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vorgartenbin da gerade sehr neidisch. ich kenne die sachen von roach nach dem tod von brown und vor WE INSIST! überhaupt noch nicht.
Roach war nach Elvin und Philly Joe mein erster grosser Held unter den Schlagzeugern – und er nimmt natürlich wegen seiner Bandleader-Tätigkeiten eine Ausnahmerolle ein. Seine Bands waren ja nicht „finishing schools“ für die besten Talente (wie jene von Blakey, Elvin Jones, Haynes, Hayes) sondern wirklich Gefässe für sein eigenes Schaffen und Denken. Die Mosaic-Box steht natürlich schon lange hier (sie ist ja auch schon seit Jahren vergriffen), es macht gerade sehr viel Spass, sie mal wieder zu hören, ergänzt durch all die anderen Aufnahmen. Ich merkte vorhin übrigens, dass ich „Award-Winning Drummer“ ausgelassen habe, das ja noch mit der Draper-Band aufgenommen wurde. Fresh Sound hat das Jahr auf dem Reissue falsch, daher lag die CD zu tief im grob vorsortierten Stapel.
Sehr toll finde ich „The Many Sides“, das damals zurückgehalten wurde und erst 1964 erschien. Unverständlich. Es dokumentiert eindrücklich den Wandel vom hypervirtuosen Bebopper zum sparsamen Roach der nächsten Phase: lange Pausen in seinen Soli, in denen er nicht mehr mit dem Hi-Hat sklavisch den Beat hält wie davor sondern diesen Job dem Bass überlässt (was aus den Pausen – die bis zu einem ganzen Takt dauern – keine Löcher werden lässt) … die Auflösung schritt ja dann fort, die Begleitung wurde auch an die Latin Percussionisten überreicht (Percussion Bitter Sweet, We Insist), die festen Formen lösten sich auf … und irgendwann spielte Roach dann auch befreit – ohne dass er oder sonstjemand den Beat durchhielt – ganz alleine. Eine faszinierende Entwicklung! Und man muss da wohl bedenken, dass Roach eben nicht der Bilderstürmer war, dem Neuerungen in den Schoss fielen, sondern dass er aus dem Kern des Bebop kam, einer bei aller Wildheit stark „regulierten“ Musik. Er war ja quasi Motor und Herz der wichtigsten Bop-Combo, des Charlie Parker Quintet, und von da ging die Reise los – bis zu den Percussion Gruppen oder den freien Duos mit einem Cecil Taylor, einem Archie Shepp, einem Anthony Braxton.
„Quiet As Its Kept“ gab es (siehe Bildchen oben*) ja in der Originals-Reihe, müsste noch aufzutreiben sein. Auch das Parker-Album und das 3/4-Time sollte es in „domestic“ Reissues geben. Und das letzte Mercury-Album aus Paris gab es zweimal in der Jazz in Paris Serie (das zweite, das wohl auch gleich ein drittes Mal war – Jewel Case und Digipack – in der „Collector’s Edition“, bei der die originalen Cover zum Einsatz kamen). Das Album mit Rich gab es auch einzeln, aber das ist wohl das unwichtigste aus der Box. Ich wüsste nicht, ob es das erste Album (mit Dorham/Mobley) mal einzeln gab, es ist auch sehr toll (bildet quasi den Gegenpart zu „Many Sides“ als Album mit der Working Band, die in verschiedenen Genres präsentiert wird, wobei jeweils Roachs Talent als Leader/Arrangeur/Organisator zum Tragen kommt und man eben auch die unterschiedlichen „Entwicklungsstadien“ sehr schön hören kann). Dann ist da natürlich auch noch das Live-Album aus Newport … aber gut, insgesamt überzeugt mich dort Booker Little noch nicht (sein Candid- und sein Bethlehem-Album und die Five Spot-Aufnahmen und „Far Cry“ mit Dolphy sind es, die mich überzeugen, „Booker Little 4 + Max Roach“ ist eine Art guter Auftakt und das Time-Album ist auch schön aber etwas verhalten – das muss ich allerdings bald mal nachhören, von seinen vier Leader-Alben kenne ich es mit Abstand am schlechtesten).
Alternativ gab es auch irgendwas aus Spanien mit mehreren CDs, aber da ich die Mosaic-Box habe, guckte ich da nie so genau hin. Die Mercury-Alben bilden aber als Gruppe schon einen herausragenden Werk-Korpus, ich betrachte das schöne Argo-Album (Mobley und Dorham sind halt wirklich Lieblingsmusiker von mir, alles, wo sie mitwirken, ist für mich von grossem Interesse), das Riverside-Album – das sind eher feine Ergänzungen. Um 1960 bei der Turrentines-Band sieht es dann etwas anders aus, gerade „Quiet“ und die Begegnung mit Rich sind ja quasi Konzeptalben, die anderen beiden für Mercury nicht. Ihnen stehen dann die Alben auf Enja („Long As It’s Living“) und die beiden auf Time unter Tommy bzw. Stanley Turrentines Namen zur Seite – aber da war der Mercury-Vertrag ja auch bereits Geschichte, die Alben sind also weniger „Neben-“ als Nachfolge-Alben, bevor Roach dann bei Candid und Impulse den nächsten, wirklich grossen Schritt nahm.
*) Richtigstellung zur Verwechslung s.u.!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba