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#1
Vor meinem geistigen Auge wird mit „einem schönen Gebüsch“ (M.Python) auf ein Tischxylofon gehauen. In einem Hexenhaus. Nachts um halb vier. In Schweden. Nordschweden.
#2
Ist das eine Liveaufnahme? Mir gefällt der sehr räumliche, natürliche Klang – obwohl es nicht wirklich gut klingt. Wie im Bauch eines großen Schiffes aufgenommen, während der Fahrt. Viel Stimmung, viel Feuchtigkeit, viel Gischt (draußen!) und viele Deckenlampen, die sich mit dem Seegang bewegen und deren Aufhängketten knarzen. Die steten Wechsel zwischen Agonie und totaler Lässigkeit sind weird. Kommt nie so richtig in die Gänge, für den Anfang und als verlängertes Intro goldrichtig gewählt.
#3
In der ersten halben Minute wird eine Funktionsgleichung aus Humorhausen gespielt – erster Gedanke: Jahahahaha, das gefällt dem vorgarten! Der Kompletteinstieg swingt locker wie Frischkäse und der dazu passende Star sitzt strenggenommen hinter dem Piano – was schwierig herauszuhören ist, wenn das Sax auf Wanderschaft geht, weil es so arg im Vordergrund steht. Wirkt insgesamt durch den Rahmen des Sax-Solos zu Beginn und zum Schluss etwas skizzenhaft, aber trotzdem: erfrischendes Arrangement und spritziger Drive.
#4
Hm. Ich kenne das, komme aber nicht drauf, wer das ist. Tonal so schmerzlos eingerichtet wie das Wohnzimmer meiner Eltern (1985): dunkelbraune Auslegeware, Mahagoni-Raumteiler von Hülsta, Metaxa im Schnapsschrank, Neil Diamond auf dem Dual-Plattenspieler. Schöner, deeper Ton und stimmungsvoll wäre ein Euphemismus. In der ganzen Ausstrahlung ist mir das persönlich zu reibungsarm. Bestimmt aus den 2010ern, wa?
#5
Von supersmooth zu windschief in einem Fingerschnips. Grachan Moncur hat mal sinngemäß gesagt, er würde einerseits seine Songs so komponieren, wie er ein Bild malen würde und andererseits wäre ein Song niemals „fertig“ im Sinne von „abgeschlossen“. Das hier ist nicht Moncur, aber es erinnert mich in der Anlage an seine Blue Note-Zeit und auch an die Sachen, die er beispielsweise für McLeans „One Step Beyond“ geschrieben hat. Er hatte immer einen ganz eigenen Zugang zu seinen Kompositionen, der nie fokussiert, aber immer konzentriert war, und wer auch immer das hier ist, er/sie/es hat diesen Zugang ebenfalls.
#6
Das könnte auf einem Album genau richtig sein, hier kippt’s vor allem zu Beginn in ein arg fluffiges Plüschsofa (hellblau). Kenne den Ton des Saxofonisten, aber auch hier: arrrrrghichkommnichtdraufgnagnagnagnaaaarrrrgh. Mir klebt das zu doll im Klischee fest, vor allem der Mittelteil mit diesem Gedingel hinter demSaxofon. Ist das aus den Neunzigern?
#7
Könnte ein Auszug aus einer Aufnahmesession sein, vor der die Necks Opium geraucht haben. Ich mag den hinterrücks angedeuteten Puls und seine Monotonie (tatsächlich kommt mir dazu „Music To Be Born By“ von Mickey Hart in den Sinn – http://dreikommaviernull.blogspot.de/2007/11/rebirthing.html – Sehr künstlerisch, sehr ätherisch, sehr dunkelrot. Wäre total super, wenn die ganze Platte zumindest diese Stimmung aufrecht erhalten würde (und dann auch noch: könnte).
#8
In diesem Rahmen wirkt es verchromt, glänzend und (zu) glatt. Habe es jetzt bestimmt 20 Mal via Endlosschleife gehört, aber mir fällt dazu wenig ein, außer dass die Idee im Vordergrund gestanden haben muss (und dass sie da keine all zu gute Figur macht).
#9
Hat mich im Prinzip nach 4 Sekunden im (und am) Sack. Piano- und Sax-Ton sind umwerfend, rythmisch ist’s auf mehreren Ebenen toll und total zugenagelt. Wenn das Schlagzeug nicht diese Mätzchen machen würde, wäre das sicher weniger gut auszuhalten. Ich mag das in sich versunkene Bassspiel, zumal die ganze Nummer zurückgezogen und sehr intim wirkt. Als würde man versuchen, Golf in einer Telefonzelle zu spielen. Hochverdichtet und trotzdem große Gesten. (Am Wegesrande: Kenne auch hier wieder – vielleicht – den Ton, aber keinen Namen *heul*).
#10
Eine erfrischend „indie“ klingende Aufnahme, die man absichtlich (?) nicht auf Hochglanz polierte – was hier auch gar keinen Sinn gemacht hätte, weil der Klang das Bild erst richtig in Szene setzt. Klingt nach jüngeren Musikern und nach einer Aufnahme in einem Keller bei Neonlicht. Was ich merkwürdig finde: hier geht eigentlich niemand so richtig aus sich heraus, obwohl es gleichzeitig expressiv ist – aber das Spiel heißt offenbar: wie gut können wir uns im Zaun halten? Der Drummer versucht es zur Mitte, die Intensität nach oben zu schrauben (Wertmüller ist das nicht, oder?), und da tut sich dann auch interessanterweise für die komplette Anlage tatsächlich mal etwas. Seltsames Stück, das immer auf einem Level bleibt.
#11
Ich hatte hier zunächst „Das klingt sehr gräulich und trostlos“ eingetippt, aber eigentlich stimmt das nicht. Das Piano spielt mit einer sich entwickelnden Monotonie, die mich in seiner Struktur manchmal (i.S.v. „selten“) (i.w.S.v. „nie“) an Nik Bärtsch erinnert, dafür aber viel zu weich ist. Es wäre sehr toll, wenn die ganze Platte in diesem Stil wäre, weil es genug Tiefe hat, um mich nicht zu langweilen. Und nach „Kitsch“ kann ich hier auch nicht rufen. Bon!
#12
Dazu könnte ich jetzt ein paar weniger schöne Zeilen schreiben, ist aber öde. Daher nur: „Means nothing to me.“ (Patsy, Absolutely Fabulous, 2.Staffel).
#13
Hoppala, Deep Funk? Wo kommt der denn jetzt her? Könnte für meinen Geschmack etwas mehr Dampf vertragen, aber ist natürlich trotzdem super. Klingt nach einer längst vergessenen Aufnahme, die es nie aus dem Underground geschafft hat. 1972? Sowas läuft im Hause Kory vor allem im Sommer. Am Abend, zum Kochen. Dazu reicht das Haus frische Mojitos und „Eau d’Orange Vert“ von den Alligatorkillern von Hèrmes. (:-/)
#14
Solche Streicher triggern in mir sofort das emotionale Gefühl, das alles in Ordnung ist. Sie erinnern mich auch an eine Zeit, in der ich zu Amerika als Land und Gesellschaft dank der eigenen naiven Minderjährigkeit und dank eigener gesellschaftlicher Prägung noch neidisch aufschaute. Damit kriegt man mich trotz komlett verändertem Leben und Ansicht immer noch – aber eben nur auf der emotionalen Schiene. Und was heißt hier eigentlich „nur“? Ich weiß nicht, ob das Stück „cool“ ist, oder ob da auch noch Angst vor der eigenen Courage drinsteckt. Wirkt ein bisschen schüchtern, ne?!
#15
Puh. Das klingt rockig. Und weiß. Und manchmal nach Woodstock. Im Gesang erkenne ich sogar ab und zu Anflügge von Protopunk und Detroit. Ist bestimmt alles falsch. Muss mich damit mal näher beschäftigen, wenn ich weiß, wer das ist. Vor allem textlich. Habe im Grunde genommen eine große Affinität zu solchen Sounds, aber das ist mir für den Moment zu stiff und zu gerade.
#16
Die ersten 5 Minuten sind vorüber und sie zogen an mir vorbei wie ein Staubkorn im OP-Saal (Meniskusriss). Was ganz schlimm ist: hier schwingt für mich so ein Mucker-Humor mit, den ich wirklich unerträglich finde. Da schauen sich die Typen auf der Bühne nach jedem Break so verschmitzt grinsend an, und ich bekomme einen cholerischen Anfall. Ich finde es auch höchst befremdlich, die Intensität immer wieder mit diesem Swingblues-Interludes herauszunehmen. Und besonders originell ist es auch nicht. Viel zu aufgeräumt, Spielen nach Zahlen. Nicht mit mir, Jungs!
#17
Schöner Ausklang. Mag ich. Tipps für zu kaufende Alben bitte in meine Richtung, habe nichts von ihr im Schrank.
Vielen Dank für die Zusammenstellung, vorgarten. Bei ein paar Sachen würde mich das dazu passende Album doch sehr interessieren. \o/