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#5
bill dixon orchestra: „contour three“
aus 17 MUSICIANS IN SEARCH OF A SOUND: DARFUR (aum fidelity 2008)
bill dixon (tp, comp, cond), graham haynes (co, solo), stephen haynes / taylor ho bynum (co/flh), dick griffin / steve swell (tb), joseph daley (tu), karen boca (bassoon), will connell (b-cl), michel côté (contrabass cl), andrew raffo dewar (ss), john hagen (ts/bs), jd parran (bass s / bamboo fl), andrew lafkas (b), glynis loman (cel), jackson krall (dm/per), warren smith (per).
rec. live 20.6.2007, vision festival nyc
2008 ereignete sich endlich die wiederentdeckung von bill dixon, dessen so „unmännlichen“ beitrag a.b. spellman ja angesichts der october revolution 1964 bemängelt hatte. dixon hatte natürlich nie aufgehört zu komponieren, und so kam neben der thrill-jockey-aufnahme mit mazureks exploding star orchestra auch dieses ambitionierte werk heraus und fand beachtung.
ein sehr genau vorgezeichnetes „suchen nach einem sound“ passiert hier, wie man in der eskalation in diesem stück hören kann, die das fragile und freie spiel von kornett und cello (bass?) mehr und mehr überlagert. die darfur-katastrophe gab 2007 bestimmt keinen anlass zum politischen überblick, und da war eine gleichzeitig verletzliche und passagenweise gewalttätige klangannäherung wohl eine ziemlich naheliegende reaktion.
der suchende, teilweise ratlose, und doch beharrliche kornett-ton gehört meinem alltime-favoriten graham haynes, über den ich nun wirklich oft genug worte verloren habe – was dann auch wieder passieren wird bei
#6
graham haynes: „la fille sympa“
aus NOCTURNE PARISIAN (muse 1992)
graham haynes (co), steve williamson (ss), mferghu (p), egmont grisoni (tambura).
rec. 11./12.9.1991, puteaux bei paris
das ist dann wieder der andere graham haynes, weniger suchend, vielmehr sehr klar in seinem unvirtuosen soundfetisch – und eben seinem wagner-endlosmelodie-fimmel. der sohn von roy haynes ging ende der 80er nach paris, nachdem er mit steve coleman, cassandra wilson und geri allen eine der wichtigsten stimmen der ersten m-base-bands war. für ihn selbst überraschend traf er dort auf einige afrikanische musiker, die ihrerseits ziemlich m-base-infiziert waren. zwei muse-alben waren das ergebnis dieses aufeinandertreffens – sie sind nicht wirklich gelungen. doch immer wieder kommt haynes hier zu sehr einfachen, reduzierten, akustischen miniaturen, die dennoch im austausch mit der welt der 90er-jahre stehen. mferghu ist der pianist beider muse-alben, steve williamson kommt neu dazu (und wird dann auf den nächsten haynes-alben in new york fester partner bleiben). mir persönlich gefällt dieses wegkippen in den tambura-teil mit williamsons energetischem spiel und die dadurch umso effektvollere rückkehr in das sanfte schweben des kornett-teils sehr gut. da das eine muse-produktion ist, bleibt leider alles soundmäßig sehr flach und steril, selbst die tambura scheint ja wie aus einem keyboard zu fließen.
#7
eric revis trio: „city of asylum“
aus CITY OF ASYLUM (clean feed 2013)
eric revis (b), kris davis (p), andrew cyrille (dm).
rec. 12.4.2012
ein sicherlich schwierig ausgewählten stück aus diesem grandiosen album – es ist der ausatmende closer, der – wenn man es weiß – noch spuren des furors und der großartigen kommunikationsflüsse der vorherigen stücke in sich trägt. eric revis ist ja spannenderweise ein lupenreiner ellis-marsalis-schüler, so auch festes mitglied im quartett von branford (seit jeher und immer noch, glaube ich), gleichzeitig ist er aber auch vermehrt frei unterwegs wie hier oder wie mit brötzmann z.b. dieses originell zusammengestellte trio mit rising star kris davis und andrew cyrille trifft hier zum ersten mal überhaupt aufeinander (mit freien improvisationen wie hier, aber auch einem monk-stück und einem von jarrett). ich habe sie zwei jahre später beim vision festival gesehen, da ging das alles noch viel riskanter ab. ich mag die schleichende bewegung hierdrin sehr gerne, die davis subtil immer mehr unter spannung setzt. dass cyrille hier etwas abgewatscht wurde, liegt wohl an seiner impressionistischen begleitung, dem reinen dazu-spiel, für das er sich hier entscheidet. (aber das lob für ihn gibt es auch noch – an anderer stelle).
#8
john lurie national orchestra: „ignore the giant“
aus THE INVENTION OF ANIMALS (amulet 2014)
john lurie (ss), billy martin & grant calvin weston (dm/perc).
rec. 1998.
á propos schlecht ausgewählt. knapp eine minute john lurie hätte zwar bei mir ausgereicht, um ihn an seinem trade-mark-spiel zu erkennen, aber wohl kaum, um zu vermitteln, wie toll das ist.
lurie hat in den 90ern mit den beiden drummern martin & weston an lounge-lizards-material gearbeit, um dann festzustellen, dass es sich so, im trio, wie die field recording einer unbekannten volksgemeinschaft anhöre. also gründeten sie das „national orchestra“ und waren u.a. als straßenmusiker auch in einem (oder beiden?) wayne-wang-film zu sehen, keine ahnung, ob das jetzt SMOKE oder BLUE IN THE FACE war (ich erinnere mich vage, dass einmal madonna an ihnen vorbeiläuft).
diese aufnahme hier ist für luries fernsehshow „fishing with john“ entstanden und taucht nun auf dem amulet-sampler wieder auf, der letztes jahr erschien und auf den mich udw aufmerksam machte.
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