Re: blindfoldtest #18 – vorgarten

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vorgarten

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#1

jason adasiewicz – „solo one“.
aus jason adasiewicz’s sun rooms – SPACER (delmark 2011).
jason adasiewicz (vib).
rec. 1.5./2.5. 2011.

natürlich adasiewicz, wer sonst. ist sicherlich seit den späten nullerjahren das beste, was diesem instrument passieren konnte. sein trio sun rooms (mit dem drummer miker reed und zunächst mit nate mcbride, neuerdings mit ingebrigt haker-flaten am bass, bisher 3 alben) verbindet so moderat abstrakte sachen (wie hier) und traditionelle hardbop-verneigungen, aber wie adasiewicz hier spielt, führt das schon in seine zusammenarbeit mit peter brötzmann, die ja auch schon zu bisher 2 aufnahmen geführt hat.

“Peter heard me at the Hideout with Starlicker,” Adasiewicz says; that’s a trio with cornetist Rob Mazurek and Tortoise drummer John Herndon. “When we talked after, the first thing Peter told me was how much he hated the vibraphone, except for Lionel Hampton. After the next time he heard me, playing Joe McPhee tunes, he asked me to play with him at the Vision Festival in New York, and Austria’s Wels festival. That was in 2011, and later we did a three-week duo tour. I barely knew the guy, it was my first all-improvised tour, and I was scared shitless. But the music grew from the first night. And I learned a lot from Peter about projection.”

das derartig flächige, über rythmische impulse gesteuerte spiel auf SOLO ONE (das mit SOLO TWO am ende das trio-album einrahmt), finde ich ganz großartig, weil es eben nur so scheint, als würde es ohne pedal kaum resonanzen erzeugen, aber wenn man genauer hinhört, bleiebn trotzdem klangflächen darunter im raum stehen, die durch die anschläge quasi zerhackt werden. wie er das genau macht, weiß ich natürlich nicht.

#2

william parker – „anast in crisis mouth full of fresh cut flowers“
aus IN ORDER TO SURVIVE (black saint 1995)
william parker (b), rob brown (as), lewis barnes (tp), grachan moncur III (tb), cooper-moore (p), denis charles (dm).
rec. 11.4.1993, live at roulette, NYC.

„in order to survive / i rub two raindrops / i rub two raindrops together / to make fire“.

kein vorgarten-bft ohne william parker. „in order two survive“ war meine allererste cd, als ich parker nur vom gayle-album TOUCHIN ON TRANE her kannte. mit kaufeintscheidend war sicherlich auch, dass hier grachan moncur mitwirkt. die vier stücke dieses albums haben mich damals sehr ergriffen, auch parkers texte dazu, die einmal mehr gegen den versuch der welt gesetzt sind, junge afroamerikanische menschen vom musik- und karrieremachen abzuhalten (parker zitiert den rektor seiner junior high school 1964, der seinen schülern in der aula verkündete, sie sollten sich auf ein leben als gärtner, postboten und regalauffüller vorbereiten).

das stück hier, dominiert vom altsaxofonisten rob brown (den es schon mal in einem bft von mir gab), verfolgt eine von mehreren endlosmelodien, die in diesem bft versteckt sind. wahrscheinlich habe ich einen unbewussten wagner-fimmel (andere, die noch kommen werden hier, haben einen sehr bewussten wagner-fimmel). wobei die melodie hier nicht stabil ist, sondern eigentlich eine ständige abwärtsbewegung, die sich bei jedem neuen versuch erneut ereignet. der titel bezieht sich auf ein gedicht von luis reyes rivera über eine dichterin, deren worte zu blüten werden, sobald sie ihren mund verlassen. als sie weint, hört sie niemand, weil die blüten lautlos aus ihr heraus fallen.

#3

bunky green: „seashells“
aus HEALING THE PAIN (delos 1990)
bunky green (as), billy childs (p), art davis (b), ralph penland (dm).
rec. 13./14.12.1989, hollywood.

bunky green, den großen und nicht annähernd ausreichend bekannten saxofonisten und jazzlehrer, habe ich in letzter zeit häufig gehört. ich kenne ihn natürlich, da er neben von freeman der zweite große einfluss auf die saxofonisten der m-base-gruppen war, vor allem von steve coleman und greg osby. sein einfluss zieht sich aber auch bis in die nächste generation, zu steve lehman und rudresh mahanthappa. in dieser relativ braven aufnahme zeigt sich schon, wie greens hochenergetisches spiel quasi immer aus den selbstgesetzten rahmen springen will, was nicht sehr schmeichelhaft für die mitmusiker ist, die diesen rahmen aufrecht erhalten müssen, damit nicht alles zusammenbricht.
steve coleman hat ja eine hervorragende späte green-aufnahme produziert, mahanthappa zusammen mit ihm aufgenommen – ein ziemlich schönes beispiel für intergenerationales einflussbewusstsein.

#4

rob mazurek’s pulsar quartet: „magic jupiter“.
aus STELLAR PULSATIONS (delmark 2012)
rob mazurek (co), angelica sanchez (p), matthew lux (e-b), john herndon (dm).
rec. 3/2012, chicago.

damit zurück zur aktuellen chicagoer szene (s. adasiewicz, den bötzmann in einer mazurek-band entdeckt hat). mazurek hat natürlich viel miles, aber eben auch cherry gehört, und die post-rock-einflüsse, für die hier u.a. auch tortoise-drummer herndon steht, kommen als weiteres element dazu (es gab ja auch mal tortoise-konzerte mit fred anderson). ziemlich toll & typisch ist, wie mazurek sehr einfache, naive, fast kitschige melodien findet, die aber immer durch wenigstens eine andere soundschicht durchmüssen oder einfach von ihnen abgewechselt werden. hier klappt das (finde ich, nach drei glas metaxa) fast reibungslos, obwohl es ziemlich spektakulär ist. angelica sanchez, die pianistin, sollte man auch nicht unerwähnt lassen, sie ist eine von zwei aktuellen lieblingspianist(inn)en von mir, der ich eine strahlende zukunft wünsche (die andere kommt dann in #7).

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