Re: Lesefrüchte

#8674975  | PERMALINK

hal-croves
אור

Registriert seit: 05.09.2012

Beiträge: 4,617

Uns macht man nichts weis

»(Cook ist da – kein Aprilscherz!) Man schreibt aus Saarbrücken vom 1. April: Der Nordpolfahrer Cook, der heute abend auf seiner deutschen Vortragstournee auch unsere Stadt beglückte und einen Lichtbildervortrag radebrechte, wurde dabei von einem tragikomischen Mißgeschick verfolgt. Trotzdem unser Publikum nicht wenig sensationslüstern ist, stellten sich doch nur etwa fünfzig Personen zum Vortrage ein. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, die Ankündigung Cooks sei ein Aprilscherz und auf den wollte niemand hineinfallen.«
Der Kulturforscher wird gut tun, diese Notiz unmittelbar an den Bericht über das Bankett der geographischen Gesellschaft in Kopenhagen anzuschließen. Daß er vom Nordpol komme, haben ihm die Fachleute geglaubt. Daß er in Saarbrücken angelangt sei, hielten die Laien für ganz unwahrscheinlich. Als er zum erstenmal vom Nordpol erzählte, hieß es in der Welt nicht: Wiewohl unser Publikum nicht wenig sensationslüstern ist, stellten sich doch nur etwa fünfzig Personen ein, weil niemand hineinfallen wollte. Mit der Flucht der Saarbrückener, die man in einer Denkmünze festhalten müßte, endet der Siegeszug des Fortschritts. Die Vertrottelung ist nicht mehr aufzuhalten. Jetzt sind sie sogar schon gescheit! Wenn Herr Cook, dieses arme Opfer der Leute, die ihm aufgesessen sind, sich einmal eine Zigarre anzündet, werden sie sagen: Es brennt nicht! Und wenn er verhungert, werden sich Publikum und Presse darin einigen, daß sie auf den Aprilscherz nicht hineinfallen. Die Notiz selbst könnte ein Aprilscherz sein: dann ist sie dreifacher Betrug der Welt und bezeichnet umso besser einen Geisteszustand, den man ausrechnen kann, wenn man die Dummheit zur Kubikzahl erhebt.

(Die Fackel: Nr. 347-348, 27.04.1912, S. 53-54)

--

"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=