Re: soul soul soul soul

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otis
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Mikko, neuer Versuch, eben war pötzlich alles weg. Vielleicht wird es besser diesmal.

Ad1: Eine strenge Definition von Soul gibt es nicht. Im engeren Sinne ist sicher die schwarze Musik der 60er damit gemeint, im weiteren redete man auch später noch davon. Im Prinzip kommt man mit der Aussage, Soul sei die schwarze Pop-Musik der 60er ganz gut zurecht.
Aber damals gab es selbstverständlich verschiedene Strömungen, wovon die beiden wichtigsten jene des Southern Soul und jene, die durch die Musik der Firma Motown präsentiert wurde, waren.

Ad2: Ray Charles ist sicher einer der Väter des Soul, genauer des Southern Soul. Dieser zeichnet sich tatsächlich durch eine verweltlichte Gospelmusik mit einer ordentlichen Prise R&B aus, aber auch durch starke Einflüsse des Country. Die wichtigsten Label sind hier Stax, Goldwax, HI, Fame, Atlantic, Ace… Und die wichtigsten Künstler ausgehend von Charles über Sam Cooke dann Otis, Pickett, Burke, Tex, Carr, Aretha und und und. Natürlich entwickelte sich diese Musik ab Anfang der 60er ziemlich stürmisch weiter, so dass Stax ab 69 z.B. für höchst innovative Funkelemente stand, ausgehend vom hauseigenen Producer Isaac Hayes.
Im Süden gab es darüber hinaus neben Memphis und Muscle Shoals natürlich als weiteres wichtiges Zentrum des Soul New Orleans. Irma Thomas, Lee Dorsey etc sind Namen, die dort beheimatet waren.
Southern Soul war in den 60s wirklich schwarz. Er litt auf der einen Seite noch stark unter der Rassentrennung, auf der anderen gierten die Weißen natürlich auch nach einer Musik, die einerseits eine gewisse Authentizität versprach, andererseits aber auch eine gewisse moderne Musiksprache in sich trug. Crossover-Hits des Southern Soul waren selten (ich habe das jetzt nicht genau geprüft, wäre für facts dankbar), Otis‘ Dock Of The Bay war womöglich die erste No.1 in beiden Charts R&B und Pop.

Ad3: Der eher städtische Soul aus dem Hause Motown war, wie ich heute schon geschrieben habe, von vornherein auch für den weißen Markt gedacht. Es war eine urbane schwarze Tanzmusik, die das „Schwarze“ eher als Vehikel nahm, denn als genuine Ausdrucksform. Hier trifft es der Begriff „schwarze Pop-Musik“ gut. Motown hatte schon früh deutlich größere nationale und internationale Erfolge aufzuweisen als der Southern Soul. Interpreten wie Marvin Gaye, Supremes, Four Tops, Temptations, Mary Wells, Martha Reeves, Smokey Robinson etc.pp. waren schon seit 63/64 internationale Acts mit z.T. großen Hits.
Natürlich versuchten sich auch andere Labels auf diesem Gebiet, aber mit weniger großem Erfolg. Chess z.B. brachte in den 60s ebenfalls viele Soul-Singles heraus, die Mehrzahl scheint mir aber dem Southern Soul zuzurechnen, dennoch hatten sie auch große Erfolge mit eher typischen Motown-Sounds (z.B. Fontella Bass‘ Rescue me).
Die Trennung zwischen dem einen und dem anderen ist natürlich irgendwo willkürlich und auch nur als grobe Orientierung gemeint. Keinesfalls aber darf der Motown-Soul mit Northern Soul gleichgesetzt werden, was aber oben schon irgendwo stehen dürfte.

Darüber hinaus gab es, wie gesagt, sicher noch eine Menge anderer Strömungen in der schwarzen Musik, die sich unter diesen beiden Schienen kaum fassen lassen. Die von dir genannten Chambers Bros. oder auch Sly & Family Stone haben z.B. schon sehr viele weiße Einflüsse, sind ja auch ausgangs der 60s.

Ad4: Auch den weißen Blue Eyed Soul gab es unter diesem Namen damals, und das recht erfolgreich. Bands wie die (Young) Rascals wurden unter diesem Etikett vermarktet, man darf mit Fug und Recht auch Interpreten wie Dusty hinzurechnen.

Mikko, ich werde deine Fragen nicht alle beantwortet haben, aber du wirst wissen, dass es keine scharfen Trennlinien in einer so lebendigen Sache, wie die Musik es ist, geben kann, deshalb muss manches notgedrungen etwas unscharf bleiben.

Um es noch mal auf einen persönlichen Spotlight-Punkt zu bringen. Für mich waren 66/67 Four Tops, Supremes etc „normal“, als ich damals aber das erste Mal Otis, Pickett und Conley hörte, war es eine ganz neue Welt, eine mit einer ziemlichen Unbedingtheit.

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