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observer

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Millie Jackson – Caught up (1974, Spring Rec./Polydor)

Das wahrscheinlich beste Soul-Album, das ich in letzter Zeit kennengelernt und nun endlich auch als LP gefunden habe, ist Millie Jacksons „Caught up“ von 1974. Mit Perfektion kombiniert sie Coverversionen mit eigenen Songs zu einem großen Konzept-Album: die Geschichte einer Dreiecksbeziehung (man beachte das Cover), auf Seite 1 aus der Sicht der Liebhaberin, auf Seite 2 aus dem Blickwinkel der verlassenen Ehefrau.

Die großen Orchester-Arrangements in Isaac Hayes-Ausmaßen springen einem schon beim Eröffnungstrack „If loving you is wrong“ entgegen und Millie Jackson singt diesen, ursprünglich aus mänlicher Sicht gesungenen Song (u.a. Luther Ingram und Isaac Hayes) mit soviel Leidenschaft, das es mir Schauer über den Rücken treibt. Nahtlos gleitet es in den Spoken Word-Part „The Rap“ hinüber, in dem sie über die Vor- und Nachteile einer Beziehung zu einem verheirateten Mann spricht um dann wieder den Bogen zum Eröffnungstück zu ziehen. Wahnsinn.
In „I`m tired of hiding“ beschreibt sie dann das Treffen mit der Frau ihres Liebhabers und es beginnt das Einfordern, etwas an der Situation zu ändern.

Auf der zweiten Seite der LP wechselt Millie Jackson dann die Position und beschreibt das Scheitern der Beziehung aus der Sicht der Ehefrau: „It`s all over but shouting“. Und er geht. Ihre Zeifel, inwiefern auch sie am Scheitern der Beziehung Schuld trägt, werden tränenziehend in „I`m through trying to prove my love to you“ (ein Song von Bobby Womack) besungen und gehen über in den Versuch, nicht auch all die gemeinsamen Jahre auf den Müll zu werfen: „Do you remember the good times. I remember!“.

Auch musikalisch findet der Seitenwechsel seine Entsprechung. Die Sicht der Liebhaberin ist viel ausladender arrangiert. Das Erregende der geheimen Treffen und die Einsicht/Verzeiflung, nur die zweite Frau zu sein, spiegeln sich auch in der Musik wider. Die Sicht der Ehefrau ist zwar auch sehr orchestral angelegt, aber viel melancholischer. Bis hin zum tiefen Schmerz. Und Millie Jackson singt das alles mit soviel Leidenschaft, tief empfundener Emotion und fesselnder Dramatik, wie ich es von kaum einem anderen Album kenne.

Es gibt von dieser Platte auch zwei CD-Ausgaben. Einmal als eine um Bonustracks erweiterte Version und einmal als Twoofer mit dem Folge-Album „Still caught up“.

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Wake up! It`s t-shirt weather.