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gypsy tail wind#1 – Zur Einstimmung etwas Gebimmel aus dem Ashram?
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erstmal tausend dank für deine tollen und langen ausführungen. aber der einstieg? frechheit! weiß gar nicht, ob es im ashram überhaupt gebimmel gibt, aber hier die kunstfertigkeit des spiels nicht zu erkennen, ist schon ein starkes stück.
gypsy tail wind#2 – Ein etwas ungeplanter Anfang (werden da noch Stühle zurechtgerückt?), doch dann der gestrichene Bass … das Saxophon – sehr schön! Die erste von vielen (so kam es mir gestern vor, und sie schmerzten alle) Trompeten, mit Dämpfer, Klaviertupfer, Spritzern vom Schlagzeug … toll, das Altsax, sehr vokal, beweglich. Dahinter verdichtet sich alles, der Bass, eine Posaune steigt ein, zu den Becken gesellen sich auch die Trommeln … der Altsaxer ist im Grunde genommen ein Parker-Schüler, mit einem etwas singenderen Ton, das klingt irgendwie nach 90ern, d.h. der Mann hat nicht nur McLean sondern längst auch Arthur Blythe und andere gehört … gut, irgendwie ist das auch etwas sentimental, wenn das Piano dann auch noch das eine Motiv aufgreift, auf dem das Ding beruht kommt es kurz an den Rand des Kitsches … das ist Post-Coltrane/Tyner-Musik mit Mitteln, die es teils davor schon gab – schön! Zu raten versuche ich nicht, die penetrante Dämpfer-Trompete könnte auch ein Hinweis sein – ist aber nicht der Sohn des Drummers?
zeitlich gut eingeordnet, als parkerschüler würde ich den saxofonisten auch einordnen. die situation am anfang kann ich nicht erklären, ist ein kleines festival, vielleicht aus der ersten reihe aufgenommen. nahe am kitsch: auf jeden fall. endlosmelodie auch hier. der trompeter ist nicht graham haynes, aber der leader hier hält große stücke auf ihn. aber star ist natürlich das altsax, wie es um die melodie herumwirbelt, -geifert, -klagt. und die verdichtungsprozesse mag ich auch gern.
gypsy tail wind#3 – auch da, massenhaft Charlie Parker – faszinierend (oder auch nicht), wie dessen Einfluss sich noch weit in die Gegenwart über alle Altsaxophonisten des – im weitesten Sinne – Mainstream legt. Nicht Steve Coleman nehme ich an, oder? Der Ton ist mir etwas zu fahrig, klingt teils ja fast wie ein Varitone … aber gut, dass die Phrasen an den Ecken nicht sauber gespielt sind, dass da quasi immer was überschwappt, macht die Sache gut und eigen (und bringt sie auch über Parker hinaus, von dem sich das Solo gegen Ende sowieso weit entfernt). Piano gefällt mir weniger gut, die Rhythmusgruppe ist mir zu zickig ohne zickig zu sein – d.h. sie spielt hundskommun 4-to-the-bar, doch der Bass ist abgehackt und der Drummer spielt langweilige Beats … das wird auch im abschliessenden Duo mit dem Saxophon nicht viel besser, obgleich die gesteigerte Intensität natürlich Spass macht! Zwiespältig für mich, kein Lieblingstrack, nichts was ich öfter hören würde, aber dennoch ganz und gar nicht ohne Reiz!
ja parker-epigonen und doch sehr eigen. coleman ist es nicht, aber auch hier stimmt die richtung. auch das unscharfe im spiel, das überschwappen, ist gut analysiert – aus dem nichtperfekten entsteht das eigene. und die intensität ist schon toll, oder. zur rhythm section kann ich alles nachvollziehen, was du sagst. mit experimentelleren und virtuoseren leuten (gab es auch, später) läuftt das spiel des saxofonisten schonmal fast aus dem ruder. insofern funktioniert das hier vielleicht ein bisschen als stütze.
gypsy tail wind#4 – den kennt man wohl bestens, ja? Gefällt mir verdammt gut, alles hier: der Ton des Trompeters, der singende Bass, das einfache Piano-Motiv, der simple Beat … hier ist für mein Empfinden nun alles richtig. Toll, wo der Pianist erstmals kurz aus dem Motiv ausbricht … könnte ein Film-Thema sein, aber ich nehme mal an, dass es sich um ein Original handelt? Repeat – phantastisch! Keine Ahnung, wer das ist, aber das ist mir im Moment auch völlig egal, ich höre es einfach noch ein paar Mal an.
wie toll, dass das hier so gut ankommt. ja, den trompeter kennt man schon, auch hier im forum die komposition ist ein original und der bass singt ein bisschen, weil er elektrifiziert ist.
gypsy tail wind#5 – mir ist auf Anhieb gar nicht klar, wer das sein muss … oder doch? Gefällt mir insgesamt recht gut, aber ohne richtig zu zünden (was an der Trompete – verspielt aber doch nicht? – und noch mehr am Mickey-Mousing des Basses liegen dürfte). Sagen wir so: ich glaub ich verstehe, was das soll, aber es überzeugt mich nicht so recht. Da müsste ich mehr hören, auch längere Stücke (die es gibt, nehme ich an).
ja, die gibt’s, aber der trompeter kommt nur hier zum solo (und ich finde ihn sehr toll in seiner motiventwicklung). bass kommt wohl eher aus der klassischen ecke, glaube ich. aber dieses „ich verstehe das, aber spaß macht es deshalb noch nicht“, kann ich schon nachvollziehen.
gypsy tail wind#6 – was für ein Übergang … flächig gespielte Trompete, dürfte ruhing noch etwas mehr klecksen, schöner Ton wieder, grosser Kontrast zum Stück direkt davor – wird wohl auch keine Überraschung sein. Das Stück klingt zuerst wie ein Standard, aber auch das ist wohl ein Original. Gefällt mir immer besser, je länger es dauert. Hm, na ja, bis 2:50 jedenfalls, danach ein harter Bruch (auch wenn das Piano für Kontinuität sorgt, aber da wird man in eine andere Welt katapultiert – und das Sopransax war gestern der Grund, den ersten Versuch abzubrechen, nachdem ich #5 verpasst und #4 nur zur Hälfte gehört hatte). Das Sopransax ist aber toll, gefällt mir, auch wenn das Herumreiten auf den „exotischen“ Effekten etwas billig wirkt – ich hoffe, der Gute darf auch noch etwas spielen statt nur kolorieren? Andererseits fügt sich das wiederum schön an das Altsaxophon in #2 (und auch jenes in #3) an, irgendwie.
haha. kontrast zum stück davor? sicher, zum teil ist wahrscheinlich schon eine überraschung. kein standard. und der saxofonist kann auch spielen, hat er auch schon mal in einem anderen bft von mir. die kontinuität in zwei welten gefällt mir wahnsinnig gut in diesem stück, mit dem trompetensolo zusammen – und der atmosphäre insgesamt.
gypsy tail wind#7 – hm … fies gesagt: Fickel-Cello, richtungslose Klavier-Tupfereien und lahmes Getrommel … doch das Klavier gewinnt so ab der Hälfte deutlich an Komplexität und den Groove mag ich natürlich sehr, wenn Lateef und sein Quintett der späten Fünfziger spielt (allerdings würde der Drummer dort etwas mehr zulangen) … ein Problem des Konzepts Blindfoldtest ist ja gerade, dass man nie ein ganzes Album oder eine Band ausgiebig zu hören bekommt – will heiss: Ich bin neugierig, obwohl ich nicht weiss, was ich von diesem Track genau halten soll (genau wie bei #5).
ok, vielleicht wirklich nicht repräsentativ genug für die beteiligten hier. den drummer würde man sonst wohl nie als lahm bezeichnen. und die können alle natürlich sehr viel expressiver. kein cello übrigens, ganz normaler bass. und alles vollkommen frei improvisiert (und in der besetzung auch zum allerersten mal).
gypsy tail wind#8 – ein Intermezzo als Überleitung in Teil 2? Gleiche Gruppe wie in #1? AEC rules, das ist jedenfalls klar
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viel zu kurz, ich weiß (sowas können sie auch auf 20 minuten). aber so ziemlich das gegenteil zu AEC. ich würde es sofort erkennen – und hoffe auf friedrich. war gar nicht als intermezzo gedacht, ich wollte einfach diese sax-stimme mal drin haben, aber ja, wie gesagt: zu kurz.
gypsy tail wind#9 – okay … hier musste ich erstmal den Takt rauskriegen – nicht so einfach, man kann dem Bass folgen, aber der verschleppt bald alles aufs Schönste, während der faszinierende Drummer (ein wenig an Roy Haynes gemahnend – gefällt mir sehr gut) das ganze irgendwie am Laufen hält (ich komm auf sowas wie: 1-1-1-1,5-1-1-1-1.5-1.5-1.5-1.5 – wobei, 1.5 heisst, dass der Beat quasi von Vierteltriolen in Ganze zurückfällt bzw. wechselt – man könnte das ganze in Achteln wohl hübscher aufschlüsseln). Das ist Musik, wie es sie ohne Andrew Hill nicht gäbe (wobei so verrückte Takte hat dann eher Don Ellis gespielt) … ganz unvertraut klingt das alles nicht … für das Piano-Solo öffnet sich die starre Struktur, der Bass spielt praktisch einen Pedal-Ton, noch immer irgendwie unregelmässig rhythmisiert (ich vermute mal, er zieht das Schema durch, aber ich mag das Stück nicht so oft hören, bis ich mir dessen sicher wäre, könnte eine Stunde dauern ;-)) – gefällt mir jedenfalls, auch der leicht heisere, verhangene Ton des Altsaxophons – ein zweiter kompletter Durchgang (nach 10 Wiederholungen der ersten Takte) muss jetzt sein! Klingt alles wärmer – und dunkler – als ich es aus der Coleman/Lehman-Ecke erwarten würde, Osby ging mir durch den Kopf, aber dort kenne bzw. finde ich nichts passendes. Nach #4 wohl bisher das Highlight, auch wenn ich das anfangs gar nicht erwartet hatte! Es spielt letztlich auch gar keine Rolle, was die Jungs hier verdammtes mit dem Beat abziehen, ist mir völlig egal, wie schwierig das ist, die Atmosphäre ist toll, die Musiker gut und zusammen, das passt.
ganz tolle beschreibung, die tiefer geht, als ich mich bisher auf das stück eingelassen habe (ich kenne es erst ca. eine woche). die andrew-hill-referenz ist natürlich total stimmig, war mir als idee noch gar nicht gekommen. nähe aber größere wärem als coleman/lehman stimmt auch, obwohl es da überschneidungen gibt. osby ist das nicht, sondern jemand älteres. den ton mag ich hier auch, sonst habe ich mit diesem musiker manchmal probleme (und bin hier auch nicht der einzige, glaube ich). eine einspielung nach einem längeren club-engagement, insofern alles sehr eingespielt, trotz verschiedener generationen…
gypsy tail wind#10 – ist sie das jetzt, die Härte und Kälte von M-Base? Saxophon ist natürlich in der Coltrane/Sanders-Tradition (darf man das so vermengen?), manchmal mit „Tags“, die dann doch wieder die Parker-Wurzeln verraten … das Ding insistiert, das gefällt mir, die Drums sind toll (aber auch kalt aufgenommen – aber genau so sollte das damals wohl sein), den Bass könnte man (wie bei Coltrane/Elvin Jones) auch ganz streichen, er bringt allerdings eine halbe Farbe mehr, die dem kalten Klang der Aufnahme gut tut.
ui. nicht m-base. und die aufnahme ist nicht sehr absichtsvoll kalt, eher ein kleiner recorder im publikum. saxofonist höre ich überhaupt nicht in der coltrane/sanders-richtung – obwohl jetzt, wo du es sagst… aber diese phasenverschiebungen sind doch eher eigen oder? (vielleicht eher rollins?). und der bass ist für mich eigentlich das beste hier – der macht nochmal seinen ganz eigenen minimalismus und hält den druck permanent aufrecht. du kennst diese leute eigentlich, komisch, dass sich da nicht sofort ein wiedererkennungseffekt einstellt. aber so ist das eben in einem bft.
gypsy tail wind#11 – wir mäandern wieder munter drauflos … wobei so munter ist das nicht, die Stimmung gefällt mir sehr gut, aber es gibt zuwenige falsche Töne
– ECM-Territorium wohl. Hat was, das Stück, die Reduktion der Begleitung gefällt mir (ha, und in dem Moment, in dem ich das Tippe, wechselt der Drummer zu den Sticks und beginnt, die Ride zu traktieren – hallo, geht’s noch? ;-)), das Piano ist mir etwas zu trivial, wenn ich das mal so salopp sagen darf. Aber auch da müsste ich weiterhören (und bin gar nicht abgeneigt, dies zu tun).
harter bruch, ich weiß, war beabsichtigt. obwohl auch hier die nicht aufgelöste endlosspannung auch zu #10 passt. ECM stimmt. schade, dass der pianist nicht auf anhieb überzeugt. ist eine kleine hommage, ich vermisse ihn nämlich.
gypsy tail wind#12 – dreimal gehört – toll! Die Stimme kommt mir bekannt vor aber ich komme nicht drauf … Altsax klingt wie ein alter Hase, einer wie Bunky Green oder Frank Morgan, den man nach Jahrzehnten wieder ausgegraben hat.
puh, gut, dass du es offensichtlich nicht kennst. alter hase stimmt, wenn man von heute aus rechnet. und richtig ausgegraben wurde er leider nie.
gypsy tail wind#13 – ein Bruch … Stück ist mir zu simpel, der Beat irgendwie auch, aber das Saxophon ist toll, wenn es erstmal loslegt, da macht der einfache Background nicht viel. Wenn das wer erkennen sollte, dann wohl redbeans – schon angetestet? (Was ist mit der Gitarre los, komplett verstimmt oder? Hart an der Schmerzgrenze, auch wenn mir das Solo an sich gefallen würde.) – das Ding könnte vermutlich auch in meine „Ode to Billie Joe“-Sendung (vom Konzept her,aber es gefällt mir doch zu wenig gut, als dass es in Frage käme)
sehr witzig, was du zur gitarre schreibst. ist nicht verstimmt, aber hat eine andere stimmung finde ich – als gitarristisch ausgebildeter gitarristenhasser – natürlich super. dein ode-to-billie-joe-sendungskonzept musst du mir nochmal erklären.
gypsy tail wind#14 – schön, der straighte Bass und die feine Orgel darüber … „On a Clear Day“ – hübsch (ist das hier – kannte ich nicht) – hat Charme, keine Frage! Aber der Drummer ist lahm (und die Streicher auch, die Harfe sowieso – und der Sänger hätte sich mit Vibrato ein wenig zurückhalten können, die Stimme gefällt mir, aber nicht alle Manierismen).
sowas nicht nur hübsch, sondern grandios zu finden, scheint immer nur mir möglich in diesem forum. natürlich ist das eine art easy listening, aber das hängt für mich so gültig, cool, abgehangen in der welt, dass es mich gar nicht wundert, dass es gerade in einer sehr hippen amerikanischen tv-serie wiederentdeckt wurde. ich liebe aber vor allem den song sehr. der drummer spielt hier hiphop, 20 jahre zu früh. was du immer alles so lahm findest…
gypsy tail wind#15 – haha – gute Abfolge von 13 bis 15 mit den Einstiegen/Beats/Grooves! Toller Song! Gene McDaniels, wie ich sehe … kenne weder den Song noch diese Einspielung. Gerne Empfehlungen (kann man von dem überhaupt irgenwas kaufen oder muss man sich da im Netz rumtrollen? Das ist wohl einer der Fälle, in denen man mit Streaming einen grossen Vorteil hat!)
was heißt „wie ich sehe“? wird da was angezeigt? empfehlungen machen wir später, ich finde den ganz toll.
gypsy tail wind#16 – toll! Han Bennink oder? Der Einstieg mit Geschrei ist nicht so meins, aber gut, gehört halt auch dazu … danach merkt man erst, was für ein phantastischer Ton der Tenorsaxer hat (Sonny Rollins lässt grüssen) – ich liebe es, wenn Leute, die auch frei spielen, so toll grooven können und das auch tun. Rollins lässt natürlich auch wegen des Pseudo-Calypso grüssen – wirklich toll! Wie der Saxer singt, das hat auch etwas von Südafrika, eine Qualität, die ich in Worten nicht fassen kann, die aber ein paar Holländer (Delius, Baars) ab und zu auch draufhaben (oder John Tchicai auf Curtis Clarks „Letter to South Africa“). Nach der fünften Minute geht’s in den nächsten Teil, eine Art rurale Hymne (im Stil von Bobby Jones auf „Hill-Country Suite“ – und das geht natürlich auch auf Sonny Rollins‘ „Way Out West“ zurück) … mit toller Arbeit des Drummers – der nicht Bennink ist. Doch das bleibt wie erwartet nicht lang beschaulich.
Alles klar, musste ja sein (klick) – die CD muss her! Phantastischer Track und drittes Highlight – und wohl das grösste von allen!
das ist leider falsch. aber du bist vorher schon furchtbar nah dran – und da: respekt vor der herleitung! toll auch, dass du das magst. nicht zufälligerweiße ein paar bekannte motive hier drin entdeckt?
gypsy tail wind#17 – :liebe: (klick) – die Lyrics sind schon verdammt steif, so gut wie die Porter-Übertragungen war das leider bei weitem nicht alles – aber die Stimme, verdammt. Ella Fitzgerald soll sie ja die „beste Sänderin ohne Stimme“ genannt haben. Fraglos!
wie bitte, steife texte? das sind die besten schlagertexte in deutscher sprache, die es gibt! „zementblock langeweile?“ „zwischen hals und einem brustbein tickt die nacht“? aber ja, stimmlos großartig. abbey lincoln hat das ja auch ein bisschen, die härte im skandieren, dann aber so kleine, genau gesetzte vibratos (hier bei „auf zehenspitzen“!), ganz klare textinterpretation – und natürlich auch immer: ich spiel hier nicht das girl. schön, dass das einer hier schonmal würdigen kann.
nochmals danke!
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