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MikkoIch finde ihr Auftritt beim Echo hat einen hohen Fremdschämen-Faktor. Lena ist mir eigentlich nach wie vor durchaus sympathisch, aber da wirkte sie wirklich wie auf Koks und nach einem kräftigen Joint gleichzeitig.
Auf Dich vielleicht. Und auf Arne Willander anscheinend auch. Ich dagegen sehe eine hochemotionale Reaktion einer immer noch sehr jungen Frau, die offensichtlich gerne mit dem weitermachen will, was sie mit großem Erfolg begonnen hat, sich aber, wie freilich zu erwarten war, einer veröffentlichten Meinung gegenübersieht, die nach jahrelanger Gewöhnung nichts anderes mehr kennt als Zynismus und Verstellung, und die darin geübt ist, nach einem großen Hype mit gelangweilter Geste den nächsten heran- und wieder abzuwinken. Warten nicht Krethi und Plethi mit routiniertem Vergnügen darauf, Lena dort zu sehen, wo der Pfeffer wächst? Diese Erwartung ist freilich nicht Lena-spezifisch, sie hat mit ihr als Person relativ wenig zu tun, sondern einfach mit einem vollkommen pervertierten Blick auf Menschen. Cro trägt genau deswegen seine Pandamaske; er weiß, dass er der nächste wäre, den die Öffentlichkeit irgendwohin wünschen würde, wo die Sonne nicht scheint, wenn sie nur wüssten, wie er aussieht. Lena dagegen zeigt ihr Gesicht und ihre Gefühle; wie mutig das ist, sieht man an Reaktionen wie der Deinen und Willanders.
Nun kann man freilich ohnehin der Meinung sein, der Echo sei völlig irrelevant und wertlos; bei der schreibenden Zunft ist das ja quasi Konsens. In diesem Fall ist die Pointe aber die, dass die Grundlage der Preisverleihung in der Video-Kategorie eine Internet-Abstimmung war, bei der gewissermaßen die Fan-Bataillone von Bushido, Cro, Die Toten Hosen, Y-Titty und eben Lena gegeneinander antraten. Wohlgemerkt, nicht im Jahr 2010, als Lena unter den Fittichen von Stefan Raab eh alles zuflog, sondern drei Jahre später. Inzwischen hat Cro sich als größter Hype des abgelaufenen Jahres herausgestellt, Die Toten Hosen haben den größten kommerziellen Erfolg ihrer Geschichte, Bushido gewann gemeinsam mit Sido 2012 den Video-Echo, und Y-Titty ist gerade der heißeste Scheiß im deutschsprachigen YouTube. Dass Lena gegen diese Konkurrenz den Preis gewonnen hat, zeigt ihr, dass das vielfach vorgefasste Urteil, sie werde eh bald wieder verschwinden wie so viele vor ihr, einen entscheidenden Fehler hat, nämlich an der Stelle, an der Lenas Fans über Jahre ungebrochen zu ihr stehen. Wenn das passiert, fällt es leichter, mit Häme und Misserfolgserwartung zu leben, weil es offensichtlich eine Basis für zukünftige Lena-Alben und -Konzerte gibt. Dies war nämlich ihr erster Preis, seit Stefan Raab nicht mehr als ihr Produzent und Mentor fungiert. Und offensichtlich hat sie nicht damit gerechnet, denn gegen die übrigen Nominierten musste sie im Vorfeld als Außenseiterin gelten. Die Anspannung stand ihr bereits deutlich ins Gesicht geschrieben, und die Preisverleihung an sie hat sie dann emotional überwältigt. Und so, wie sie sich zeigte, sieht das dann eben aus, wenn ein Mensch emotional überwältigt ist; ich habe das bei ihr durchaus nicht zum ersten Mal in meinem Leben gesehen. Sie hat’s halt nicht unterdrückt. Und das ist auch besser so.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=