Re: Lesefrüchte

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hal-croves
אור

Registriert seit: 05.09.2012

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Karl Kraus hatte niemals die Absicht, die Presse zu bessern. Er stellte sichs nur zur Aufgabe, ihre Suggestion zu durchbrechen. Das ist natürlich nur eine Interimsarbeit. Die Zeit wird kommen, wo die Gesellschaft die Macht der Presse ebenso konstitutionell regulieren wird, wie die Macht des Staatsoberhauptes. Derzeit läßt sie jene à discretion schalten. Wie, wenn eines Tages die Gesellschaft auf den Gedanken verfiele, die Vertretungsbefugnis der Presse zu prüfen? Man hat noch lange nicht alle Konsequenzen aus der Konstitution gezogen! Das allgemeine Wahlrecht führt, genau besehen, zu der Forderung, daß, nachdem nun alle im Lande vertreten sind, niemand mehr das Recht hat, sich für einen befugten Vertreter einer Mehrheit auszugeben, der nicht in der Lage ist, sein Mandat nachzuweisen. Die gegenwärtige Macht der Presse beruht zum Teil auf diesem Zwitterzustand. Sie genießt alle Vorteile der Subjektivität, insbesondere die Unverantwortlichkeit, derzufolge es das Recht jedes Blattes wäre, zu verschweigen, was ihm beliebt, – gleichzeitig wird aber die Fiktion festgehalten, daß man im Namen irgend einer Gesamtheit das Wort führt. Diese aber, das »Volk«, die »Intelligenz«, oder wie das vorgeschobene Ding heißt, haben weder das Recht noch ein Mittel, dieses fingierte Mandat zu bestreiten! Wie, wenn die Gesellschaft, in deren Namen die Presse richtet, einmal darauf dränge, daß ihr Einfluß geregelt und systemisiert wird? Wenn sie, gerade in Anerkennung des hohen »Amtes«, auch einen Mißbrauch der Amtsgewalt konstituierte?

(Robert Scheu, in: Die Fackel: Nr. 277-278, 31.03.1909, S. 7-8)

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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=