Re: Masabumi Kikuchi

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vorgarten

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ich springe wieder zurück, weil mir nun doch noch ein paar watanabe-alben mit kikuchi zugeflogen sind, die ich interessant finde, weil sie kikuchi ja zumeist in einem setting hörbar machen, das neben seinen eigenen impressionistischen exkursionen und dem fusion-sextett nochmal was drittes sind, ein professionelles nebengleis, pop & mimikry.

watanabe ist hier schon rein optisch etwas zwischen arbeiter und dandy, auf jeden fall glaube ich, dass er damals die coole socke war, die seinem outfit hier fehlt. dieses 1967 aufgenommene programm von samba-gassenhauern, „she loves me“ von den beatles und dem watermelon man ist nicht so, wie man es erwartet. ich hatte mich auf poppige glätte eingestellt, das ding ist aber sehr krawallig, watanabe mit stechendem, lauten altsaxfuror (die haben wohl wirklich alle mclean gehört damals) und einer höllischen perkussion, die neben der beachtlichen lautstärke auch noch das meiste in schnelleren tempi absolviert als man das normalerweise von brasil-covern kennt, deren verschlepptheit ja oft fälschlicherweise mit „sexy“ verwechselt wird.
ein solch harter samba-zugang, der ja durchaus damals auch in brasilien gegeben war, geht natürlich nur, wenn man einen guten drummer hat – und masahiko togashi spielt sowas 1967 mit dem kleinen finger. gitarre ist nur ein bisschen klangfarbe, im wesentlichen rockt das hier das quartett aus watanabe, kikuchi, togashi und bassist harada. es hat was leicht gagaistisches, aber im positiven sinn – sie nehmen alles schon sehr ernst, aber es ist auch egal, dazwischen einfach mal ein verspultes rockding einzubauen. kikuchi ist recht grazil hier, oft mit oktav-figuren, vielen pausen, aber auch viel seele. man hat das gefühl, dass das brasil-zeug nicht wirklich sein ding ist, aber sowas wie manha de carnaval hat er ja selbst bis zuletzt gespielt.

dieses standard-album ist noch viel entschiedener pop. auch von 1967, gleiches quartett, manchmal kommt noch ein streichquartett als orchesterersatz dazu. watanabe spielt hier öfter flöte (was ich bei ihm sehr gerne höre), aber auch auf dem alt kriegt er einen schönen ton hin, ohne seine härte aufzugeben (beide alben sind sowas wie ein anti-desmond-programm bei vergleichbarem material). kikuchi findet hier zu schönen momenten, vor allem bei den sachen, die richtung blues gehen, old folks z.b., wo er einfach ein paar mehrdimensionale akkorde hinstellt. trotzdem ist das natürlich meilenweit entfernt von seinen sachen mit peacock oder den standardmeditationen ab den 90ern.

endlich habe ich dieses album bekommen und es ist von einer schönheit, die ich jetzt so gar nicht erwartet habe. watanabe lässt sich hier weit auf kikuchis offenheit ein, gary peacock ist dabei (und da merkt man schon, was das in so einem kontext auslöst, wenn der bassist eine wirklich eigene stimme ist), auch togashi, aber eben mit handicap, als percussionist (der ein tolles solo beisteuert, aber ansonst vor allem subtil den raum verdichtet), murakami ist wieder als drummer-alternative dabei (und großartig). drei stücke sind über 10 minuten lang, dann gibt es noch eine postbop-ballade (im festen metrum) und eine eher poppige kikuchi-nummer am ende. die bandbreite dieser stücke ist groß, das titelstück wechselt zudem mittendrin den charakter, wir hören also frühsiebziger weite und knisternde atmosphären, freie bewegungen, poppige formeln (aber dann eben mit einem bassisten wie peacock!).

für den popstar watanabe ist das wohl gewagt gewesen (auf der rückseite der platte steht: „bright and sunny! this is the new cool sounds of sadao watanabe!“, um bloß niemanden abzuschrecken). er selbst macht das aber ganz großartig, ist klar der leader hier, hat auf flöte, alt und sopran wirklich was zu sagen. kikuchi nutzt den größeren raum toll und die rhythm section ist ohnehin groß. gehört jetzt zu den interessanteren sachen, die ich aus den früh70ern kenne und ist dazu noch hinreichend halbnah von miles weg, als dass man das als imitat kritisieren könnte.

PAYSAGES endet mit ein paar unangebundenen pop-akkorden von kikchuchi. er hat das letzte wort, in mehrerer hinsicht.

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