Eltern mochten das und auch meine Freunde fanden’s immer klasse, da war eher ich manchmal genervt, wenn sie ewig im Wohnzimmer rumhingen, statt bei mir im Zimmer…

Klassik kam bei uns anfangs gar nicht vor, das habe dann ich meinen Eltern näher gebracht.

Heilig Abend ging meine Mutter immer in die Christmette, in der Zeit haben dann mein Vater und ich immer klassische Musik gehört, das waren immer sehr schöne Momente.

Ja, ich kann mich nicht beklagen, meine Eltern waren klasse, leider habe ich sie inzwischen beide nicht mehr.

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„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ (Goethe) "Allerhand Durcheinand #100, 04.06.2024, 22:00 Uhr https://www.radiostonefm.de/naechste-sendungen/8993-240606-allerhand-durcheinand-102