Re: Villagers ~ Awayland

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ragged-glory

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Stellen Sie sich einfach mal vor, „Quadrophenia“, der Film, nicht das Album, würde anders enden, nämlich hoffnungsvoller. Jimmy kriegt das Girl, und die Sonne scheint über das Gras und die weißen Klippen, während die beiden auf dem Scooter nicht dem Abgrund entgegen rasen, sondern einer, wenn auch ungewissen, Zukunft. Und dazu läuft – unvorstellbar, ich weiß – nicht „Love, Reign O’er Me“, sondern das instrumentale Titelstück dieses erstaunlichen zweiten Albums von Villagers.

„Awayland“, sagt der irische Multi-Instrumentalist und Songwriter Conor O’Brien, sei der Versuch, Musik aus der Sicht eines Neu- oder Wiedergeborenen zu schreiben. Entsprechend wuchtig, euphorisch, vollgestopft mit Farben, Klängen und flirrenden Eindrücken klingen Album-Höhepunkte wie „The Grateful Song“, „Earthly Pleasures“ oder „The Bell“. Es sind mehrteilige Kompositionen, deren Struktur O’Brien beim Progrock und den Rockopern der Siebziger entlieh und sie mit Kraut-Loops und elektronischem Gebimmsel zeitgemäß austattete.

Mehr noch als auf seinem bereits von der Kritik gefeierten Debüt „Becoming A Jackal“ (2009) erweist sich O’Brien, der sich eigentlich vorrangig als Musiker sieht, als lyrisch versierter Erzähler, der immer wieder verblüffende Narrative findet, die in ihrer komplexen, gewitzten Romanhaftigkeit an Stan Ridgway erinnern: „I waited for something, and something died/ So I waited for nothing, and nothing arrived“, singt er in „Nothing Arrived“, dem Pophit des Albums, falls jemand hier nach so etwas sucht.

Es empfiehlt sich jedoch, sich auf die Gesamtheit dieser Platte einzulassen, die einen einzulullen vermag wie ein Nachmittag am Meer, wenn die Geräusche des Strandtreibens zusammen mit dem Auf und Ab der Wellen eine wohlige Trance induzieren, die alles in einem neuen, warmen Licht erscheinen lassen, so dass man völlig vergisst, dass Winter ist, die Sonne nicht scheint, man im nassen, kalten Sand bibbert und der Himmel aus grauen Wolken glotzt. So ein Album ist das nämlich. Damit fängt das neue Jahr gut an. But the world won’t listen, Arne.

(7.3) Andreas Borcholte

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