Re: Die „Zauberflöte ein Machwerk“? Anderes?

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nail75

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otisDer zweite Punkt scheint heikler, wenn es denn schon Hybris ist, wenn man es wagt, LvB zu bekritteln. Ja, Hybris in den Augen der Anbeter. Igitt, wie kann er nur, dieses Heiligtum beschmutzen! In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Ich erlebte eine solche Abfuhr auch einmal auf einem Rockkonzert durch einen Rockjournalisten, als ich es wagte, sein Idol in Frage zu stellen.

Hier gibt es aber einen grundsätzlichen Unterschied in dem von dir beschriebenen Szenario. Ein Konzert im Bereich der populären Musik bietet meistens einen Auftritt des als „Idol“ verehrten Künstlers. Man kann ihn also direkt kritisieren. Wenn man hingegen ein Klassik-Konzert besucht, dann erlebt man ja nicht Beethoven, Bach oder Mozart selbst, sondern eine Interpretation ihrer Musik von Musikern, die Jahrhunderte später leb(t)en. Mit anderen Worten, wenn man eine Aufführung nicht mag, dann liegt es nahe, den Aufführenden dafür verantwortlich zu machen und nicht die Komponisten.

Ich habe kein Problem damit, Komponisten in Frage zu stellen, aber ich denke, man sollte schon maßvoll agieren. Im eigenen Interesse. Es gibt ja schließlich einen Grund, warum zentrale Werke von Bach, Beethoven und Mozart heute noch gespielt werden. Das Publikum will sie offensichtlich hören, Künstler möchten sie aufführen. Allein die Langlebigkeit spricht für eine gewisse Qualität. Das bezieht sich keineswegs auf das Gesamtwerk, das nur Spezialisten kennen, sondern auf gewisse zentrale Werke.

Wenn man eine Diskussion über die Qualität der Werke von Beethoven beginnen will, dann reicht es aber nicht, ihm „ästhetische Defizite“ vorzuwerfen. Das ist nur Code für „gefällt mir nicht“ und das ist angesichts der nachhaltigen Popularität der Werke etwas dünn. Genausowenig nützt es Goethe oder Shakespeare für „überschätzt“ zu halten. Da muss man schon präziser argumentieren, ansonsten ist es eben eine Meinungsäußerung: Person XY gefällt Beethoven nicht – das interessiert aber leider niemanden.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.