Re: Kamasi Washington – The Epic

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gypsy-tail-wind
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Mein erster Eindruck zu Kamasi Washington ist vor allem, dass es mir etwas schwer fällt, zu fassen, was da abgeht (oder nicht abgeht). Sein Saxophonspiel changiert tatsächlich zwischen ziemlich gut und sehr slick, wo ich finde: hier macht er es sich zu leicht (Maceo und Pee Wee Ellis machten es sich nie so leicht, auch wenn das Resultat vielleicht ähnlich scheint), anderswo ist mir zuviel Post-Coltrane-Gedudel (das ist gar nicht leicht, aber die Mühe lohnt nicht recht, wenn es nicht besser rauskommt als hier). Aber es gbit auch starke Momente (die Mitte von CD 2, den Gesang fand ich dann auch da wieder überflüssig, und eine Vokal-Version von „Cherokee“ brauchte die Welt noch gar nie, seit 1940 oder so erst recht überhaupt gar nicht und nie mehr … eine Vokal-Version von „KoKo“ wäre aber verdammt cool gewesen!). Sehr stark fand ich den Posaunisten Ryan Porter – wundert mich gar nicht, zu sehen, dass er neben manch hippen Credits auch eine gute Big Band in der Liste hat (das Clayton-Hamilton Jazz Orchestra) – ein Solist, der weiss, was wer will und was er kann und wie er es anzustellen hat – da hätte Washington (der allerdings selbst in der Big Band von Gerald Wilson sass) sich ein Stück davon abschneiden können. Aber vielleicht ist das das Problem des Leaders, der nicht einfach „einen guten Job“ machen kann sondern stets die Richtung anzugeben müssen meint?

Chor und Streicher fand ich übrigens fast völlig vernachlässigbar, die siebzehnsaitig hohe Bassgitarre, die Gitarrensoli spielt mit der Zeit etwas ermüdend (Foley bei Miles wer hipper) – die Soli sind nicht falsch, aber der Klang ist schon sehr wenig variabel. Die Rhythmiker fand ich in Ordnung, manchmal auch ziemlich gut – aber insgesamt ist das ein Mix aus Post-Coltrane-Mainstream, angereichert mit etwas „contemporary“ moods/vibes/whatever … die Versuchung liegt nahe zu sagen: neither fish nor flesh. Aber dafür ist das Ganze dann eben doch wieder zu gut. In Sternen würde ich mal sagen ***1/2. Das Album franst mir zu oft aus, aber das gehört wohl zum Konzept, Sly, George Clinton, Prince und all die anderen lassen grüssen … in mancherlei Hinsicht könnte man sagen, Janelle Monáe (The ArchAndroid natürlich, der Nachfolger nicht) oder jüngst D’Angelo hätten die besser Contemporary Jazz-Alben gemacht. Und Washington eher ein Jazz-Album für Leute, die keinen Jazz mögen (und die ihn nach dem Album auch nicht besser mögen werden)? Aber auch das ist mir zu hart gesagt, denn schlecht ist das Ding nun wirklich nicht.

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