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Und in das obige Zitat bringt mich gleich noch zur nächsten Frage; „Wer sollte denn die Werke klassicher Komponisten kompetent kritisieren“. Ich kenne allein berufsbedingt zahlreiche Menschen, die sich mit Musik (auch klassischer) beschäftigen und darunter ist ein sehr großer Anteil, der [Ironie]“etwas davon versteht“, aber gerade im Bereich der Klassik möchte ich mal behaupten, dass ca 80-90% der Konzertbesucher reine Konsumenten sind, denen man (fast) alles vorsetzen kann, ohne dass Sie etwas daran auszusetzen hätten.Eine Anekdote, die mir im Laufe der Unterhaltung über diese Diksussion hier(!) ein befreundeter (wirklicher) Klassikkenner erzählte, betraf eine Aufführung von Brahms‘ erster Symphonie, der er mit einer größeren Gruppe, darunter auch ein Musikwissenschaftler, beiwohnte. Nach dem Konzert fanden zunächst alle, dass es eine richtig gute Aufführung war, worauf der Musikwissenschaftler nur meinte; „Richtig gut wäre es gewesen, wenn die Exposition im ersten Satz wiederholt geworden wäre“ worauf erst einmal Stille einkehrte. Dabei ist absolut nebesächlich, dass diese Wiederholung häufig ausgelassen wird, entscheidend ist, dass sich im gesamten Publikum sicher nur der kleinste Teil der Zuhörer überhaupt bewusst war, dass es da eine Exposition gibt, die wiederholt werden kann.
Perfekt auf einen Punkt gebracht, den ich mit meinem, möglicherweise leicht provozierenden Eingangspost ansprechen wollte. Wenn es daran scheitern sollte, streiche ich gern den Begriff Kanon und ersetze ihn durch die obige Beobachtung
gerade im Bereich der Klassik möchte ich mal behaupten, dass ca 80-90% der Konzertbesucher reine Konsumenten sind, denen man (fast) alles vorsetzen kann, ohne dass Sie etwas daran auszusetzen hätten.
Der zweite Punkt scheint heikler, wenn es denn schon Hybris ist, wenn man es wagt, LvB zu bekritteln. Ja, Hybris in den Augen der Anbeter. Igitt, wie kann er nur, dieses Heiligtum beschmutzen! In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Ich erlebte eine solche Abfuhr auch einmal auf einem Rockkonzert durch einen Rockjournalisten, als ich es wagte, sein Idol in Frage zu stellen.
Es ist sicher eine schwierige Diskussion hier, da reichlichst aneinander vorbeigeredet wird, deshalb noch einmal hier der zweite Punkt, um den es mir ging, und den ich gestern Abend so formuliert habe:
es darf (muss) in meinen Augen beim Rezipienten benenn- und begründbare Kritierien geben, die sich einem Kunstwerk entgegenstemmen …
Wenn ich diesen Satz negiere, kann ich hier nicht weiterdiskutieren. Keine Frage. Wenn ich dem aber zustimme, so sollten Diskurse doch möglich sein.
Wenn ich in meiner Wortwahl da und dort platter war (Beethovens 9.), als man es im hohen Hause der Klassik gewohnt ist, so bitte ich das nachzusehen, keineswegs aber sollte dadurch der Eindruck entstehen, dass ich der Meinung bin, dass meine ästhetischen Urteile auch für andere gelten sollten. Nein, zur Diskussion stellen will ich sie. Und dass ich reichlich oft von mir rede, soll gerade der Hybris entgegenstehen, keineswegs nämlich maße ich mir an, hier für andere zu sprechen.
Also bitte, was macht z.B. das Freude-Thema musikalisch wertvoll? Es ist melodietechnisch, rhythmisch und harmonisch auf Schlagerniveau, wie ich finde.
Nun kann man sagen: genau das ist, macht es doch so kostbar, damit erreicht Beethoven alle Menschen, unabhängig von Bildung etc., das überfordert niemanden. Man könnte es diskutieren.
Oder man kann sagen: Auf das Thema kommt es doch nicht an, sondern auf seine musikalische Verarbeitung; seine Einführung in den 4. Satz, die Doppelfuge später etc? Man könnte es diskutieren.
Oder man kann sagen: andere Themen sind doch auch entsetzlich einfach, denke mal an Ah Vous Dirais Je, Maman deines verehrten Herrn Mozart. Man könnte es diskutieren.
Gern auch können wir hier erst einmal über meine obige Kernthese reden, aber dann auf den Punkt.
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