Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Retromania | ist Pop tot? › Re: Retromania | ist Pop tot?
MikkoPop ist weder tot noch arriviert oder saturiert. Aktuelle Pop Musik ist für Jugendliche immer noch identitätsstiftend. Allerdings sicher nicht mehr in den Maße und so ausschließlich wie sie es vor Jahrzehnten war. Das liegt aber mit Sicherheit nicht an der Etabliertheit neuer Pop Musik. Es liegt eben daran, dass sich die Zeiten schlicht gewandelt haben, wie es hier ja schon vielfach beschrieben wurde.
Und diese „Spezialisten“ gibt es, seit Pop Musik im Feuilleton arrivierter Zeitungen angekommen ist. In England und den USA hat es sie vermutlich etwas früher gegeben als bei uns. Aber letztlich sind es eben auch nur jene Spezialisten, die sich über Begriffe wie „Retro“ Gedanken machen und darüber vermeintlich schlaue Abhandlungen schreiben.Wer Pop Musik als zum täglichen Leben gehörend begreift, kommt nicht auf solche Gedanken. Es gibt nur gute oder schlechte Pop Musik (und natürlich die eine oder andere Grauzone). Der Begriff „retro“ hilft bei der Unterscheidung mit Sicherheit kein bisschen.
Ich fragte, ob das, was die „Spezialisten“ unter Pop verstehen, nicht so eine Art „Kunstlied 2.0“ etc. sei. Darin, dass Pop weder tot noch arriviert oder saturiert sei, stimme ich Dir zu, denn dazu ist er zu vielgestaltig. Auch stimme ich Dir in der Aussage zu, dass es nur gute oder schlechte Popmusik (und natürlich die eine oder andere Grauzone) gebe; allerdings gibt es andererseits ebenso – gerade bei den „Spezialisten“ – nicht nur die erwähnte qualitative Distinktion im Pop, sondern auch ein persönliches Distinktionsbedürfnis als auskennerischer Spezialist. Und letzteres trübt nach meinem Dafürhalten in erheblichem Maße das Urteilsvermögen bezüglich ersterer. Leichtigkeit z.B. sowohl in der Popmusik wie auch als Charakterzug von InterpretInnen scheint weithin verpönt zu sein; gefeiert dagegen wird ausdrücklich Schwere, Weltschmerz und Ingrimm. Die Analogie zu Jorge von Burgos habe ich bereits andernorts gezogen, und ich habe den damaligen Ausführungen vorläufig nichts weiter hinzuzufügen als ein Zitat aus einem Leserkommentar zum Großen Augsburger Pharisäerbrief:
Laurenz KambrückMir wird dabei auch einen Fünkchen klarer, warum aus Deutschland so wenig international erfolgreiche Popmusik kommt: Weil solche Herrschaften in ihren „richtigen Sozialisationen“, die Hüter des vermeintlich einzig wahren und guten Geschmacks, hier das Klima bestimmen und so Pop schlicht und ergreifend verhindern.
Es dräut eben eher die musikalische Asozialisierung, wenn man statt mit offenen Ohren und Herzen mit Ressentiment an Musik herangeht.
P.S.: Meine Erfahrung mit Internetforen sagt mir, dass es ratsam sein könnte, explizit zu betonen, dass die voranstehenden Ausführungen sich nicht in erster Linie auf dieses Forum beziehen.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=