Re: get happy!? #4 – VÖ 05.04.2013

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get-happy

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Der Triumph des Proberaums: Robert Forster in Berlin

Ex-Go-Between Robert Forster hat in den vergangenen Jahren nur sehr selten Konzerte gegeben. Eine der wenigen Gelegenheiten, ihn live zu sehen, bot am Samstagabend das Wassermusik-Festival auf dem Dach des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin. get happy!? war dabei – und hat einen begeisternden Abend erlebt.

Wenn Musik vom Band aus den Boxen schallt, ist das normalerweise das Signal zum Aufbruch: Jetzt kommt nichts mehr, das Konzert ist endgültig vorbei. Doch an diesem Abend liegt ein Hauch von freundlicher Ekstase in der vom Regen zugleich abgekühlten und durchtränkten Luft. Anderthalb Ron-Sexsmith-Stücke johlt und pfeift das Publikum entschieden nieder, noch nicht bereit den Abend als beendet hinzunehmen – und dann ist er auf einmal wieder da. Robert Forster, bekannt für seine makellose Distinguiertheit, hat sein weißes Hemd abgelegt. Zur Anzughose trägt er jetzt das hellblaue T-Shirt des Wassermusik-Festivals, das ihn auf die Dachterrasse verschlagen hat. Nichts stimmt eigentlich an diesem Outfit, das man in seiner Nachlässigkeit so gar nicht mit Forster in Verbindung bringt – und doch passt es perfekt in den Moment. Offenkundig überwältigt, geradezu befreit lachend, tapert er auf das Mikrofon zu.

Gute drei Stunden zuvor: Noughts and Exes müssen ihren gut durchdachten und selbstbewusst dick aufgetragenen Indie-Folk noch bei Nieselregen spielen. Hätten Damien Rice und Glen Hansard ihr Pathos ein bisschen besser im Griff, würden sie vielleicht klingen wie diese mit konzentrierter Musikalität und dem Gespür für das richtige Maß an Pomp gesegnete Band aus Hongkong. „Sorry about the rain“, entschuldigt sich Sänger Joshua Wang – und kann letztlich doch ein paar anerkennend applaudierende Zuschauer unter den Schirmen der Bierstände in die ungeschützte Fläche vor der Bühne locken.
Nach der Pause aber ist der Himmel aufgeklart. Robert Forster kommt zunächst allein auf die Bühne und singt zwei Lieder zur Gitarre: Mit „Baby Stones“, der trotzig-ätzenden Schmähung einer Verflossenen, setzt er geschickt einen crowdpleaser von seinem Solodebüt an den Anfang. „Spirit“ vom 2000er Reunion-Album der Go-Betweens klingt dann allerdings noch karger als auf der Platte, aber eben auch intensiver. Weil es sich so leicht als Liebeserklärung an den zweiten Go-Between Grant McLennan lesen lässt, weist es auf das Loch hin, das seit dessen Tod vor mittlerweile sieben Jahren klafft.

McLennan ist allgegenwärtig an diesem Abend, auch wenn sein Name nur ein einziges Mal fällt, als Forster „Too Much of One Thing“ als „The Ballad of the Go-Betweens“ ankündigt. Doch sein Fehlen drückt die Stimmung nicht. Der Respekt seiner Leistung gegenüber scheint unausgesprochener Konsens auf der Bühne zu sein, auch als zum dritten Song Forsters Band dazukommt. Die drei Berliner Musiker, zwei von ihnen Mitglieder der Band Die Türen, drängen sich nicht in die Lücke, die Grant McLennan hinterlassen hat. Die backing vocals etwa sind so dezent in den Hintergrund gemischt, dass man nie versucht ist, Vergleiche anzustellen.

Die drei erstarren aber auch nicht in Ehrfurcht, setzen mit Paraphrasen, eingeworfenen Licks oder rhythmischen Variationen kleine eigene Akzenten. Und das hat einen erfrischenden Effekt. Jeder Song bleibt im Direktvergleich mit dem Original klar erkennbar. Doch die kleinen Ergänzungen sorgen mit dafür, dass der Abend niemals Gefahr läuft, Forsters und McLennans musikalisches Erbe nur zu verwalterisch auszustellen.

Auch die Songauswahl trägt dazu bei. Forster und seine Band spielen kraftvolle Versionen offenkundiger Hits wie „Spring Rain“, „Heart Out to Tender“ oder „Here Comes a City“, bringen aber auch sperrigere Songs wie „Draining the Pool for You“ oder „Your Turn My Turn“ zum Schimmern. Mit „People Say“ hat er ein ganz frühes Stück aus den 1970er Jahren auf die Setlist gesetzt, die neuesten Stück stammen vom letzten Go-Betweens-Album Oceans Apart (2005). Forsters mittlerweile fünf Jahre altes jüngstes Soloalbum The Evangelist wird ausgespart, ebenso wie die neuen Songs, die er im nächsten Jahr auf der nächsten Platte zu veröffentlichen hofft.

Die ganze Woche über hat Forster mit Bassist und Keyboarder Michael Mühlhaus (ehemals Blumfeld), Schlagzeuger Robert Kretzschmar und Gitarrist und Bassist Ramin Bijan in Berlin für diesen Abend geprobt. Nicht alles läuft glatt. Mal drosselt Forster mit Gesten die Lautstärke, mal erkundigt er sich, welches Lied als nächstes dran ist, immer wieder sagt er spontan an, wenn ein Refrain noch einmal wiederholt werden soll. Und als er die drei ganz am Ende ausführlicher vorstellen will, muss er sich zweimal mit Nachfragen an Bijan wenden.

Gerade dieses Unfertige, diese Spontaneität, diese durchschimmernde Proberaumatmosphäre machen das Konzert zu einem der besten der vergangenen Jahre. Das Publikum ist begeistert, die Band lässt ihre Coolness fallen und freut sich bisweilen wie eine Gruppe Schuljungs. Und auch Forster wirkt überaus zufrieden.

(auch hier nachzulesen, inklusive einiger Bilder)

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