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linnhttp://www.spiegel.de/kultur/musik/neues-album-von-lena-abschied-vom-showgirl-a-860805.html
(Guter Artikel […])
Ja, ganz nett (wenngleich er bezüglich des Albums relativ inhaltsarm ist; da finde ich andere Rezensionen aussagekräftiger). Auch nett, ihn prominent zu plazieren. Aber man merkt auch ihm gerade die Gewohnheiten und Mechanismen des Mediengeschäfts an, die er mit spitzen Worten kritisiert. Das wird besonders an einem „Klassiker“ der Berichterstattung über Lena deutlich:
Voreilig für ihre Tournee gebuchte Arenen blieben halbleer
Diese altbekannte halbleer-oder-halbvoll-Saga hat ja schon Bibliotheken gefüllt, und sobald man sich, wie ich jetzt, überhaupt darauf einlässt, gerät man natürlich sofort in die Gefahr, als Erbsenzähler dazustehen. Ob halbleer oder halbvoll – das spielt aber m.E. hier gar keine Rolle. Wenn die Angaben, die man bei Wikipedia findet, stimmen, zählte die Lena-Live-Tour 2011 etwa 75.000 Besucher, was bei neun Konzerten einen Zuschauerschnitt von über 8.000 ergibt. Es dürfte schwierig sein, andere Hallen als die damals gebuchten zu finden, die überhaupt solche Zuschauermengen fassen (zumal man vorher ja gar nicht wissen kann, wie viele überhaupt kommen).
Freilich gibt es diesen bizarren „Ausverkauft“-Kult, der nach Meinung vieler Leute ein besonderes Qualitätsmerkmal daraus macht, wenn eine Anzahl von Interessenten einen Popkünstler nicht live spielen sehen kann, weil keine Karten mehr verfügbar sind. Das wäre ja bei einem Act, der schon viele Tourneen absolviert hat, nachvollziehbar, bei einer jungen Sängerin dagegen, die ihr Publikum erst noch aufbauen muss dagegen eher dumm. Da ist es doch besser, in einer Halle mit 15.000 Plätzen bleiben 7.000 frei, als dass auch nur einer Lena nicht sehen kann, weil er keine Karte mehr kriegt.
Andere kommen damit ja auch bestens zurecht. In der Süddeutschen Zeitung wurde kürzlich mit großer Begeisterung und Anteilnahme ein Auftritt der Beach Boys vor 7.000 Zuschauern in der Berliner O2-Arena besprochen. So viele waren es im selben Haus auch bei Lena, wie Monate zuvor auch bei Kylie Minogue oder auch bei Katy Perry und Joe Cocker in Hamburg. Überhaupt habe ich noch nie jemanden sich darüber mokieren gehört, dass ein Konzert „nicht ausverkauft“ gewesen sei – tja, bis eben zu Lenas Tour; da wurde dieses sonst eher abwegige Argument zu einem Mantra.
Es ist ja offenkundig, dass viele Beobachter der Meinung waren, dass einer Newcomerin wie Lena solch große Häuser schlicht „nicht zustehen“, dass man sich als Neuling erst sozusagen die Knie aufschürfen muss, bis man an die großen Fleischtöpfe darf. Oder, wie Daniela Katzenberger es in ihrer unnachahmlichen Weise ausdrückte: erst muss man Scheiße fressen, bevor der Champagner auf den Tisch kommt.
Ich bin dieser Meinung nicht. Lena wurde dieser Erfolg nicht geschenkt; sie hat sich ihn mit ihrer einzigartigen Bühnenpräsenz erworben. Ich habe sie zweimal live gesehen, in der Dortmunder Westfalenhalle und in der Köln Arena. Die Intensität ihrer Auftritte und die großartige Stimmung im Publikum hat die Größe der Häuser mehr als gerechtfertigt (die Zahl der Zuschauer – in Köln waren es schätzungsweise 12.000 – sowieso). Wer mit seiner schieren Präsenz solche Bühnen auszufüllen vermag, verdient sie auch zu bespielen.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=