Re: Die besten Konzerte 2015 (so far)

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gypsy-tail-wind
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* * * * *
Isabelle Faust – Bach: Sonaten & Partiten für Violine solo – Philharmonie, Köln – 23.9.
Craig Taborn (solo) – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 28.11.

* * * *1/2
Barry Guy: The Blue Shroud Band – Unerhört, Theater Rigiblick, Zürich – 22.11.
Bob Dylan – Musical Theater, Basel – 13.11.
Alexander Hawkins (solo) – Taktlos, Rote Fabrik, Zürich – 30.5.
Michel Portal/Bruno Chevillon/Daniel Humair – Unerhört, Moods, Zürich – 30.11.
Anthony Braxton Diamond Curtain Wall Quartet – Taktlos, Rote Fabrik, Zürich – 30.5.
Rhoda Scott – The Music Village, Brüssel – 26.9.
Rhoda Scott – The Music Village, Brüssel – 25.9.
Pierre Favre with John Surman & Mark Helias – Unerhört, Theater Neumarkt, Zürich – 28.11.

* * * *
Tom Rainey Trio feat. Ingrid Laubrock & Mary Halvorson – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 28.11.
Omri Ziegele/Yves Theiler/Gerry Hemingway – Unerhört, Moods, Zürich – 30.11.
Wintsch-Weber-Wolfarth – Zürich – 12.5

* * *1/2
Marc Copland Quartet – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 27.11.
Irene Schweizer/Joey Baron – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 27.11.

* * *
Loriot-Perovic Notebook Large Ensemble – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 28.11.
William Parker solo – Unerhört, Rote Fabrik, Zürich – 27.11.

Nach einer sehr intensiven Konzertwoche sieht meine Liste für dieses Jahr nun doch etwas voller aus … ein paar wenige Konzerte stehen noch an, zunächst heute Abend Oliver Lake mit William Parker und Dieter Ulrich.

Ein paar Worte zu den Konzerten am diesjährigen Unerhört … zunächst einmal dies: das hochkarätige Programm versprach nicht nur viel, es wurde auch viel geliefert – manchmal etwas weniger, manchmal deutlich mehr als erhofft. Wie das halt so ist.

Zu Barry Guy habe ich ja bereits ein paar Zeilen geschrieben. Hätte vielleicht auch die vollen Fünfe verdient, jedenfalls ein grossartiges Konzert wieder einmal. Will heissen, ich habe Guy jetzt dreimal mit grossen Gruppen gehört (und auch in anderen Settings: Duo mit Savina Yannatou, im Rahmen des letztjährigen abendfüllenden Programmes am Taktlos im Duo mit Maya Homburger ebenso wie im Trio mit Evan Parker und Paul Lytton) und es war jedesmal eine Offenbarung. Man kann die Musik kritisieren, klar, es gibt wenig „organische“ Entwicklung (doch was ist das schon?), aber es gibt so verdammt viel und vor allem ist auch bei einem Dutzend oder mehr Leuten stets jede einzelne Stimme von essentieller Bedeutung für das Ganze.

Gut … das Festival dauerte von Sonntag bis Sonntag, ich war nach dem Auftakt mit Guy erst von Freitag bis Sonntag wieder dabei, die Workshop-Konzerte von Mark Helias und Heiri Känzig mit Studenten der Hochschule Luzern sowie Mary Halvorson mit Studenten der Zücher Hochschule der Künste habe ich alle drei verpasst, ebenso ein paar weitere Konzerte mit kleineren Formationen (Sarah Buechi, Matthieu Michel & Nik Bärtschs Ronin, Lotte Anker/Fred Frith, Savina Yannatou und ihr Primavera in Salonico).

Freitagabend in der Roten Fabrik gab es dann den ersten grossen Festival-Abend mit drei Formationen. Den Auftakt machte das Duo Irène Schweizer-Joey Baron. Es war Schweizers grosser Wunsch, ihre Reihe von Duos mit Drummern mit Joey Baron fortzusetzen. Die Hoffnungen waren gross, zumal ich beide sehr mag, doch wie sie zusammenfinden sollten, war mir nicht ganz klar – und das Konzert hat das letztlich auch nicht geklärt, muss ich im Rückblick sagen. Es begann zunächst zögerlich, als wolle Schweizer ihren Gast nicht zu sehr herausfordern, ihn nicht vor fertige Tatsachen stellen. Stattdessen ein Motiv da, ein paar geklimperte Töne dort, ein stark rhythmisierter Melodiefetzen, eine leicht versetzte Repetition … wartend auf Reaktion von Baron, der dann irgendwann einfach zu spielen anfing – was natürlich schon den Besuch des Konzertes lohnte, klar, der Mann ist umwerfend. Nach wohl 15 Minuten ging es dann langsam zur Sache, das Einspielen war vorbei und das Zusammenspiel klappte leidlich gut, Baron eruptiv wie immer, wie unzähligen Einfällen, immer wieder der schiere Aberwitz. Schweizer kam dann auch in die Gänge, spielte ihre Motive und Phrasen auf insistierende, immer härtere Weise. Man spielte Time und auch nicht, und ich bin mir nicht sicher, ob da der Kern des trotz der guten Entwicklung irgendwie fortbestehenden Problems war. Ich höre Baron als einen Jazz-Drummer, der Time spielt, mit Time spielt, ausbricht, zurückfindet, mit den anderen Musikern spielt und gegen sie, sie umschmeichelt und vor den Kopf stösst, sie streichelt und ihnen dann unvermittelt eine reinknallt, um gleich wieder zum schnurrenden Kätzchen zu werden … Schweizer kann Time spielen, aber meistens will sie wohl anderes und ihr Time ist auch nicht so flexibel, dünkt mich, wie Barons. Aber gut, mit Bennink z.B. klappt es ja ganz wunderbar, aber der ist halt im freien europäischen Jazz ebenso daheim wie Schweizer. Die erste Zugabe war dann eine bekloppte Idee, ein hüftsteifer 12-Takt-Blues, in dem die beiden komplett aneinander vorbeispielten, Baron versuchte wohl eine Art Catlett/Krupa-Hommage zu trommeln, aber das ging mit dem Klavier zusammen gar nicht. Zum Glück spielten sie noch eine zweite Zugabe und da war alles wieder im Lot – in den Zugaben quasi nochmal die Entwicklung des Sets gespiegelt, irgendwie passend.

Dann war William Parker an der Reihe – solo, Kontrabass und Gesang. Ich bin nun ja erklärtermassen kein grosser Fan von ihm, war aber gespannt und sass, so bilde ich mir das wenigstens ein, mit offenen Ohren und offenem Herzen da, auf das harrend, was kommen mochte und mich vielleicht doch noch eines Besseren belehren würde. Doch leider weit gefehlt. Parker sang einfache Verse, politisch aufgeladene Programmusik, die Stücke bestanden aus zweieinhalb Tönen (die letzten drei Stücke – seine launige Absage zum Schluss war dann der Höhepunkt des Sets – bestanden alle aus dem gleichen einen Ton). Aber gut, soweit kein Problem, WAS er spielte gefiel mir nicht schlecht, der Gesang, die Worte, das alles war durchaus stimmig (wenngleich nicht mein paar Schuhe), aber das WIE … sein Bass hatte null Körper, keine Resonanz, klang völlig flach, da war kein Vibrieren in der Luft, nichts. Quasi die Konzertversion einer digitalen CD-Aufnahme aus den späten Achtzigern. Dann griff er auch noch öfter zum Bogen, um auf seinem Bass herumzuschaben, der alte „Fingernägel auf der Wandtafel“-Effekt … nunja, der Tiefpunkt des Festivals, und das nach einem schon holprigen Einstieg, ich begann fast schon, vom Glauben abzufallen.

Den Abend beschloss dann eine Gruppe, die eigentlich gar nicht in den Rahmen passten, das Marc Copland Quartet mit dem Trompeter Ralph Alessi, Drew Gress am Bass und – erneut – Joey Baron am Schlagzeug. Die vier spielten eine Art abgehärtete (sie sind ja Ostküsten-Amis) Version eines Existentialistenjazz à la Rava oder Stanko, allerdings geht Alessi jede spielerische Ader völlig ab. Das war Post-Bill-Evans-Jazz, in der romantischen Ecke gefangen und irgendwie fehl am Platz am Unerhört. Sehr gut waren allerdings Drew Gress am Bass und erneut Joey Baron. Die beiden versuchten hartnäckig, das Geschehen zu beleben, aber Copland nahm sich viel zu sehr zurück, wurde quasi zum Statisten in seiner eigenen Band, während Alessi irgendwie auf keinen grünen Zweig kam. Der Kontrast von Gress‘ Ton und Wumms am Bass zum fahlen Parker davor war übrigens immens, schon die paar Töne, die er Griff, um zu überprüfen ob das Instrument noch gestimmt war … wie Tag und Nacht. Aber gut, damit endete ein mittelprächtiger Abend, es blieb letztlich die zweite Hälfte bzw. die zwei letzten Drittel von Schweizer/Baron, die man mitnahm.

Am Samstag ging es dann schon um 15 Uhr weiter, im Theater Neumarkt mitten in der weihnachtlichen kollektiven Beklopptheit gelegen, wo Leute sich mit Glühwein und massenhaft sinnlosem Kram zudröhnen und ihr Ameisendasein dabei auch noch zu geniessen scheinen (wobei Ameisen ja eine Gerichtetheit haben, immerhin, sie sind im Vergleich zum Weihnachtsmarktgänger eine Hochkultur) … nunja, wie wohltuend, in den schwarzen Saal zu kommen, eine schlichte, leergeräumte Bühne, darauf das ungewöhnlich bestücke Schlagzeug von Hexenmeister Pierre Favre. Dieser wünschte sich, mit John Surman und Mark Helias aufzutreten, dem englischen Saxophonisten und Klarinettisten, der sein Sopransaxophon, seine Bassklarinette und was wie ein Sopranino-Blockflöte aussah dabei hatte, einem alten Partner Favres, sowie Mark Helias am Kontrabass, einem Musiker, mit dem Favre in den letzten Jahren nach eigener Aussage wann immer möglich spielte. Die drei legten sofort los, konzentriert und äusserst wach, mit einer grossen Palette und einem grossen Reichtum. Der Vergleich zum zögerlichen Schweizer/Baron-Set drängte sich auf, doch hier waren drei am Werk, die mit sich und der Situation, in die sie da geworfen waren, völlig im Reinen waren. Favre hatte zwei Basstrommeln und kein Hi-Hat dabei, einen „Baum“ mit vier (kleineren) Becken, einen Gong, eine kleine Djembe, anstelle des einen Doppel-Toms über der kleinen der beiden Basstrommeln, und verschiedene grosse Becken, daneben die üblichen zwei, drei Toms (ein Stehtom) und eine Snare, das alles bearbeitete er mit einer Vielzahl verschiedener Sticks und es war wirklich sehr faszinierend, ihm von der Seite her zuzuschauen. Surman stand auf der anderen Seite der Bühne, beeindruckte mit einem unglaublich weichen und vollen Ton am Sopransax aber auch mit guter Bassklarinette. Helias stand in der hinteren Mitte der Bühne, er war nicht ruhender Pol oder sowas, gar nicht, die drei brauchten kein Sicherheitsnetz, sie gaben sich ihre Ordnung selbst, veränderten sie aber konstant. So ganz wurde ich aber bei Surman den Eindruck einer gewissen Gemütlichkeit (nicht: Gemütsruhe, die war wohl auch da, zumindest schien es so, doch an der würde ich nicht kritteln wollen) nicht ganz los. Favre, der älteste der drei, war wohl auch der wachste, der aufmerksamste, und letzlich der aktivste, zupackendste, neugierigste und drängendste.

Samstagabend ging es dann wieder in der Roten Fabrik mit einem Dreier-Ticket weiter. Den Auftakt machte das Tom Rainey Trio feat. Ingrid Laubrock & Mary Halvorson. Gemischte Gefühle im Voraus, Rainey hatte ich noch nie live gehört, Laubrock und Halvorson verschiedene Male (teils zusammen, auf der Bühne, z.B. bei Braxton am diesjährigen Taktlos) und gerade mit Laubrock bin ich nicht immer warm geworden, mit Halvorson zuletzt – das Duo mit Stephan Crump, das erst gegen Ende des kurzen Sets aufwachte – auch nicht immer so sehr wie davor. Aber gut, die drei legten los und es war von Beginn weg klar, dass das ein tolles Konzert würde. Halvorson spielte zupackend und direkt wie ich sie schon lange nicht mehr gehört habe, Laubrock solide und ebenfalls zupackender als ich sie bisher gehört habe, die beiden gaben den Tarif vor, dahinter Rainey als eine Art Hexenmeister, der manchmal wie an unsichtbaren Fäden das Geschehen zu steuern schien. Sein Spiel ziemlich direkt und hart, aber auch trocken und immer wieder beeindruckend in seiner Feinheit trotz meist hoher Lautstärke. Ein sehr tolles, überraschend intensives Konzert – und schon bis dahin ein Gipfel der aktuellen Schlagzeugkunst (wenn man noch die beiden von Guy mitzählt): Ramón López, Lucas Niggli, Joey Baron, Pierre Favre, Tom Rainey.

Dann gespannte Erwartung auf das zweite Set, den eigentlichen Grund, weshalb ich an dem Abend doch hin ging: Craig Taborn, solo am grossen Steinway-Flügel. Und verdammt, das war eine Offenbarung, definitiv das ganz grosse Highlight des Festivals! Er schien anfangs auch noch einmal die Möglichkeiten des Instruments auszuloten, und tauchte dann immer tiefer ein, rauschhaft, mit unglaublichem Sog. In den intensivsten Momenten knallte er auch mal den Unterarm auf die Tastatur, schien über dem Klavierhocker zu schweben, stapfte mit dem Fuss … man dachte da und dort an Cecil Taylor, aber auch an Ellington und die ganze Jazzpiano-Tradition. Wirklich grossartig!

Den Abschluss des Abends machte das Loriot-Perovic Notebook Large Ensemble, ein zehnköpfiges Ensemble um den Bratschisten und Komponisten Franz Loriot sowie den Komponisten und Arrangeur Manuel Perovic. Vier Bläser (Lina Allemano-t, Silvio Cadotsch-tb, Sandra Weiss-as/bsn, Joachim Badenhorst-ts/cl/bcl) treffen auf vier (mit Perovics gelegentlicher Akustikgitarre fünf) Streicher (Loriot-vla, Deborah Walker-vc, Silvan Jeger-b, Dave Gisler-elg), dazu Schlagzeug (Yuko Oshima) und immer wieder auch etwas Gesang … das ergab manche klanglich sehr schönen Momente, auch ein paar gute Soli (v.a. Badenhorst fand ich klasse, aber auch Weiss hatte sehr gute Momente), der Chor-Gesang schien etwas verzärtelt, aber als Idee hat mir auch das gefallen. Das Problem lag anderswo: die Schlagzeugerin hämmerte nur Rock-Rudimente, das ganze Set lang, mit heiligem Ernst, Blick hoch in den Himmel gerichtet, selbst als sie mal eine Art Solo hatte gab es nichts als die steifsten, langweiligsten Beats. Mag sein, dass das zum Konzept der Gruppe gehört, aber das ergibt für meine Ohren das Problem, dass auch Jeger am Kontrabass völlig hintansteht, dass die ganze Combo rhythmisch äusserst unispirierend wirkt, leblos geradezu – und das ganze wirkt dann trotz der tollen Streicher- und Bläser-Sections oft steif und platt, da nützten dann auch hübsche Harmonien nicht mehr allzu viel.

Das Sonntagsprogramm ging vormittags mt einem Kinderkonzert los, am Nachmittag spielte Oliver Lake im Duo mit William Parker – das liess ich bleiben, Parker machte mir ja gar keine Lust auf mehr, aber heute Abend gibt es den Auftakt einer wöchigen Tour durch die Schweiz im Trio mit Dieter Ulrich am Schlagzeug, da gehe ich wieder hin, möchte Lake ja doch nicht ganz verpassen.

Am Abend gab es dann im Jazzclub Moods den grossen Abschluss. Und wirklich, es passte diesmal alles, auch der manchmal etwas nervige Lokalmatador Omri Ziegele (der bei Favre – er gehört zu den Mitorganisatoren des Festival und machte die Ansage – so lange gelabert hatte, dass die drei irgendwann einfach zur Tür rein kamen und ihre Instrumente packten) wurde dem Anlass gerecht. Der Reihe nach gab es zuerst Omri Ziegele-Yves Theiler-Gerry Heminway, ein Trio aus Altsax (und Stimme), Klavier und Schlagzeug. Ziegele hörte ich schon öfter mal, dass er ein guter Saxophonist ist, steht ausser Frage, aber was er als „Poet“ manchmal so an – stets englischen – Texten/Lyrics ins Mikro sagt, finde ich meist nicht sonderlich interessant. Doch gestern hat für einmal wirklich alles gepasst, Hemingway war wie immer ein unglaublich toller Begleiter, mit riesigen Ohren und einer enormen Reaktionsschnelligkeit, ähnlich Theiler am Klavier (die beiden muss mal jemand als Duo programmieren, bitte, ja? Und warum nicht auch mal Schweizer/Heminway?), das verzahnte sich alles aufs Schönste, Ziegele spielte darüber sein ungebändigtes Saxophon und kam auch textlich auf den einen oder anderen grünen Zweig. Mehr als bloss ein würdiger Auftakt für den – erhofften – krönenden Abschluss, ein wirklich tolles Set!

Den Abschluss – und er war durchaus krönend! – machten dann Michel Portal-Daniel Humair-Bruno Chevillon. Drei alte Kämpen, die Art Konzert, bei der man manchmal vergeblich hofft und auf der Bühne gar nichts passiert … Portal ein überaus launischer Kerl, anfangs noch merklich verstimmt heiterte sich seine Miene im Verlauf des Konzerts auf, seine launigen Ansagen waren jedoch vor allem zur Belustigung von Daniel Humair gedacht, schien mir, auch mit leidlichen Französischkenntnissen verstand man kaum ein Wort. Portal spielte grundsätzlich Bassklarinette, griff je zweimal zur Klarinette und zum Sopransaxophon und schloss das Set dann mit ein paar Nummern am Bandoneon (Daniel Humair goes Tango … sehr schön). Auch hier war wieder klar, wie zuvor beim Trio von Favre: die drei sind gekommen, um zu spielen. Von Beginn an herrschte gespannte, konzentrierte Atmosphäre (wobei Portal sowas wie Spannung wohl nicht verkörpern kann, vermutlich lässt er die schon die ganze Zeit raus und steht dann eher in Bananenform mit seinen ausgelatschten Turnschuhen auf der Bühne herum, hat aber dennoch in jedem Augenblick die Kontrolle über das Geschehen. Chevillon spielte einen tollen, voluminösen Bass (etwas zu nah aufgenommen/abgemischt für meinen Geschmack, das war bei Dress am Vorabend schöner, aber die drei hatten ihren eigenen Soundmann dabei, es war wohl genau so, wie sie es haben wollten), Humair dahinter ein unglaubliches Schlagzeug. Mit Hemingway und ihm, zusätzlich zu den schon genannten, war das wahrlich ein Schlagzeug-Gipfel, der sich in den Tagen da abspielte. Wie die drei zwischen frei-schwingenden Grooves, zwischen schnellen, wilden Melodiefetzen, zwischen Soli und dichtem, blitzschnellen Zusammenspiel wechselten, war jedenfalls begeisternd, vor allem, was der überaus grosse Mann am Schlagzeug ablieferte (die Besonderheit bei ihm: zwei Stehtoms, linkshändig aufgestelltes Kit … und die Snare wieder in ihrem Recht, ganz klar ein Jazzschlagzeuger, aber wenn man sich seine – bereits tollen – Anfänge mit Barney Wilen oder Humair-Urtreger-Michelot ansieht: was für ein beeindruckender Werdegang!). Portal schwankte zwischen Melomanie – die er jedoch nie auskostete oder gar ausreizte, zu brüchig sein Ton, zu vif sein Geist um sich irgendwo niederzulassen – und rasenden Fragmenten, er umschifft jedenfalls souverän die Fallgruben, in die ein Trovesi dann und wann fällt, wenn er sich der Schwelgerei hingibt. Zum Abschluss also nochmal ein grosses Highlight, das die – von mir durchaus gehegten, gar kühnen – Erwartungen gänzlich erfüllte.

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