Re: Blind Fold Test #17 – Friedrich

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vorgarten

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erst mal dank an friedrich, dass er sich die mühe gemacht hat. ich habe jetzt schon eine ahnung, welchen korpus an jüngst durchgearbeiteter jazzgeschichte er hier zusammengesampelt hat, aber selbst wenn, wäre ich immer noch auf die auswahl gespannt.

gelesen habe ich noch nix.

#1
ok, zu dem stück gibt es sogar eine eigene wikipediaseite. ich würde aber mal sagen: zurecht. als ich es zum ersten mal gehört habe (auf einem sampler, übrigens), konnte ich es echt kaum fassen, wie toll das ist. die modale einfachheit ist dabei nur vorgetäuscht. der drummer hängt, wie ich jetzt erst höre, beim thema einen bruchteil hinter dem beat her, der bassist dagegen ist bei der bridge schneller. das trompetensolo ist von so kunstvoller zurückhaltung, dass ich mir wünschen würde, der herr hätte sich das selbst in späteren jahren mal angehört. sobald die flöte einsetzt, rutscht man sofort ein bisschen richtung westcoast, finde ich (dieses quartet hätte so auch gerne mal was aufnehmen können). der eigentliche knaller natürlich das tenorsaxsolo – perfekt strukturiert, mit diesem cry, der aus einfachen ideen kommt, die weiter- und weitergetrieben werden. irgendwo hält sich doch das gerücht, dass er sich das solo so vorher aufgeschrieben hat; aber die zweite idee ist doch das echo eines motivs des pianisten, das er aufgreift, oder höre ich das falsch?

#2
ist natürlich auch bekannt. hat auch als album des leaders eine besondere schönheit, die ich mir nicht ganz erklären kann. die aufgestockte band hätte es speziell für dieses stück nicht gebraucht. auch in den quartet-momenten ist der sound schon sehr reich und tief und farbig, dazu bringt die brass-wolke durchaus nochmal eine schöne pointe. der produzent, um den es hier, wie gedacht, offensichtlich geht, hat hiermit also impulse aufgebaut – was toll genug ist. prägender und ebenso bewunderungswürdig waren aber auch bob thiele, der coltrane ja bis in die letzte phase begleitet hat, und für mich vor allem ed michels – ich finde ja, dass impulse zu den wenigen jazz-labels gehörte, dass auch in den 70ern richtig tolles und eigenes zeug produziert hat (klar denke ich da auch an alice, der er auch bei warner bros. noch treu blieb). ich hatte diese komposition auch mal in einem bft verwendet, allerdings in einer piano-duo-version mit beteiligung besagter ehefrau.

#3
das kenne ich auch, aber ich komme nicht auf den saxofonisten. toll, der kleine, dreckige ausbruch. und das thema ist ein traum. das hat, wie die beiden zuvor auch, eine tolle atmosphäre. sowas herzustellen, hat natürlich immer mit dem produzenten zu tun. jetzt muss ich nur noch darauf kommen, wer das hier ist…

#4
ok, danke, ich glaube platz 23 in meinen top50 hier. nach wie vor für mich das bestarrangierte bigband&vocals-album, das ich kenne. wobei diese showtreppenbläsersätze zwischendurch sehr ausgestellt sind, imitiert, nicht ganz ernstgemeint. total ernstgemeint dagegen dieser permanente wechsel zwischen völlig unterschiedlichen instrumentengruppen mit kleinen motivkürzeln, die immer wieder scharf ins geschehen schneiden. dazu braucht mal natürlich eine sängerin, die damit umgehen kann – und die hier konnte wohl mit allem umgehen. ein phil-woods-solo brauche ich wohl immer noch nicht, aber ein super stück, keine frage (und danach kommen ja noch so viele tolle mehr).

#5
„afro blue“ habe ich erkannt, der rest war ein kinderspiel. sehr schön sind die beiden gegeneinander laufenden metren. und den trompeter mag ich ja auch sehr (irgendwie auch immer ein bisschen mehr als hubbard, der bestimmt noch kommt…). aber meine lieblingsversion bleibt natürlich die von abbey lincoln und max roach, u.a. wegen der „shades of delight“, von denen man aber nur erfährt, wenn das stück gesungen wird…

#6
super stück. nicht nur die entspanntheit und der unfassbar schöne gitarrensound (das ist fast schon fetisch), sondern vor allem die durch die streicher langsam aufgebaute spannung: homophone wolke, dann das zittern, und dann das grenzgeniale pianissimo-motiv ab 1:57, das immer lauter wird (wurde das nicht auch irgendwo gesampelt?). für mich eins der tollsten beispiele für jazz+streicher überhaupt (hatte hier nicht kürzlich jemand über ogermann gelästert?). kannte ich natürlich schon.

#7
das ist jetzt nicht so meins, aber die zurückgenommen glimmende atmosphäre kann ich schon würdigen. klassischer blues mit jesus-anrufung, vielen versatzstücken, diesmal komplett verzichtbaren streichern und einer gitarre, die mit der in #8 nicht viel gemein hat (und der ich ihre klassizität nicht recht glaube – sowas landete bruchlos in den 80ern in den öffentlichrechtlichen bluesanstalten namens „rockpalast“ oder ähnlichem; großer hinweis diesbezüglich ist schon das glatte schlagzeug). der mir genausowenig liegende saxofonist ist wahrscheinlich turrentine oder so jemand?

#8
people make the world go round, tollster acid-jazz-klassiker überhaupt, mit der besten verschleppten basslinie ever. kann ich immer und von jedem hören. trompeter ist klar, aber es ist nicht seine version (die es auch im cti-katalog gibt), sondern die des vibraphonisten, mit den straußen im gegenlicht. mein problem hier (wie oft bei cti). warum müssen hier noch soli gespielt werden? hier passiert auch nicht viel darin, finde ich.

#9
das album habe ich ja kürzlich erst über den grünen klee gelobt. der herr konnte die begeisterung für mich in den folgeprojekten leider nicht halten, aber dieses album ist toll, und die gitarre natürlich auch. auf der noch viel tolleren EXTRAPOLATION des gitarristen heißt das stück übrigens noch „arjen’s bag“. in einem anderen forum fragte übrigens mal jemand, wie man als drummer einen 11/8-takt spielen solle und bekam die antwort: „und wo genau liegt dein problem? spiel doch einfach en normalen 4/4 beat und lass beim dritten mal die 4 weg.“ na dann…

#10
ah, jetzt kommt der helikopter. der weihnachtssong, im alternate take, wenn ich richtig sehe. ich mag die komposition leider nicht, auch abseits vom religiösen kontext. burrell ist natürlich toll, aber die dopplung mit klavier funktioniert für mich wie üblich nicht. ich bin da nicht dogmatisch, aber ich sehe und höre den sinn darin nicht.

eine schöne zusammenstellung, auf die man auch als produzent sehr stolz sein kann. verstehe jetzt auch besser, was friedrich an dessen output reizt – die atmosphäre und gelassenheit ist schon sehr einzigartig, wenn entsprechende musiker und kompositionen zusammenkommen. vielen dank!

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