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spiegel.deSelten trifft man auf Leute, die John Cale verehren. Falls doch, sind dies oft verlotterte, von Berufs wegen skeptische Gastwirte und Taxifahrer, niemals sind es junge Frauen.
„Paris 1919“ kennt jeder, es ist Cales hörbarste und beste Platte, der Rest ist vielen zu caustic, zu fordernd, zu befremdlich, zu missgelaunt oder was es sonst noch so für Entschuldigungen gibt, doch lieber zu Damien Rice zu kochen. Für mich glichen die besten Cale-Platten („Vintage Violence“, „Fear“, „Music For A New Society“, „Paris 1919“) immer unlösbaren Rechenaufgaben oder Filmen von Peter Greenaway und Christopher Nolan: rätselhafte, verzwickte Geschichten über das Trügerische in uns allen, die ich nie verstand. Doch die Musik, die Farben und der Rausch gefielen mir.
„Shifty Adventures In Nookie Wood“ ist John Cales erste LP seit sieben Jahren, und mit dem Cover schafft seine Lordschaft es tatsächlich, die Abbildung auf Bob Dylans „Tempest“ noch zu untertreffen. Auch über „Shifty Adventures In Nookie Wood“ wird wieder geschrieben werden, dass Cale sich abermals „neu erfindet“ und „am Puls der Zeit“ musiziert, was insoweit zu kurz greift, als dass auch diese Platte nicht dezidiert moderner ist als „Hobo Sapiens“ (2003): Cale hat zwischendurch mal Techno gehört („December Rains“), benutzt jetzt leider auch den (zumindest bei mir) unbeliebten Autotune-Effekt („Face To The Sky“), schreibt aber trotzdem noch beinahe zärtliche Stücke wie „Mary“ oder dunkel Dräuendes („Hemmingway“, mit Doppel-M). Wer „Nookie Wood“ und „Midnight Feast“ in ihrem Wesen erfasst, weiß auch, wo ein anderer John (John Maus nämlich) sich inspirieren ließ.
Wer den Kauf seiner ersten Cale-MP3 vor coolen V-Ausschnitt-T-Shirt-Freunden mit schütterem Bartwuchs rechtfertigen muss, darf beruhigt sein: Danger Mouse ist auch dabei.
(7.4) Jan Wigger
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