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TheTalentsDiese schön verschleierte Kritik an meinem „Urteilsvermögen“ verbitte ich mir.
Ach, es ist schon ein Kreuz ….
Schön mag es ja sein (vielen Dank für das Kompliment), aber „verschleiert“ ist da nun wahrlich nichts. Es handelt sich offenkundig um eine von der Sachaussage rückschließende, implizierend formulierte Kritik, also eben keinen persönlichen Angriff. Den könntest du dir „verbitten“, einen sachlich orientierten Rückschluss eben nicht.
Wenn du dir aber den Schuh anziehen möchtest … ich verdenke dir es nicht. Verbieten kann ich es dir ja sowieso nicht, das würdest du dir dann nämlich zu Recht verbitten.
Aber lassen wir die Wortspielereien, gehen wir „in medias res“, wie der intellektuelle Lateiner sagen würde.
TheTalentsEs ist zweifellos bekannt, dass John Lennon sich zu sehr vielen Themen äußerte, die für die Öffentlichkeit von Relevanz sind. In seinen Jahren nach den Beatles beteiligte er sich aktiv an der „Anti-Vietnamkrieg-Bewegung“ und sein Standpunkt „Make love, not war“ entwickelte sich zu einem Leitfaden vieler Menschen.
Darüber hinaus war er ein politisch engagierter Mensch, der in Interviews oft Farbe bekannte und unbekümmert kritisch Stellung nahm.Ziehen wir die obige Definition zu Rate, so ist John Lennon also durchaus als intellektuell zu bezeichnen, und mein Urteilsvermögen doch noch intakt.
Soso, der John Lennon selig hat also seinen Standpunkt „Make Love, not war“ verbreitet, der sich dann zum Leitfaden vieler Menschen entwickelte. In welchem bahnbrechenden Essay hat er das denn getan? Und völlig gegen den Zeitstrom hat er tiefschürfende Analysen zum Vietnam-Krieg betrieben und wahrscheinlich gleich im Alleingang die Anti-Kriegsbewegung inspiriert. Sauber, stattliche Leistung, wenn es denn so wäre. Ist aber natürlich völliger Unfug.
In den meisten Fällen ist er als prominenter Musiker um eine Meinungsäußerung gebeten worden, und da hat er dann zumeist gesagt, dass er Krieg Scheiße findet, Frauen und Iren unterdrückt werden, dass alle sich stattdessen besser lieb haben sollten – also das komplette Gutmensch-Programm, das man dann eben so abnudelt oder sogar dran glaubt (was ist schlimmer?). Von der üblichen und zwingend erforderlichen (!) zynischen und analytischen Schärfe der Intellektualität findet sich kaum keine Spur. Wenn es denn mal eine „subversive“ Aktion gab, an der er beteiligt war, wie bspw. das „bed-in“ in Amsterdam oder die Give Peace a Chance-Arie in Toronto, dann war es doch eher seine Frau, die „intellektuell“ dahinter stand, zumeist als Aktionskunst verbrämt.
Wenn diese absolut dem „Subkultur“-Zeitgeist verpflichteten geistigen „Leistungen“ vorwiegend in der zweiten Hälfte der 60er bis zu beginnenden 70er Jahren – in deren weiterem Verlauf er so gut wie nie öffentlich um seine Meinung gefragt wurde, außer von irgendwelchen obskuren Musikmagazinen – den Terminus „intellektuell“ rechtfertigen, dann gilt dies mindestens für zwei Drittel aller A-, B- und C-Prominenten, die sich wie auch immer meinungsmäßig äußern.
Udo Lindenberg beispielsweise hat einmal als einer der ersten die wichtige Frage gestellt, wozu Kriege überhaupt da sind. Da wär vor ihm auch keiner drauf gekommen. Und die in Hunderttausende gehende Friedensbewegung in Deutschland in den 80er Jahren – Udos Werk! Oder war es Peter? Oder Nena? Oder alle zusammen, die intellektuelle Bagage? Ganz zu schweigen von so einem deutschen Vorzeige-Intellektuellen wie Stefan Effenberg, der es in zynischer Analyse im eigenen Buch „Allen gezeigt“ hat, was er so von der Welt und insbesondere Betrunkenen in seiner Autoauffahrt hält. Oder Dieter Bohlen, dem führenden Marketing-Vordenker der Republik. Oder dem rasierklingenscharfen Analytiker Franz Beckenbauer – „Was zählt, ist der Mensch. Links und rechts gibt es heute in der Politik sowieso nicht mehr“. Oder, oder, oder …. alle sträflich und zu Unrecht intellektuell unterbewertet.
Wenn also John Lennon ein Intellektueller sein soll, gerät deren Liste zur Legion. Alle Schulaufsatz- und Proseminar-Definitionen aus Wikipedia helfen gar nichts, der Begriff fällt dann komplett der Beliebigkeit anheim. Unscharfe Allgemeinbegriffe und zermatschte Argumentationen können Intellektuelle übrigens auf den Tod nicht ausstehen, habe ich mir mal sagen lassen.
Lass ihn doch einfach den Musiker und kreativen Menschen sein, der er ohne Zweifel war. Eine falsche Überhöhung hilft niemanden, ebenso wenig wie vorauseilende Entschuldigungen. In diesem Sinn schließe ich an dieser Stelle von meiner Seite die Diskussion.
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The only truth is music.