Antwort auf: Miles Davis

#9896379  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

Beiträge: 4,897

19. november 1969. 10 tage nach der europa-tournee schon wieder im studio. „great expectations“, „orange lady“, „yaphet“, „corrado“. shorter kümmert sich mal um sein zwischendurch neu geborenes kind, der 18jährige steve grossman springt ein, er soll sowieso nur kleine motive unisono mit miles und maupin spielen. darunter ist etwas ganz neues los, sitar und tampura und tabla und cuica, was für ein geschnurre und gekrächze. dazu jetzt ein super hippes funkschlagzeug von billy cobham, auch gerne einfach nur auf der triangel akzenturiert. der steady rockbass von harvey brooks wird plötzlich wieder von ron carter, kamikaze as usual, umspielt. und hancock ist auch wieder dabei.
eine meiner absoluten lieblingssessions, die man unbedingt laut hören muss; unfassbar schöne texturen, nichts wird dramatisiert, alles läuft, john mclaughlin kriegt noch freigang auf „corrado“, einem hendrix-jam auf drei akkorden. psychedelischer und gleichzeitig wacher hat keine band 1969 geklungen.
wie ist moreira eigentlich da rein geraten? wollte nur seine frau wieder aus new york zurückholen, ist selbst dort hängen geblieben. fand keinen anschluss bei den latin bands, dafür aber bei den jazzern – walter booker, dann plötzlich die anarchische SUPER-NOVA-SESSION von shorter, mit zawinul lief aber auch schon was. und soll dann was sinnvolles bei miles neben cobham, sitar und tabla beisteuern. ein paar jahre später gibt es kein wichtiges jazzrockprojekt mehr, dass ohne ihn auskäme.

Alles bloß zwischendurch, unbeabsichtigt und zufällig entstanden? Interessanter Gedanke.

Ich kenne die kompletten BB-Sessions nicht, sondern habe immer noch nur meine schlecht klingende BB-CD von annodunnemals. Aber immerhin kenne ich die kompletten On The Corner Sessions. Insofern meine ich, doch etwas von dem schöpferischen Prozess zu erkennen, wie Miles und Teo Macero diese Platten zusammengebastelt haben. Kein konkretes Ziel vor Augen (oder Ohren), aber irgendwie eine Richtung. Auf dem Weg sammelt man das auf, was sich ergibt und man gebrauchen kann, baut es irgendwie ein, Teo schneidet das so zusammen, das es Sinn ergibt, auch wenn man am Ende ganz woanders ankommt, als ursprünglich vorgesehen. Und der Zuhörer staunt und versteht nicht, wie man darauf gekommen ist.

Eigentlich sogar eine Art von Kreativprozess, der gar nicht so ungewöhnlich ist. Dem Ergebnis ist das manchmal gar nicht mehr anzusehen oder zu hören. But such is life.

zuletzt geändert von gypsy-tail-wind

--

„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)