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pinchEher nicht. Ich würde die Einflüsse mehr in den Bereich Gospel setzen, was die Musik angeht. Die Einflüsse der politischen Implikationen auf WGO stammen eher von Rednern wie Martin Luther King, Malcolm X, der Nation of Islam, dem afrozentrisch-kollektiven Bewusstsein, sicher auch aus dem Blues, aber nicht dem von Dylan. Hauptantrieb war aber ohnehin ein Schicksalsschlag in Gayes Leben. Das ganze ist auch weniger ein Storytelling im Sinne von Dylan, kein Formen von Worten oder Spielen mit Versen usw., mehr eine eigene innere Stimme, die hierbei zum Ausdruck kommt und bei der ich eine Verwandtschaft zu Dylan nicht zu erkennen vermag. Weder philosophisch, spirituell noch sonstwie.
Alles richtig bzw. nicht falsch, aber folgendes würde ich entgegenhalten: Dylan ist eben kein reiner Storyteller, er beherrscht eine ganze Reihe verschiedener Formen. Unter anderem hat er es als einer der ersten Popkünstler politische Themen auf einem Album angesprochen und sie mit seiner individuellen Haltung verbunden. Das macht Gaye auch und ich behaupte, dass das trotz der Andersartigkeit der Haltung und der Einflüsse durchaus eine Parallelität ist.
Nochmal: Gaye ist kein Dylan-Epigone oder ein Dylan-Schüler, das zu behaupten wäre Irrsinn. Es geht nur um Parallelen in der Vermittlung gesellschaftspolitischer Themen.
bullschuetzDie Tatsache, dass Motown die Nummer aufgriff, belegt, denke ich, wie breit Dylan gerade auch in der Black Community wahrgenommen wurde. Da war einer, der vormachte, dass sozialkritische Themen im Pop-Kontext funktionierten. Die Botschaft für Performer wie Cooke war wohl etwa die: Wir müssen uns nicht auf unverfängliche Themen beschränken und können dennoch erfolgreich sein, wir können ausdrücken, was uns bewegt, ohne damit unsere Pop-Karriere an die Wand zu fahren.
Und genau diese Lehre hat Marvin Gaye doch ebenfalls gezogen – und dennoch schreibst du.
Was Marvin Gaye betrifft: Klar wird der auch Dylan zur Kenntnis genommen haben, aber der Einfluss dürfte da doch deutlich vermittelter sein. Dylan gehört sozusagen als eines von vielen Kapiteln zur Vorgeschichte des ganz eigenen Wurfs What’s goin on.
tolomoquinkolomZur einsamen Pionierarbeit von Dylan wäre anzumerken, dass er gar nicht so alleine war. Es gab Pete Seeger, The Kingston Trio und Peter, Paul & Mary, The Seekers, Harry Belafonte u.a., die Folk mit Pop verbanden.
Und dann wären auch noch jene Impulse und Einflüsse der Beat-Poeten (Burroughs, Ginsberg, Kerouac, Ferlinghetti – und auch die wiederentdeckten Rimbaud und Baudelaire) zu nennen
Aber genau das hat doch auch niemand behauptet. Natürlich hat Dylan nicht in einem luftleeren Raum agiert. In Greenwich Village gab es ja auch noch andere, Dave van Ronk, Fred Neil usw. Niemand hat behauptet, dass Dylan alleine war, aber er besaß diese gewaltige Außenwirkung. Das war gar nicht mal sein Wunsch, es war einfach das Ergebnis seiner Brillanz.
tolomoquinkolomPete Seeger ist eben ein sehr freundlicher Mensch.
Und nicht nur das, auch ein kluger Mensch.
Was ‚chains‘ betrifft, reiche ich noch Joan Baez nach. In diesem Fall stand Bob Dylan sogar in mehrfacher Hinsicht unter Einfluss – und konnte dabei sogar noch etwas lernen.
Aber sicherlich nicht Songwriting. Das merkte er bald auch.
Außerdem hatte er keinen Bock mit Baez Prinz und Prinzessin des Folk zu werden. Joan Baez leidet heute noch darunter.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.