Re: Heinz Rudolf Kunze

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j-w
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maximum rhythm & blues

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Läuft gerade. Ganz besonders dämlich: „Das All ist deutsch“ – die Nummer hatte ich schon verdrängt. „Blöde Texte“ gibt es auf dem Album also nicht. Und „Ganz nah dran“ ist, wie vorhin auch schon gesagt, eine Ansammlung von Phrasen ohne roten Faden im Text. Das ist das Prinzip seiner Sprechtexte. Eine Aneinanderreihung von Phrasen, bei denen man sich selbst auf die Schulter klopfen kann („Ja, genauso sehe ich das auch“), die aber oft – nicht immer – immer nur den Finger auf etwas zeigen, selbst aber keine sinnvollen Alternativen bringen. Woran sind wir „Ganz nah dran“? Am Abgrund? Am Erfolg? Bloß nicht konkret werden!

Und ganz ehrlich: „In der Sprache, die sie verstehen“ – die Nummer ist in ihrer Wischi-waschi-Radikalität zum Kotzen. Fand ich schon damals Kacke, dann hätte HRK sich ja mal in der St. Pauli Hafenstraße zeigen können, als es dort brenzlig wurde. Was soll diese Aufforderung zu, ja, wozu eigentlich? Jeder mag raushören: „Revolution!“ oder „Gewalt!“, aber was meint er denn, unser großer Vorsänger? Und wen? Er redet von „sie“ und „die“ und hofft, dass jeder sich irgendwie gemeint fühlt, dass da eine Art linker Konsens ersteht. Aber bloß nicht konkret werden. Man könnte ja jemanden vergraulen, mit dem man es sich nicht verderben möchte. Und davor hat man dann schon Angst. Angst, unendliche Angst, Angst in Alexandrinern und Angst in freien Versen, Angst im Scheinwerferlicht und Angst vor allem davor,mit der zweiten Antikriegs-LP der ersten in den Rücken zu fallen, denn die geht Gold, die geht garantiert Gold, und dann schüttelt man auch schon mal Heino die Hand, lächelnd, hallo Kollege, du in Windhuk vor den Siedlern, ich in Brokdorf vor den Sudlern,wir alten Künstler müssen zusammenhalten, wir wollen die Sahnetorte von … und so weiter.

Da finde ich „Der Schlaf der Vernunft“ viel besser, da wird subtiler getextet, da ist er als Künstler viel glaubwürdiger und auch besser. Aber ich glaube „Einer für alle“ kann ich mir heute nicht mehr antun…

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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue