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#1
vorgartenerstmal tausend dank für deine tollen und langen ausführungen. aber der einstieg? frechheit!
weiß gar nicht, ob es im ashram überhaupt gebimmel gibt, aber hier die kunstfertigkeit des spiels nicht zu erkennen, ist schon ein starkes stück.
Frechheit? Nicht die Bohne … hab ehrlich gesagt Mühe, bei so kurzen Stücken, wenn die Musiker mir nicht vertraut sind, überhaupt ein Urteil zu fällen, und das wollte ich mit dem flapsigen Statement auch nicht getan haben! Ich gebe aber zu: mit solchen Instrumentierungen kann ich tatsächlich meist nur etwas anfangen, wenn sie Übergang sind zwischen Stücken, in denen sich mehr ereignet und/oder die herkömmlicher instrumentiert sind (eben: Art Ensemble, oder auch die Solo-Sachen von Wadada, Roscoe Mitchell, was weiss ich – allerdings muss ich, bei aller Liebe, da immer eine gewisse Frusttoleranz bereithalten, denn bei den Leuten geht es ja oft nicht darum, etwas durchzuziehen sondern zu warten, ob was geschehen wird – und wenn dann etwas geschieht, zuzuschlagen, die Welle zu reiten … das ist hier nicht der Fall, das hier hat ein Konzept, und sei es ein spontan entwickeltes).
#2
vorgartenzeitlich gut eingeordnet, als parkerschüler würde ich den saxofonisten auch einordnen. die situation am anfang kann ich nicht erklären, ist ein kleines festival, vielleicht aus der ersten reihe aufgenommen. nahe am kitsch: auf jeden fall. endlosmelodie auch hier. der trompeter ist nicht graham haynes, aber der leader hier hält große stücke auf ihn. aber star ist natürlich das altsax, wie es um die melodie herumwirbelt, -geifert, -klagt. und die verdichtungsprozesse mag ich auch gern.
#3
vorgartenja parker-epigonen und doch sehr eigen. coleman ist es nicht, aber auch hier stimmt die richtung. auch das unscharfe im spiel, das überschwappen, ist gut analysiert – aus dem nichtperfekten entsteht das eigene. und die intensität ist schon toll, oder. zur rhythm section kann ich alles nachvollziehen, was du sagst. mit experimentelleren und virtuoseren leuten (gab es auch, später) läuftt das spiel des saxofonisten schonmal fast aus dem ruder. insofern funktioniert das hier vielleicht ein bisschen als stütze.
Die müssten herauszukriegen sein, aber das Ratespiel ist ja bekanntlich nicht der Hauptgrund, warum ich gerne bei BFTs mitmache!
#4
vorgartenwie toll, dass das hier so gut ankommt. ja, den trompeter kennt man schon, auch hier im forum
die komposition ist ein original und der bass singt ein bisschen, weil er elektrifiziert ist.
Also wie vermutet (Original) – das möchte ich wirklich gerne herauskriegen! Ich dachte Stanko, Wheeler und Rava, etwa in der Reihenfolge, aber die sind es wohl alle nicht, Wheeler spielte nicht so, Stanko hat nicht diese Wärme, Rava würde – auch wegen dem Don Cherry, den ich hier zwischenzeitlich zu hören glaube – noch am besten passen. Der Miles der Achtziger scheint mir hier ein andere Einfluss zu sein (ich tippe auf Mitte 90er, was das Aufnahmedatum betrifft?)
#5
vorgartenja, die gibt’s, aber der trompeter kommt nur hier zum solo (und ich finde ihn sehr toll in seiner motiventwicklung). bass kommt wohl eher aus der klassischen ecke, glaube ich. aber dieses „ich verstehe das, aber spaß macht es deshalb noch nicht“, kann ich schon nachvollziehen.
Hm, okay – hätte jetzt den Trompeter für den Hauptdarsteller gehalten, aber das ist wohl klar, wenn man nur dieses Stück kennt. Beim Wiederhören gefällt es mir besser.
#6
vorgartenhaha. kontrast zum stück davor? sicher, zum teil
ist wahrscheinlich schon eine überraschung. kein standard. und der saxofonist kann auch spielen, hat er auch schon mal in einem anderen bft von mir. die kontinuität in zwei welten gefällt mir wahnsinnig gut in diesem stück, mit dem trompetensolo zusammen – und der atmosphäre insgesamt.
Was denn, aber nicht derselbe Trompeter oder? redbeans hat das ja schön beschrieben hier – aber was meinst Du mit „der Musiker“? Mit Trompete und Sopransax sind ja wenigstens zwei Protagonisten dabei, vielleicht auch der Pianist? Egal, ich will nicht, dass Du zuviel verrätst.
#7
vorgartenok, vielleicht wirklich nicht repräsentativ genug für die beteiligten hier. den drummer würde man sonst wohl nie als lahm bezeichnen. und die können alle natürlich sehr viel expressiver. kein cello übrigens, ganz normaler bass. und alles vollkommen frei improvisiert (und in der besetzung auch zum allerersten mal).
Kein Cello ist nur halb überraschend, das kann man auf dem Bass natürlich auch – und das mit „lahm“ (und Frickel, nicht Fickel) war wie gesagt die böswillige Beschreibung – eine mögliche unter vielen
#8
vorgartenviel zu kurz, ich weiß (sowas können sie auch auf 20 minuten). aber so ziemlich das gegenteil zu AEC. ich würde es sofort erkennen – und hoffe auf friedrich. war gar nicht als intermezzo gedacht, ich wollte einfach diese sax-stimme mal drin haben, aber ja, wie gesagt: zu kurz.
Hm, ein Gigant der älteren Generation, mit Beinah-Karl-Marx-Bart? Klingt nicht unvertraut, aber so ein Ding, auf das ich sofort anspringe ist das hier nicht.
#9
vorgartenganz tolle beschreibung, die tiefer geht, als ich mich bisher auf das stück eingelassen habe (ich kenne es erst ca. eine woche). die andrew-hill-referenz ist natürlich total stimmig, war mir als idee noch gar nicht gekommen. nähe aber größere wärem als coleman/lehman stimmt auch, obwohl es da überschneidungen gibt. osby ist das nicht, sondern jemand älteres. den ton mag ich hier auch, sonst habe ich mit diesem musiker manchmal probleme (und bin hier auch nicht der einzige, glaube ich). eine einspielung nach einem längeren club-engagement, insofern alles sehr eingespielt, trotz verschiedener generationen…
Mark Shim war noch jemand, der mir hier durch den Kopf ging – ein verlorenes Talent wohl, oder macht der noch irgendwas? Nicht dass ich den hier für Shim hielt, aber nochmal eine Referenz aus der (damaligen) Gegenwart (ich tippe auch hier auf ca. Mitte/späte 90er).
#10
vorgartenui. nicht m-base. und die aufnahme ist nicht sehr absichtsvoll kalt, eher ein kleiner recorder im publikum. saxofonist höre ich überhaupt nicht in der coltrane/sanders-richtung – obwohl jetzt, wo du es sagst… aber diese phasenverschiebungen sind doch eher eigen oder? (vielleicht eher rollins?). und der bass ist für mich eigentlich das beste hier – der macht nochmal seinen ganz eigenen minimalismus und hält den druck permanent aufrecht. du kennst diese leute eigentlich, komisch, dass sich da nicht sofort ein wiedererkennungseffekt einstellt. aber so ist das eben in einem bft.
Ja, klar kenne ich das … aber ich komme einfach nicht drauf. Die Stimme des Saxophons klingt jedenfalls sehr vertraut (und viel wärmer als M-Base – dass das kein M-Base ist, ist mir schon klar, jetzt beim Wiederhören erst recht, es ging nur um den Klang). Aber nein, ich bleibe bei Coltrane, dieses Festbeissen, Wiederholen, fast zwanghaft, aus dem einen Motiv das nächste unter Schmerzen gebären – das tut Rollins so nicht, wenigstens nicht nach meinem Empfinden, bei Rollins bin ich immer wieder verblüfft über die schier unglaublichen Wandlungen und Übergänge und wie er die mit einer unfassbaren Leichtigkeit perfekt phrasiert und mit wundervollem Ton hinrotzt, als gäbe es nichts selbstverständlicheres … das hier ist Arbeit, Mühe, Schweiss, Obsession, Kampf – und ja, es ist toll! Ich ärgere mich gerade, dass ich nicht drauf kommen, ist das Jimmy Lyons in einem lauten Moment (der hatte ja öfter mittelprächtige Drummer an seiner Seite, wobei ich das hier ja gut finde, aber irgendwie auch limitiert).
#11
vorgartenharter bruch, ich weiß, war beabsichtigt. obwohl auch hier die nicht aufgelöste endlosspannung auch zu #10 passt. ECM stimmt. schade, dass der pianist nicht auf anhieb überzeugt. ist eine kleine hommage, ich vermisse ihn nämlich.
Hm, dann hätte ich jetzt auf Kikuchi getippt, aber von dessen einem (?) ECM-Album ist das nicht, das ist auch nicht Paul Motian hier oder? Das ist halt auch eins der Stücke, wo ich mich etwas schwer tue, ein Urteil zu fällen, ohne weiterhören zu können (sagte ich ja schon, pardon).
#12
vorgartenpuh, gut, dass du es offensichtlich nicht kennst. alter hase stimmt, wenn man von heute aus rechnet. und richtig ausgegraben wurde er leider nie.
Na ja, ich ging im Kopf diverse Leute durch, von Bob Dorough bis Andy Bey … aber irgendwie schien nichts zu passen, die Stimme klingt nicht unvertraut (ist der Saxophonist auch der Sänger?) – gefällt mir aber wirklich gut!
#13
vorgartensehr witzig, was du zur gitarre schreibst. ist nicht verstimmt, aber hat eine andere stimmung
finde ich – als gitarristisch ausgebildeter gitarristenhasser – natürlich super. dein ode-to-billie-joe-sendungskonzept musst du mir nochmal erklären.
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irgendeine alternative Stimmung, so sitarmässig? Grauenvoll jedenfalls, can’t help it. (Das Konzept ist ganz simpel: Jazzer covern „Ode to Billie Joe“ und dazwischen ein paar andere Pop-Liedchen wie „Sunny“, „Spinning Wheel“, „Hey Jude“ etc.)
#14
vorgartensowas nicht nur hübsch, sondern grandios zu finden, scheint immer nur mir möglich in diesem forum. natürlich ist das eine art easy listening, aber das hängt für mich so gültig, cool, abgehangen in der welt, dass es mich gar nicht wundert, dass es gerade in einer sehr hippen amerikanischen tv-serie wiederentdeckt wurde. ich liebe aber vor allem den song sehr. der drummer spielt hier hiphop, 20 jahre zu früh. was du immer alles so lahm findest…
Ha ha … ich glaub ich finde Hip Hop gerade darum wenig interessant, weil es rhythmisch fast immer so steif zu und her geht. Samples und Drum-Machines erlauben eben keine Flexibilität im Time, wie ich es beim Jazz so liebe, das Atmen, die Möglichkeit hinter und vor dem Beat zu spielen, auch die Unterschiede (wie derselbe Musiker mit gewissen Leuten vor dem Beat spielt, und mit anderen wenige Monate später hinter dem Beat, weil da ein anderer schon den Part desjenigen, der immer zieht, übernimmt).
Aber ich bin fast an dem Punkt angelangt, wo ich mal eine Art Crash-Kurs in Rap-Musik machen möchte, mir von irgemdwem, der sich auskennt, die verschiedenen Stile und ihre Entwicklung erklären lassen möchte usw.
Repeat: Dass man diesem Stück verfallen kann, verstehe ich übrigens völlig! Der Anfang ist auch grandios, auch der Einstieg des Sängers – aber mir gefällt dann am Ende der Gesang einfach zu wenig gut – vielleicht achte ich auch darum erst stärker auf den Drummer, als ich wohl sollte, wer weiss, was das jeweils beim Hören alles für Dinge im Kopf ablaufen … aber gut, wie er „sea and shore“ singt und dann das „o“ hält – das hat fast schon was von Horace Andy auf „Mezzanine“ … doch doch, ich könnte dem auch verfallen, wenn ich eine TV-Serie guckte und das Ding dort auftaucht! Und das Orgelsolo ist toll – aber da ist der Beat dann echt steif, der Drummer spielt ja reduzierter als während der Gesangs-Teile.
Dass man diesem Stück verfallen kann, verstehe ich übrigens völlig! Der Anfang ist auch grandios, auch der Einstieg des Sängers – aber mir gefällt dann am Ende der Gesang einfach zu wenig gut – vielleicht achte ich auch darum erst stärker auf den Drummer, als ich wohl sollte, wer weiss, was das jeweils beim Hören alles für Dinge im Kopf ablaufen … aber gut, wie er „sea and shore“ singt und dann das „o“ hält – das hat fast schon was von Horace Andy auf „Mezzanine“ … doch doch, ich könnte dem auch verfallen, wenn ich eine TV-Serie guckte und das Ding dort auftaucht! Und das Orgelsolo ist toll – aber da ist der Beat dann echt steif, der Drummer spielt ja reduzierter als während der Gesangs-Teile.
#15
vorgartenwas heißt „wie ich sehe“? wird da was angezeigt? empfehlungen machen wir später, ich finde den ganz toll.
Nein, ich hab aber auch nicht nach den Tags geguckt (einfach den Laptop an die Anlage gehängt und die Stücke ohne gross hinzugucken in WinAmp abgespielt, dort sieht man allfällige Tags erst nach einem Extra-Klick, den ich nie tat). Ich hab halt nach den Lyrics gesucht, weil ich das Ding wirklich wissen musste
#16
vorgartendas ist leider falsch. aber du bist vorher schon furchtbar nah dran – und da: respekt vor der herleitung! toll auch, dass du das magst. nicht zufälligerweiße ein paar bekannte motive hier drin entdeckt?
Hm, da hätte ich den Sample wohl in Ruhe zu ende hören sollen … der Track ist wirklich klasse! Du meinst Motive im Sinne von: thematisches Material, mit dem hier gespielt wird? Sowas wie bei 1:50? Kenne ich nicht oder kommt mir gerade unbekannt vor, aber da, so ab 2:35 wird’s für mich erstmals „südafrikanisch“ im Saxophon, und nur da, dahinter läuft ja dieser verschrobene Bennink-Swing (das darf man wohl so nennen, auch wenn hier ein anderer am Werk ist, denke ich) … das „Country“-Motiv gibt es dann so ab 4:20 (und an der Stellen denke ich eben, dass das nicht Bennink ist, aber was weiss ich, der kann ja alles) … bei 5:19 kommt schon das nächste Motiv, oder auch nicht, denn das von 4:20 folgt ja gleich wieder. So um 7 geht es weiter, zunächst klingt das etwas nach Lacy (7:00) oder Monk … in der ruhigeren Passage fällt es mir schwer, Motive auszumachen, die thematisch als Grundlage dienen könnten – bei dieser Art freien motivischen Improvisation ist das ja eh nicht immer einfach
Wenn das Borgmann ist, suche ich nicht weiter, finde auf Anhieb nichts passendes, weiss ja bloss, dass ich noch viel mehr brauche und mich endlich mal drum kümmern sollte.
#17
vorgartenwie bitte, steife texte? das sind die besten schlagertexte in deutscher sprache, die es gibt! „zementblock langeweile?“ „zwischen hals und einem brustbein tickt die nacht“? aber ja, stimmlos großartig. abbey lincoln hat das ja auch ein bisschen, die härte im skandieren, dann aber so kleine, genau gesetzte vibratos (hier bei „auf zehenspitzen“!), ganz klare textinterpretation – und natürlich auch immer: ich spiel hier nicht das girl. schön, dass das einer hier schonmal würdigen kann.
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Na ja, klar sind das die besten deutschen Schlagertexte, aber selbst die erreichen nicht die Hälfte der Eleganz von mittelprächtigen französischen Texten … so werde ich das wohl immer empfinden (und „Liebe heissen Du“ ist auch nicht eleganter, zugegeben, aber die Porter-Übertragungen finde ich dennoch gross).
Und Dank zurück für all die Anregungen und die Kommentare zurück!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba