Re: Jazz zwischen Kunst und Kommerz

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gruenschnabel

Registriert seit: 19.01.2013

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nail75Das ist korrekt. Die meisten leben nicht von der Musik. ;-)
Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele denken, Verkaufszahlen oder Besucherzahlen seien für Musiker eher bedeutungslos. Meiner Erfahrung nach ist das Gegenteil der Fall.

Hier war nie die Rede davon, dass der kommerzielle Aspekt „für Musiker eher bedeutungslos“ sei. Derart naiv hat sich hier ja keiner geäußert.
Was du nun schreibst, hat eine andere Gewichtung als deine erste Äußerung, auf die ich mich bezog. Dort hattest du behauptet, für die meisten Musiker hätten Verkaufszahlen oberste Priorität. Ich stimme eher Gypsy zu, dass es da ganz gewaltige Unterschiede gibt und differenziert werden müsste (ganz davon abgesehen, dass man hier lediglich mit Indizien argumentieren kann).
Ich möchte eine solche undifferenzierte Äußerung einfach nicht unkommentiert stehen lassen, weil es m.E. vielen Musikern und ihrer Berufsauffassung nicht gerecht wird.
Obwohl ich – zumal im Jazzbereich – extrem wenig Ahnung habe, erlaube auch ich mir hier mal wie du das Absondern ganz subjektiver Eindrücke:
Ich kenne ja fast nichts außer Miles Davis und hänge gerade in der Zeit zwischen 1966 und 1969 fest. Unbestritten ist wohl, dass sowohl Davis selbst als auch seine Plattenfirma das Ziel verfolgten, nach Alben wie „E.S.P.“, „Miles Smiles“, „Sorcerer“ und „Nefertiti“ breitere Käuferschichten zu gewinnen. Und man könnte wohl auch recht überzeugend belegen, dass die nachfolgende Hinwendung zum „elektrischen Stil“ damit in Zusammenhang steht.
Wer jetzt aber sagen würde: „Ha, siehste, ‚Bitches Brew‘ ist im Kern eine Kommerzialisierung des Schaffens Davis'“, der greift m.E. viel zu kurz. Denn: Es gibt eben auch deutliche Hinweise darauf, dass Davis seine Ansprüche an andere Qualitätsebenen seines Outputs genauso im Auge hatte. Das gilt sowohl für musikimmanente als auch kontextuelle Aspekte wie z.B. das Ziel, sich wieder an die Spitze der Jazzentwicklung zu setzen. Oder auch den Versuch der Hinwendung zum afroamerikanischen Publikum. „Bitches Brew“ ist in meinen Ohren musikalisch keineswegs ausschließlich auf Massenkonsumierbarkeit gebürstet. Davis verfolgte mit dem Album gleichzeitig noch andere Ziele.

Und überhaupt: Bei nur wenigen Jazzmusikern drängt sich mir der Verdacht auf, die kommerzielle Verwertbarkeit der Musik sei das höchste Ziel. Natürlich gibt es immer wieder Projekte, bei denen ich mir vorstelle, sie seien aus derlei Erwägungen entstanden oder zumindest maßgeblich beeinflusst. Als Naturgesetzmäßigkeit sehe ich das aber nicht an. Meistens überlagern sich verschiedenste Zielsetzungen.

Zum Schluss noch eine zuspitzende, undifferenzierte Bemerkung meinerseits: Ich denke, dass die Leute, die primär reich und berühmt werden woll(t)en, sowieso Pop- / Rockmusiker wurden und werden.:lol:

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