Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › Lesefrüchte › Re: Lesefrüchte
[…] Es ist Beruf und Pflicht des Geistes, dem Geist anzugehören und zu helfen und dabei sich selbst die höchste Rechtfertigung zu gewinnen. Es ist nahezu das einzige zuverläßige Zeugnis für eines Mannes Wert, wenn er mit dem Bewußtsein der eigenen auch das fremder Bedeutung vereinigt, wenn er neben dem einfachen Instinkt der Icherhaltung den feineren, selteneren einer gerechten Würdigung des fremden, edlen Selbst bewahrt. Es bleibt die einzige Aufgabe, die ein unabhängiger schöpferischer Mensch anerkennen mag, der gleichgiltigen Zwangsgesellschaft ringsum eine absichtsvolle, freie, aus unabhängiger Wahl aneinandergeschlossene, durchgeformte und bestimmte Vereinigung entgegenzubilden, die durch sich selbst eine höhere Art erwirkt, welche den Einzelnen über sein gegebenes Maß hinaushebt. Es ist die einzige Entwicklung, die ihren Mann verdient. Freilich gehört ein gewisser Mut dazu, soviel Zutrauen nicht bloß zu sich, sondern zu fremden Menschen, Ideen, Leistungen zu haben, nichts kann tiefer erschüttern, als ein Irrtum in dieser Grundfrage. Aber Geist ist eben Mut schlechthin.
Die Rechtfertigung des eigenen Wesens durch solche Wahlgemeinschaft bedeutet einen Gewinn, der selbst mit Enttäuschungen nicht zu teuer bezahlt wird. Überhaupt welche Angst vor bösen Erfahrungen! Als wären sie nicht die einzige Währung, mit der wir die Launen, Abenteuer, Zügellosigkeiten, Genüsse, all die Jahreszeitenwechsel, den Sternenhimmel unserer Geistigkeit bezahlen müssen! […]
(Die Fackel: Nr. 267-268, 17.12.1908, S. 20)
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=