Re: Jazz zwischen Kunst und Kommerz

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gypsy-tail-wind
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Danke für den Post, Go1!

Was Blue Note und die Differenzen zu anderen Labeln der Zeit betrifft, ich glaube das hatten wir alles schon einige Male. Aber egal, die Sache mit den Proben stärkt wohl erst recht Deine Behauptung (die ich auch ohne weiteres von mir geben würde), dass es Lion nicht um die Bereicherung ging. Der Mann hatte wohl einfach den Plan, ein verdammt gutes (oder auch: das beste) Jazzlabel zu gründen. Und er hatte den Riecher, sich die richtigen Musiker zu holen, es gelang ihm auch, zugkräftige Musiker (na ja, wir reden ja vom Jazz und Miles, Brubeck oder Ellington konnte er sich dann ja doch nicht leisten, aber die wollte er auch gar nicht) wie Art Blakey oder Horace Silver längerfristig zu binden. Zudem war er es, der Jimmy Smith als Plattenkünstler etablierte (die Unterscheidung ist wohl nötig, denn ich denke mal, im chitlin circuit hätte Smith sich auch durchsetzen können, ohne einen solchen Plattenvertrag). In sechs oder sieben Jahren (1956 bis 1962, dem Jahr, in dem Smith zu Verve wechselte und mit „Bashin'“ eine neue Seite aufschlug aber auch ein Kapitel unwiderbringlich beendete – das Kapitel, das ich mit Abstand das tollste und wichtigste finde!) nahm Lion ca. 25 Alben mit Smith auf (die nicht alle sofort erschienen, klar). Lion war es auch, der Monk etablierte, der mit Bud Powell die wichtigsten Sessions aufnahm und ihm später ein paar der besten Alben abrang, der mit Herbie Nichols und Andrew Hill zwei weitere Solitäre bekanntzumachen suchte (bei Nichols ist er ja leider gescheitert … aber auch da, er nahm innert kurzer Zeit Material auf, das – mit ein paar Alternate Takes – drei ganze CDs füllt!).

Die Parallele zu Gordy ist wohl wirklich nicht sehr strapazierbar … sie beschränkt sich am Ende auf ein paar offensichtliche äusserliche Fakten (beide leiteten ihr Plattenlabel) und die Feststellung, dass sie auf ihre jeweils eigene Art wohl als Visionäre zu betrachten sind.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba