Re: Delia Hardys LP Faves

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Adlerauge

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Joe Strummer & The Mescaleros – Streetcore

A
1. Coma Girl
2. Get Down Moses
3. Long Shadow
4. Arms Aloft
5. Ramshackle Day Parade

B
1. Redemption Song
2. All in a Day
3. Burnin‘ Streets
4. Midnight Jam
5. Silver and Gold

„I’ll tell you one thing that I know/You don’t face your demons down, you gotta grapple with ‚em Jack/And pin ‚em to the ground…

In jenem Bangles-Sommer war ich nicht im Zimmer gewesen als L. plötzlich in aller Stille starr wurde und mit Schaum auf den Lippen ohnmächtig vom Stuhl rutschte. Ich saß erst später bei ihr mit ein paar anderen Mädchen am Bett, wo man sie hingebracht hatte um sich zu erholen.

Was war passiert? Benommen lächelte sie und erklärte etwas scheu, dass sie einen epileptischen Anfall gehabt hatte und wir uns bitte keine Sorgen um sie machen sollten, so scheußlich und unvorhersehbar alles war, sie hatte sich mittlerweile damit arrangiert. War denn im Gegenzug alles in Ordnung bei uns, die keinerlei Erfahrung damit hatten? All things considered,… ja. Es dauerte jedenfalls nicht lange und wir kehrten zu unserer liebsten Beschäftigung zurück, dem Erstellen von Tapes, denn immer hatte eine einen Track in ihrem mitgebrachten Besitz, den die anderen flugs auch haben wollten.

Wenig später stürzten die twin towers ein und unsere Station wurde mit einem Fernsehverbot belegt, in Anbetracht dessen, dass wir uns ja immerhin auf Reha befanden und „die aktuelle Nachrichtenlage uns nur beunruhigen würde“. Das Ende der Kur am 23. September verstreute unsere kleine Gruppe zurück in alle Ecken des Landes und wie es seitdem bei mir habituell zu sein scheint, erreichte mich des Pudels Kern mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung.

Ob ich meinen Namen sagen könnte? Ob ich wusste wo ich war und welches Jahr wir hatten?

Schwer, mit einer zerkauten Zunge, die so intensiv nach Blut schmeckte. Ich lag im Wohnzimmer auf dem Sofa, soviel realisierte ich irgendwann,… Februar… 2002… Delia,… was für dumme Fragen, was soll das?
Nein, der Bitte liegen zu bleiben, konnte ich nicht nachkommen, wo doch alles neu arrangiert worden war, das Unten plötzlich oben lag und der Gleichgewichtsinn rotierte wie ein im Drogenrausch geeichter Kompass. Ich musste doch dringend ein paar Schritte machen um richtigen Halt zu finden und… mit etwas Anstrengung wurde ich vom Boden zurück aufs Sofa bugsiert, steif wie ein Brett, jede Faser im Gefühl einzeln gerädert geworden zu sein. Das würde einen Muskelkater geben…

Ob ich sagen könnte, was gerade geschehen war?

Minuten oder Stunden später kam schließlich der Krankenwagen. Ich wurde für ein paar Tage da behalten und schließlich wieder entlassen, mit der Ermunterung, es nicht allzu schwer zu nehmen, da 5 % aller Leute einmal im Leben von einem epileptischen Anfall übermannt werden und dann nie wieder. Kismet. Einmal ist keinmal und…

Ob ich meinen Namen sagen könnte? Ob ich wusste wo ich war und welches Jahr wir hatten? Ob ich sagen könnte, was gerade geschehen war?

Year zero.

Fast jedenfalls. Nachdem der zweite Grand Mal-Anfall Ende Oktober passiert war, geriet die Schlagzeile, dass Joe Strummer am 22. Dezember einen tödlichen Herzinfarkt erlitten hatte, zu einer Nachricht unter vielen. Ich hatte wichtigeres zu besinnen und unter der Käseglocke unter der ich mich zwischenzeitlich befand, kreiste nur der eine Gedanke unermüdlich herum, wannpassierteswiederwannpassierteswiederwannpassierteswiederwannpass…

…bis ich eines Tages in vollem Trübsinn die aktuelle New Noises einlegte, die ich jedoch nie zu Ende gehört habe, weil ich zu meiner Überraschung gleich beim ersten Track hängengeblieben bin. Coma Girl. Joe Strummer & The Mescaleros. Geradlinig. Direkt. Soulful… Stürmisch, wenngleich alles klar danach klang, dass man sich seine Schrammen schon eingeholt hatte. Ace.. Ich hörte das Stück immer wieder und immer wieder und immer wieder… und holte mir das Album dazu und da war es dann. Die Nummer Eins.

Strummer’s protagonist is living on the nether edge of reality, where the worst has already happened, he can only celebrate what’s left in the ahses (sic) of civilization, schreibt allmusic.com und es beginnt beim bereits erwähnten und auch als 7“ erschienenen „Coma Girl“, oh coma girl, and the excitment gang, Mona Lisa, on a motorcylce gang, einem Popsong ganz im Geiste von Teenage Kicks, straight from the garage.

Gefolgt vom gewaltigen Dub und der eindringlichen Aufforderung
Get down Moses, part another sea
Carve another tablet out of L.S.D. (…)
Get down Moses, we need to eat
We gotta chew it over with our wisdom teeth

Schließlich die eigentlich für Johnny Cash vorgesehene Akustikperle „Long Shadow“, dessen Schluss keine weiteren Worte braucht And if you put it all together/You didn’t even once relent/You cast a long shadow/And that is your testament

„Arms Aloft“ wäre in der berühmten besseren Welt ein 7“-Hit geworden. May I remind of that scene? Auch wenn die Sterne gerade nicht sichtbar sind, so wenig wie die Linie am Horizont, wenn alles ein repetitive strain ist. May I remind you of that scene? I’m gonna pull you up – I’m gonna pull ya round

Warum? Wofür?

All your life you dreamed a dream
Somehow connected with the silver screen
With half closed eyes you realise
It’s love in the life that is paradise

Auf zur „Ramshackle Day Parade“, every dog must have its day.

„Redemption Song“, das fast schon zärtlich interpretierte Marley-Cover, wurde ohne die Mescaleros aufgenommen und fand seinen Platz auf dem Album durch den Willen von Strummers Witwe, die darin die perfekte Verbindung zwischen A- und B-Seite des Albums und damit Recht hatte.

„Burning Streets“ und „Midnight Jam“ führen das nachtwandlerische, träumende Tempo von Ramshackle Day Parade mit halb geschlossenen Augen fort. Ersteres evoziert dabei „London’s Burning“ in den Lyrics und nimmt Stellung zum noch jungen Jahrhundert.

The century that’s hardly on its feet
And the late news brakes early
Does the sun rise from the west of from the east?

Letzteres bleibt ohne Text. Über den Jam der Mescaleros wurden Moderationsausschnitte aus Strummers Radiosendung gelegt. „All In A Day“ ist ein feiner Rocker im Stile von „Arms Aloft“ ohne dessen ganz große Geste, aber nochmals mit dem acid test, den es auch schon im Opener gab und der towing zone
East of Chavez Ravine
Where I met my Queen

…und schließlich „Silver and Gold“, einem akustisch gehaltenen Bobby Charles-Cover, im Original „Before I Grow Too Old“ betitelt, das noch einmal im kleinen zusammenfasst, was das Album im ganzen für mich ausmacht. Memento Mori. Wannwirdespassieren? Jederzeit. Was bleibt?

I’m gonna go out dancin‘ every night
I’m gonna see all your city lights
I’m gonna do everything silver and gold
And I got to hurry up before I grow too old

Ok, that’s a take.

~ * * * * *

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…because life is full of important things.